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„Verzeihung, Exzellenz, ich kann nichts dafür!“

„Natürlich kannst du nichts dafür!“ rief der Großvater.

Und als der Wachtmeister ihn fragend ansah, fuhr er fort:

„Nämlich, daß du geraubt worden bist.“

„Das meine ich nicht.“

„Was denn?“

„Daß ich für das eine der verlorenen Kinder erklärt werde. Richard kann mir bezeugen, daß ich mich lange, lange Zeit gesträubt habe.“

„Warum denn aber! Dieser Zahn ist doch Ihr Eigentum? Nicht?“

„Ja.“

„Nun, so ist ja alles in Richtigkeit. Wie wunderbar! Befindet sich der Kerl seit Jahren hier bei uns, und niemand ahnt, daß er unser Verwandter ist! Aber, Goldberg, bist du dumm?“

Jetzt erst kam in den General Bewegung. Er stieß einen unartikulierten Schrei aus, stürzte auf Fritz zu und riß ihn in seine Arme.

„Mein Sohn, mein Sohn!“ mehr brachte er nicht hervor, aber es lag eine ganze Welt voll Wonne in diesem Ausruf.

Es trat eine tiefe Stille ein. Aller Augen waren naß. Großvater, Enkel und Enkelin blickten in tiefster Rührung auf die Gruppe. Der General weinte wie ein Kind. Fritz war ruhig. Er vermochte nicht, an sein Glück zu glauben. Er entzog sich sanft der Umarmung des Generals und sagte:

„Exzellenz, wenn Sie sich irren –“

„Nein, ich irre mich nicht; jetzt fühle ich es“, antwortete dieser. „Der beste Beweis liegt in dem Umstand, daß ihr beide, in deren Händen sich die Zähne befinden, euch so ungeheuer ähnlich seid. Sage du zu mir, mein Sohn! Du wirst mir viel, sehr viel zu erzählen haben, aber das verschieben wir auf später. Jetzt mußt du sofort mit zu deiner Mutter!“

„Mann, bist du toll?“ sagte der Alte.

„Toll? Wieso?“

„Willst du deine Frau töten?“

„Töten? Ach ja.“

„Du bist selbst so angegriffen, daß du kaum stehen kannst; wie soll es erst mit deinem Weib werden.“

„Du hast recht, Vetter. Aber, darf ich ihr denn die Wonne versagen, ihren Sohn zu umarmen?“

„Für heute, ja. Bereite sie vor; gib ihr Tropfen um Tropfen, damit sie es ertragen lernt. Jetzt setzt du dich her und trinkst ein Glas Wein mit uns. Wir haben noch vieles zu besprechen.“

„Mehr, als du denkst, Großpapa“, sagte Emma.

„Wie? Habt ihr vielleicht noch weitere Überraschungen?“

„Frage Richard.“

„Nun, Junge?“

„Ja, es gibt noch einiges, was dich interessieren wird, Großvater“, antwortete der Rittmeister.

„So? Ich errate es.“

„Das kannst du unmöglich erraten.“

„Und doch! Ich wette mit.“

„Ich nicht, denn ich weiß, daß du die Wette verlieren wirst.“

„Da irrst du dich. Soll ich es dir sagen, womit ihr mich überraschen wollt?“

„Nun?“

„Mit einer gewissen Marion de Sainte-Marie.“

Der Rittmeister errötete.

„Ah, du bekommst Farbe! Also habe ich recht.“

„Nein, Großvater.“

„Leugne nicht.“

„Ich meine wirklich eine ganz andere Überraschung.“

„Aber mit dieser Marion ist es wohl auch nicht so ohne? Wie?“

„Nun, Emma hat mir gestanden, daß sie nach Ortry gekommen ist, um diese Dame kennenzulernen.“

„Das ist richtig. Ich gab ihr die Erlaubnis dazu. Also, Emma, wie hat sie dir gefallen?“

„Sie ist ein Engel, Großpapa!“

„Natürlich! Das seid ihr ja alle.“

„Aber sie ist's wirklich!“

„Eine Französin.“

„Großmama Margot war auch eine Französin.“

„Freilich, ja. Aber sie hatte mich lieb.“

„Marion liebt Richard auch.“

„Hat sie es ihm gesagt?“

„Noch nicht.“

„Sie hat ihn dort nur mit dem Höcker und der falschen Perücke gesehen, deshalb bildet euch um Gottes willen nicht ein, daß sie ihm gut ist! Der Kerl sah ja wie ein Scheusal aus, als er hier bei uns eintraf.“

„Fritz, wie steht es?“ sagte Emma.

„Nun“, antwortete der Wachtmeister, „ich stimme bei, daß Mademoiselle Marion einst Frau von Königsau sein wird.“

„Halt!“ sagte Richard. „Ihr beide redet da von meinen Herzensangelegenheiten, ohne mich erst um Erlaubnis zu fragen. Wie nun, wenn ich mich rächen und auch die eurigen ausplaudern wollte!“

„Was?“ fragte der Alte. „Sie haben auch welche?“

„Freilich.“

„Alle beide?“

„Ja.“

„Höre ich recht?“

„Es ist so, wie ich sage.“

„Nein, nein!“ rief Emma.

„Nein, nein!“ stimmte Fritz im Spaß bei.

„Leugnet nicht!“ gebot Richard.

Dem General wollte darüber bange werden. Sein Sohn hatte als Wachtmeister sein Herz sicherlich nur an irgendeine Tochter bürgerlicher, vielleicht obskurer Eltern verschenkt. Darum fragte er Richard voller Sorge:

„Er ist wirklich bereits engagiert?“

„Ja“, lachte der Gefragte, „sogar sehr.“

„Doch nicht unwiderruflich?“

„Ganz sicher unwiderruflich. Sie geben einander nicht her; sie bleiben sich treu.“

„Eine Berlinerin?“

„Nein.“

„Aber doch aus der hiesigen Gegend?“

„Nein.“

„Doch eine Deutsche?“

„Auch nicht.“

„Ah! Also eine Französin?“

„Ja.“

Und als der General bemerkte, daß sich Fritz durch diese Erkundigungen gar nicht aus der Fassung bringen ließ, fragte er weiter:

„Was ist sie denn?“

„Gesellschafterin.“

„In einem anständigen Haus?“

„Gewiß!“

„Wo?“

„Sie ist von der erwähnten Marion de Sainte-Marie engagiert.“

„O weh!“ entfuhr es ihm. „Die Gesellschafterin der zukünftigen Frau von Königsau soll Gräfin von Goldberg werden?“

„Hoffentlich.“

„Wie heißt sie?“

„Köhler, Nanon Köhler.“

„Nanon von Köhler?“

„Nein, nur Köhler, bürgerlich.“

„Die Gräfin Hohenthal hat doch eine Gesellschafterin, die auch Köhler heißt?“

„Diese ist die Schwester von Nanon.“

Da wendete sich der General an Fritz:

„Du hast dieses Mädchen wirklich lieb?“

„Sehr, von ganzem Herzen, und sie ist's auch wert.“

„Nun, wir werden später darüber sprechen. Lebe dich nur erst bei uns ein.“

„Nein, lieber Onkel“, sagte Emma. „Wir wollen lieber von Nanon Köhler sprechen, noch ehe Fritz sich bei euch einlebt. Sie hat nämlich eine ausgezeichnete, für uns sehr wertvolle Eigentümlichkeit.“

„Welche wäre das?“

„Sie ist, grad wie ihre Schwester, ein Waisenkind.“

„Ohne beide Eltern?“

„Bis vor kurzer Zeit. Nanon hat ihren Vater nicht gekannt, und ihre Mutter war unter dem angenommenen Namen Köhler gestorben.“

„Angenommen? Also ist der Name Köhler falsch?“

„Ja.“

„Ist der richtige bekannt?“

„Ja. Die Schwestern haben nämlich glücklicherweise ihren Vater gefunden in Thionville, während wir uns dort befanden.“

„Wie heißt er?“

„Deep-hill“, antwortete sie, innerlich belustigt.

„Das ist ein englischer oder amerikanischer Name?“

„Amerikanisch.“

„Und was ist dieser Mann?“

„Bankier und Millionär.“

„So, so! Hm!“

„Du scheinst noch immer bedenklich?“

„Es ist ja stets bedenklich, solche Angelegenheiten in fliegender Eile zu behandeln.“

„Aber ich bin nun einmal gewillt, diese Angelegenheit bis auf den Grund zu verfolgen. Der Name Deep-hill ist nämlich wieder falsch.“

„Auch? Aber Kinder, ihr habt es ja außerordentlich mit falschen Namen zu tun!“

„Bloß zufälligerweise. Dieser Deep-hill ist nämlich eigentlich nicht Amerikaner, sondern Franzose. In seiner Heimat hieß er Bas-Montagne!“