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»Das passt«, sagte Iceni. Was sie in diesem Moment dachte, blieb hinter ihren Augen verborgen. »Chronologisch gesehen ist sie doppelt so alt, wie sie aussieht.«

»Ja, biologisch ist sie ungefähr so alt wie Malin. Auch wenn das für keinen von beiden ein Anlass ist, besser miteinander auszukommen.«

Iceni schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie Ihren Stab zu leiten haben, aber ich kann Ihnen sagen, dass diese Frau meiner Meinung nach gefährlich ist.«

»Sie glauben, sie stellt eine Bedrohung für mich dar?«, fragte Drakon.

»Ja«, erwiderte sie und überraschte ihn damit. »Regen Sie sich nicht gleich auf, sondern hören Sie mich erst mal an. Ich glaube nicht, dass Colonel Morgan Ihnen vorsätzlich Schaden zufügen würde. Dafür ist ihre Loyalität Ihnen gegenüber viel zu stark. Gedanken sollten Sie sich allerdings darüber machen, wohin diese Loyalität sie führen könnte und wozu sie möglicherweise fähig ist, weil sie davon überzeugt ist, in Ihrem besten Interesse zu handeln.«

In meinem besten Interesse? Wo habe ich denn das schon mal gehört?, überlegte Drakon.

Taroa. Morgan selbst hatte genau das zu ihm gesagt: »General Drakon, alles, was ich tue, geschieht nur in Ihrem besten Interesse.« Selbst damals hatte er sich schon gefragt, wie sie das wohl meinte.

Dass das für ihn zur Gefahr werden sollte? Morgan hatte ihre Macken, aber sie hätte niemals diese medizinische Bescheinigung erhalten, wenn sie nicht die Standards des Syndikats erfüllt hätte. Zugegeben, solche Standards ließen sich auch in die eine oder andere Richtung auslegen, aber da war kein Spielraum für schießwütige Verrückte, wenn die nicht gerade einen einflussreichen Fürsprecher auf ihrer Seite hatten. Einen solchen Fürsprecher hatte Morgan definitiv nicht gehabt.

Dennoch konnte Drakon den Grund für Icenis Bedenken nachvollziehen. »Also gut, ich werde Morgan wissen lassen, wenn Ihnen oder irgendwem sonst ohne meinen eindeutigen und ausdrücklichen Befehl etwas zustößt, dann werden ihre bisherigen Leistungen sie nicht vor den Konsequenzen bewahren.«

Sie sah ihm lange forschend in die Augen, schließlich erwiderte Iceni: »Das ist ein echtes Dilemma. Ich mag Sie, weil Sie die Leute nicht abschieben, die Ihnen lästig werden. Aber dieser Charakterzug macht mir das Leben umso schwerer. Also gut, warnen Sie sie. Doch ich werde sie auf jeden Fall im Auge behalten.«

»Das werde ich machen«, entgegnete er, dann sah er sie skeptisch an. »Sie mögen mich?«

Iceni seufzte und spreizte die Hände. »Ein wenig. Ist das so ungewöhnlich?«

»Wenn Sie es genau wissen wollen: Ja.« Er lächelte ironisch. »Ich bin nämlich nicht sehr umgänglich.«

»Und ich bin nicht billig«, gab sie amüsiert zurück, wurde jedoch gleich wieder ernst. »Ich habe noch Arbeit zu erledigen.«

»Ja, ich auch.« Niemandem vertrauen, niemanden zu nahe an sich heranlassen, nie die Arbeit mit Privatem vermischen. Und zu keiner Zeit wegen persönlicher Gefühle in der eigenen Wachsamkeit nachlassen. Das waren alles altbekannte Warnungen, die ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatten, während er in den Dienstgraden der Syndikatshierarchie aufgestiegen war. Sie hallten endlos in Drakons Kopf nach, während sie das Büro verließen.

Verdammt, ich mag sie ebenfalls. Ein klein wenig.

»Ich habe mir das Verhörprotokoll der Agentin angesehen, das Präsidentin Icenis Leute erstellt haben«, berichtete Colonel Malin. »Ich habe auch ein eigenes Verhör durchgeführt und kann den Resultaten zustimmen, die man Ihnen vorgelegt hat. Diese spezielle Agentin weiß nichts, was für uns von Nutzen sein könnte. Ihre Entsorgung wird vorgenommen, sobald Sie die Anweisung geben.«

Drakon lehnte sich in seinem Sessel nach hinten. Er war endlich zurück in seinem Büro, zurück in seinem eigenen Hauptquartier, umgeben von Leuten, deren Loyalität ihm gegenüber über jeden Zweifel erhaben war. Er ließ sich Malins Worte durch den Kopf gehen, während der Colonel geduldig wartete und in respektvollem Abstand und in einer Beinahe-Habachthaltung dastand, was die lässigste Haltung zu sein schien, die sich Malin in Drakons Gegenwart erlaubte.

»Entsorgung.« Das war einer der offiziellen und zugelassenen Begriffe, die in den Syndikatwelten für eine Hinrichtung standen. »Die Entsorgung der Gefangenen«. Wie oft habe ich das wohl zu hören bekommen?, fragte Drakon sich.

Er hasste dieses Wort, nicht erst seit Jüngstem, sondern schon seit langer Zeit.

Aber von der Wortwahl abgesehen gab es keinen Diskussionsspielraum, was diese Frau anging. Sie hatte für die Schlangen gearbeitet. Ihre Behauptung, durch Drohungen gegenüber ihrer Familie erpresst worden zu sein, hatte sich während des Verhörs bestätigt, doch das änderte nichts an der Tatsache an sich. Sie konnte keine Gnade erwarten, nicht einmal von ihren ehemaligen Kollegen. Sie aus der Haft zu entlassen war schlicht unmöglich.

Und dennoch verspürte Drakon einen merkwürdigen Unwillen, sie zu »entsorgen«. »Was ist mit Präsidentin Iceni? Hat sie einen Befehl hinsichtlich der Gefangenen erteilt?«

»Ihr Büro hat der Entsorgung zugestimmt, General.«

»Wer genau hat zugestimmt? Ihr Büro oder sie selbst?«

Malin verstummte kurz. »Sir, ich werde nachfragen müssen, ob Präsidentin Iceni persönlich entschieden hat.«

Gehörte etwas so Routinemäßiges zu seiner Vereinbarung mit Iceni? Vermutlich ja. Sie hätte sich mit ihm absprechen sollen, bevor sie der Tötung der Agentin zustimmte. Vor allem weil es keinen Grund gab, die Hinrichtung zu überstürzen. Aber warum sollte sie aufgeschoben werden? Wäre die Agentin für sie noch von Nutzen, dann sähe die Sache anders aus …

Unwillkürlich begann Drakon zu lächeln. »Colonel Malin, angenommen, wir lassen sie leben …«

»Leben?« Zum ersten Mal überhaupt machte der Mann einen verdutzten Eindruck.

»Angenommen, Sie wären eine der Schlangen, die sich noch immer auf diesem Planeten oder in diesem Sternensystem versteckt halten. Sie wüssten, wir haben diese Frau gefangengenommen, und dann würden Sie erfahren, dass sie nicht hingerichtet wurde. Was würden Sie dann denken?«

Malin dachte nur kurz über diese Frage nach, dann hellte sich seine Miene auf. »Ich würde glauben, dass sie für sie immer noch von Nutzen ist.«

»Richtig. Dass sie immer noch wertvoll für uns ist. Und was würden Sie dann tun?«

»Ich würde versuchen, zu ihr zu gelangen, um sie höchstpersönlich zu eliminieren.« Malin lächelte Drakon erfreut an. »Sie wollen sie als Köder benutzen, um ein paar von den verbliebenen Agenten der Schlangen hier im Sternensystem zu entlarven.«

»Das war mein Gedanke.« Das stimmt doch, oder nicht? Vielleicht war das tatsächlich der einzige Grund, weshalb er die Entsorgung dieser Frau nicht anordnen wollte.

Aber er hatte genug vom Tod. Gwen Iceni hatte mit ihm über etwas gesprochen, unmittelbar bevor die Enigmas und Boyens hier aufgetaucht waren. Etwas, das mit einer neuen Vorgehensweise zu tun hatte, die auf beiläufige Hinrichtungen verzichtete und die den Führern keine grenzenlosen Befugnisse gewährte. »Bran, können Sie auf irgendwelche Informationen über Regierungssysteme zugreifen, die die Befugnisse der Machthaber beschneiden?«

Malin nickte prompt. »Ja, Sir, da kann ich Ihnen Verschiedenes liefern. Texte über Politikwissenschaft und Geschichte.«

»Wenn Politik tatsächlich eine Wissenschaft ist, dann ist sie in meinen Augen pervertiert«, polterte Drakon. »Ich weiß, warum so viele Leute die Macht unterstützen, über die ein CEO im Syndikatsystem verfügt. Sie hoffen darauf, eines Tages selbst CEO zu werden und dann auch diesen Einfluss übertragen zu bekommen.«

»Unterschätzen Sie nicht die Angst, die ein solches System erzeugt«, warnte Malin ihn. »Viele fürchten sich davor, überhaupt etwas zu sagen, wenn selbst die harmloseste Bemerkung missbraucht werden kann, um jemanden zu bestrafen. Und um ehrlich zu sein: Eine Menge Menschen sind doch davon überzeugt, dass so viel Macht in den Händen der Anführer nötig ist, damit Ruhe und Ordnung herrscht.«