Выбрать главу

Kontos warf ihr einen rätselhaften Blick zu. »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Es ist wichtig. Sie … Sie werden eine andere Offizierin kennenlernen, die Sie auf die Manticore begleiten soll.«

Das war schon mal beruhigend zu hören, da es bedeutete, dass sie auf ihr Schiff zurückkehren würde — hoffentlich weder tot noch unter Arrest gestellt.

Kontos zog einen Umschlag aus der Tasche und hielt ihn ihr hin. »Ihre Befehle. Ich habe sie nicht gelesen, ich kenne nur das Begleitdokument, mit dem ich angewiesen wurde, Ihnen den Umschlag zu geben.«

»Schriftliche Befehle?« Marphissa starrte ungläubig den Umschlag an, während sie ihn entgegennahm.

»Man will kein Risiko eingehen, dass irgendjemand etwas von dem erfährt, was da drinsteht.«

»Das würde ich aber auch sagen. Ich habe noch nie einen Befehl erhalten, der auf Papier geschrieben war.«

Vor einer Luke blieb Kontos stehen. »Sie ist da drin. Ich bin der Einzige hier an Bord, der sie gesehen hat.«

»Und wer bitte soll sie sein? Hat sich die Präsidentin etwa persönlich an Bord geschmuggelt?«

»Das wäre nicht annähernd so erstaunlich gewesen«, meinte Kontos und salutierte. »Ich soll Sie nach drinnen gehen sehen und die Luke verschließen, und dann soll ich warten, bis Sie mich rufen. Neben meinem Platz auf der Brücke gibt es eine funktionstüchtige Komm-Einheit. Ich werde dort warten.«

»Soll ich die Befehle lesen, bevor ich diese Offizierin kennenlerne?«

»Das weiß ich nicht, Kommodor.«

»Na gut. Lassen Sie mich rein, ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich fertig bin.« Idiotische Heimlichtuerei, dachte Marphissa. Was sollte rechtfertigen, dass niemand irgendetwas erfahren durf—

Sie hatte zwei Schritte in das Abteil gemacht, da blieb sie wie angewurzelt stehen und bekam kaum etwas davon mit, dass Kontos hinter ihr die Luke schloss.

Neben einem der fest mit dem Boden verbundenen Tische stand eine Offizierin der Allianz-Flotte, ein Captain in vollständiger Uniform.

Marphissa atmete einmal tief durch. Eine Allianz-Offizierin. Sie hatte Kriegsgefangene gesehen und gegen Allianz-Schiffe gekämpft, aber sie hatte nie mit einem Offizier der Allianz gesprochen. Genau genommen hatte sie kein einziges Mal mit jemandem gesprochen, der zur Allianz gehörte. Der Krieg hatte hundert Jahre gedauert. Die Menschen aus der Allianz waren nicht bloß der Feind, sondern sie waren schon immer der Feind gewesen, die Bedrohung für sie und ihr Zuhause. Einem von ihnen gegenüberzustehen kam ihr genauso fremdartig vor, als hätte man sie mit einem Enigma zusammen eingesperrt.

Aber Präsidentin Iceni hatte sie hergeschickt, also musste es einen guten Grund für diese Situation geben.

Ich habe mich dem Tod gestellt, dann kann ich mich auch einer Offizierin der Allianz-Flotte stellen.

»Ich bin Captain Bradamont«, sagte die Offizierin, die wie in Habachtstellung dastand.

»Kommodor Marphissa«, erwiderte sie reflexartig, dann wanderte ihr Blick zu Bradamonts linker Brust, wo sich die Ehrenabzeichen befanden. Während sie bei der Uniform des Syndikats jede dieser Auszeichnungen einer bestimmten Leistung in einer bestimmten Schlacht zuzuordnen vermochte, sah sie hier nur ein chaotisches Durcheinander aus Farben und Mustern, das für sie ohne Bedeutung war. Wer war diese Frau. »Wieso sind Sie hier?«

»Haben Sie keine Befehle erhalten?«

»Ich …« Marphissa sah auf den Umschlag, den sie in der Hand hielt. »Vielleicht hätte ich das hier besser vorher gelesen.«

Nachdem sie ein paar frustrierende Sekunden damit verbracht hatte herauszufinden, wie dieser Umschlag funktionierte, gelang es ihr endlich, das Siegel zu brechen und die Lasche umzuschlagen. Sie zog die Blätter heraus und las eilig den Text. Verbindungsoffizierin … Unterstützung bei besonderem Projekt … umfassender Zugriff genehmigt … »Was ist das für ein besonderes Projekt? Oh, Moment, da ist ja noch ein Blatt.«

Eine Operation, um die Syndikat-Flotte in die Enge zu treiben, damit sie entweder kämpft oder sich zurückzieht? Marphissa konzentrierte sich wieder auf die Offizierin. »Captain …?«

»Bradamont.«

»Ich bin im Augenblick völlig ratlos. Ich hätte mir nie vorgestellt, jemals mit jemandem wie Ihnen zu reden. Als es überall noch von Schlangen wimmelte, hätte das eine Anklage wegen Hochverrats nach sich gezogen.«

»Schlangen? Ah, die Innere Sicherheit.«

Die Abscheu in Bradamonts Tonfall entsprach Marphissas eigenen Gefühlen für die Schlangen. Marphissa stellte fest, dass sie ein wenig aufzutauen begann. »Die gibt es nicht mehr. Wir haben sie umgebracht.« Ich habe sogar einen von ihnen persönlich getötet. Wie kommt es, dass ich auf einmal damit prahlen will, so als wollte ich diese Frau mit meinen eigenen Leistungen übertrumpfen? Dabei gefällt es mir gar nicht, mich daran zu erinnern, wie ich diese Schlange getötet habe. Der Kerl hatte es natürlich verdient, aber ich mag es nicht, daran zurückzudenken.

Bradamont nickte dabei und sagte schließlich: »Ich weiß, Sie haben Ihre Innere Sicherheit eliminiert. Ansonsten hätte ich mich auch nicht damit einverstanden erklärt, in diesem Sternensystem zu bleiben.«

»Einverstanden erklärt?«

»Ich habe mich freiwillig gemeldet. Oder vielleicht sollte ich sagen, Admiral Geary hat mich gebeten, dass ich mich freiwillig melde.«

»Admiral Geary? Ah, Sie meinen Black Jack. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht so leicht ist, seine Bitten abzuschlagen. Gehörten Sie zu seinem Stab?«

Die Offizierin schüttelte den Kopf. »Ich habe die Dragon befehligt. Einen Schlachtkreuzer.«

Diese Aussage hörte sich nicht nach Prahlerei an, aber es konnte dennoch so gemeint sein. Marphissa kam näher und musterte Bradamont aufmerksam. »Warum haben Sie uns geglaubt, als wir Ihnen sagten, dass die Schlangen ausgelöscht sind?«

»Die Ruinen an den Stellen, an denen sich die Einrichtungen des Inneren Sicherheitsdienstes befunden haben, sind nicht zu übersehen«, antwortete Bradamont. »Außerdem hat jemand aus diesem Sternensystem, dem ich vertrauen kann, diese Tatsache bestätigt.«

»Die Allianz hatte hier einen Spion sitzen?«, platzte Marphissa raus.

»Nein. Nicht mal annähernd ein Spion. Er ist … ein Freund.«

»Ein Freund.« Einen Spion hätte sie als Antwort akzeptieren können, aber einen Freund? Wie sollte das möglich sein?

Eine lange Pause schloss sich an, da keiner von ihnen eine Ahnung hatte, worüber sie sich unterhalten sollten. Worüber unterhielt man sich mit dem Feind? Selbst wenn der Feind nicht mehr der Feind war? Schließlich machte Bradamont eine ausholende Geste. »Ich sehe, Sie haben sich ein Schlachtschiff angeeignet.«

»Ja. Aus dem Kane-System. Wir haben es dort aus einer Orbitaleinrichtung des Syndikats geholt.«

»Ich habe den Einsatzbericht gelesen«, sagte Bradamont und erstaunte damit Marphissa. »Ihre Präsidentin hat ihn mir geschickt. Das war sehr guter Umgang mit dem Schiff, Kommodor.«