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»Na ja, mindestens ein Wunder haben wir heute ja schon erlebt, eigentlich sogar zwei«, erwiderte Iceni. »Vielleicht ist es nicht zu viel verlangt, auch noch auf Wunder Nummer drei zu hoffen.«

Kurz darauf stellte sich aber heraus, dass die letzte Gruppe Enigma-Kriegsschiffe den Angriff abbrach und stattdessen mit maximaler Geschwindigkeit Kurs auf den Sprungpunkt nach Pele nahm. »Die haben erst mal genug«, stellte Drakon fest. Er hatte das oft genug bei Kämpfen zwischen menschlichen Kontrahenten beobachtet. Irgendwann war bei jedem Gefecht ein Punkt erreicht, an dem der Kampfgeist kapitulierte. Je besser ein Kämpfer war, umso länger dauerte es, bis er an diesen Punkt gelangte, aber grundsätzlich galt diese Beobachtung für jede Streitmacht, wenn sie erst einmal ausreichend schwere Verluste erlitten hatte. Auch wenn die Enigmas in jeder anderen Hinsicht nicht so sein mochten wie Menschen, gab es zumindest in diesem Punkt eine Art Verwandtschaft zwischen den Spezies. In gewisser Weise hatte diese Erkenntnis etwas Tröstendes.

Sein Blick wanderte zu Black Jacks Flotte, die in das von den Enigmas kontrollierte Gebiet vorgedrungen und von dort zurückgekehrt war — und die dabei von den sechs mysteriösen Schiffen und jenem gigantischen Etwas begleitet wurde, das von Allianz-Schlachtschiffen geschleppt werden musste. »Was glauben Sie, wie viel er uns darüber verraten wird, was er alles herausgefunden hat?«

Nachdenklich schüttelte Iceni den Kopf. »Ich habe keine Ahnung. Er könnte einen Preis dafür fordern, dass er uns verrät, was er weiß.«

»Was denn für einen Preis? Wir haben fast nichts, was wir ihm bieten könnten.«

»Ich weiß auch nicht.« Iceni schien besorgt zu sein, während Morgan ein überhebliches Lächeln zur Schau stellte, als wüsste sie die Antwort.

»Wir sollten wohl mit ihm reden«, sagte Drakon.

»Ja. Machen wir es auf die formale Art.« Iceni führte ihn in das private Büro, wo er wieder neben ihr Platz nahm. »Was wollen Sie ihm sagen?«

Was wollte er sagen? Sein Blick wanderte unauffällig zu Malin, der genauso dezent wortlos den Vorschlag unterbreitete, Iceni den Vortritt zu lassen. Also gut. Lieber gar nichts sagen anstatt Unsinn zu reden. »Das überlasse ich Ihnen«, sagte er zu Iceni. »Wir sollten Black Jack auf jeden Fall wissen lassen, dass uns mit Boyens’ Flotte keine Freundschaft verbindet.«

»Ja, natürlich. Wenn wir Black Jack dazu bekommen, sich zu uns zu bekennen, dann hat CEO Boyens keine Chance. Sonst noch was?«

»Nein. Ich will nur sicherstellen, dass Black Jack uns zusammen sieht, damit er weiß, dass wir gemeinschaftlich zu allem stehen, was wir sagen.«

Iceni nickte ihm zu, dann drehte sie sich zur Kamera um und gab ein Zeichen, damit die Übertragung beginnen konnte. »Wir stehen abermals in Ihrer Schuld, Admiral Geary. Ich weiß nicht, wer Ihre Verbündeten sind, aber ihnen sind wir ebenfalls zu großem Dank verpflichtet. Meine Kriegsschiffe werden sich den Enigmas widmen, die es auf mein Schlachtschiff abgesehen haben. Ich habe keinen Einfluss auf die Flotte nahe dem Hypernet-Portal, aber ich kann Ihnen sagen, dass Sie nicht davon ausgehen können, dass diese Flotte in unserem Interesse handeln wird. Ihr Befehlshaber CEO Boyens ist Ihnen ja bekannt. Wenn Sie ihm Ihre Befehle klar machen, wird er es sich womöglich überlegen, ob er ihnen zuwiderhandeln soll. Es ist wichtig, Boyens zu verstehen zu geben, dass er nicht die Kontrolle über dieses System besitzt und dass er nicht vorschreiben kann, was hier zu geschehen hat. Für das Volk, Iceni, Ende.«

Sie entspannte sich, bis ihr Drakons Blick auffiel. »Habe ich etwas Verkehrtes gesagt?«

Er gab Malin ein Zeichen, damit der sie allein ließ. Dann wartete er, bis sich die Tür hinter dem Colonel geschlossen hatte. »Meine Kriegsschiffe? Mein Schlachtschiff?«

»Habe ich das gesagt? Ich dachte, ich hätte unsere gesagt.«

»Haben Sie aber nicht.« Es war nur eine Kleinigkeit, aber es war auch ein eindeutig einseitiger Anspruch auf die mächtigsten militärischen Posten in diesem Sternensystem. Drakon wurde bewusst, dass ihn die jüngsten Ereignisse verärgert hatten, weil er gezwungen gewesen war, zusammen mit seinen Soldaten dazusitzen und zuzuschauen, wie andere Midway verteidigten und retteten. Ich weiß, dass die Bodenstreitkräfte gegen diese Bedrohung nichts ausrichten konnten, aber es stört mich trotzdem ungemein, dass sie und Black Jack gemeinsam mit ihren Kriegsschiffen alle Arbeit geleistet haben.

Iceni tippte ein paar Mal mit einem Finger auf die Tischplatte und fixierte dabei ihre Hand, als erfordere diese Geste äußerste Konzentration. »Wenn das ein Grund zur Sorge sein sollte, dann werde ich die Beschreibung der Streitkräfte anpassen, wenn ich das nächste Mal mit ihm rede.« Sie sah ihn an und machte dabei ein Pokerface, das Drakon rätseln ließ, was in diesem Moment tatsächlich in ihrem Kopf vor sich ging.

»Gut. Solange Klarheit darüber besteht, dass ich hier das gleiche Maß an Kontrolle besitze.«

»Daran bestand nie ein Zweifel.« Sie sah ihm in die Augen. »General Drakon, wir können uns keine Fehler bei der Frage leisten, wer unsere Verbündeten sind.«

»Gwen … ich bedauere unser vorangegangenes Missverständnis.«

»Sie meinen, als Ihre Offizierin mich bedroht hat?«

Iceni wollte es ihm ganz offensichtlich nicht leicht machen. »Es wird nicht wieder vorkommen. Dafür werde ich sorgen.«

Sie sah zu den Sicherheitsanzeigen über der Tür, um sich zu vergewissern, dass niemand ihre Unterhaltung belauschte. »Artur, um sicherzustellen, dass diese Offizierin das nicht noch mal macht, muss man sie schon kaltstellen. Das wissen Sie so gut wie ich.«

»Wenn Sie ihre Vorgeschichte kennen würden …«, begann Drakon beharrlich.

»Ich kenne ihre Vorgeschichte.«

Auch wenn diese Aufzeichnungen über Morgan strenger Geheimhaltung unterlagen, überraschte es ihn nicht, dass Iceni darüber Bescheid wusste. Sie hatte eindeutig ihre Hausaufgaben gemacht. »Morgan hat einige schwere Schläge einstecken müssen. Das würde nicht als Rechtfertigung dienen, wenn sie ihre Arbeit nicht erledigen könnte. Genau das kann sie aber. Sie hat vor allen anderen die Agentin im Kommandozentrum aufgespürt.«

Iceni lehnte sich zurück und sah ihn ernst an. »Es könnte so arrangiert worden sein. Die Schlangen, die sich noch immer in diesem Sternensystem versteckt halten, müssen gewusst haben, dass wir dieser Agentin auf der Spur waren. Sie könnten Morgan die Informationen zugespielt haben.«

»Wozu?«

»Um jeden Verdacht von ihr abzulenken.«

Einen Moment lang war Drakon sprachlos. »Gwen, ganz ernsthaft. Wenn Sie Morgan besser kennen würden, wüssten Sie, dass das unmöglich ist. Sie hasst die Schlangen, und sie hasst das Syndikat. Das Syndikat hat ihr übel mitgespielt, und auch wenn sie das nicht zugeben würde, sinnt sie auf Rache.«

Iceni schürzte die Lippen und überlegte eine Weile. »Bestätigen Sie, was ich weiß. Das Syndikat spielte ihr übel mit, wie Sie es ausdrücken, als sie mit gerade mal achtzehn Jahren ein mentales Training für ein Selbstmordkommando im Territorium der Enigmas über sich ergehen lassen musste.«

»Richtig. Sie verbrachte ungefähr zwanzig Jahre im Kälteschlaf, während sie in einem ausgehöhlten Asteroiden auf eine von den Enigmas besetzte Welt zusteuerte. Sie und die anderen Teilnehmer dieser Mission sollten aufgeweckt werden, kurz bevor der Asteroid in die Atmosphäre eintauchte. Dann sollten sie auf der Oberfläche landen und alle Informationen senden, die sie sammeln konnten, bevor die Enigmas sie töten würden. Aber die Mission wurde abgebrochen, als die vordersten Asteroiden dieser Gruppe von den Enigmas zerschossen wurden. Morgan und ein anderer Soldat wurden zurückgeholt, um herauszufinden, wie die Enigmas so schnell von ihrer Anwesenheit hatten erfahren können.«