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„Warum?“

„Sie können keine von beiden bekommen.“

„Weshalb denn nicht?“

„Sie sind bereits versprochen.“

„Donnerwetter! Da hat man diese Dankbarkeit.“

„Wer denkt denn aber, daß –“

„Na, na, ereifern Sie sich nicht. Ihre beiden Baronessen sind zwar wunderbar hübsch, für mich aber viel zu niedlich und zu fein. Da ist meine Marie Melac ein ganz anderes Mädchen. Die hat Knochen im Leib und Fleisch an diesen. Wenn ich deren Porträt anfertigen will, brauche ich drei Zentner rote Farbe mehr, als bei Demoiselle Nanon und Madelon in Summa. Die wird meine Frau, keine andere!“

„Gott sei Dank!“ lachte der Baron. „Fast hatte ich befürchtet, daß Sie wegen unglücklicher Liebe das Leben nehmen würden.“

„Fällt mir gar nicht ein! Unglückliche Liebe gibt es für mich nicht. Wenn eine mich nicht mag, so läßt sie es bleiben; es ist ihr eigener Schade, aber nicht der meinige.“

Sie schlossen die Tür auf und verließen die Wohnung des alten Isegrims. Als sie die Straße erreichten, blieb der Baron stehen und fragte den Maler:

„Sind Sie für heute abend irgendwo engagiert?“

„Nein.“

„So bitte, kommen Sie mit zu mir.“

„Wozu denn!“

„Ich muß Leute haben, denen ich mein Glück mit fühlen lassen kann. Ich bin so froh, daß Amély nicht schuldig gewesen ist. Kommen Sie.“

„Danke!“

„Nicht? Warum?“

„Was nützt mir Ihr Glück! Ich werde Ihnen einen senden, dem es mehr Vorteil bringen wird als mir.“

„Wen meinen Sie?“

„Warten Sie es ab. Gute Nacht.“

Er lief davon, und zwar begab er sich nach der Wohnung der Familien Königsau. Die Mitglieder derselben befanden sich in der besten Stimmung, als der Diener einen fremden Herrn meldete.

„So spät noch!“ sagte der alte Hugo. „Wie heißt er?“

„Er nannte sich der Tier- und Kunstmaler Hieronymus Aurelius Schneffke.“

„Ah, unser Dicker!“ lachte Richard. „Der mag sofort kommen.“

Und als der Maler eintrat, faßte er ihn bei der Hand, führte ihn zum Großvater und sagte:

„Hier, liebster Großvater, ist unser Freund und Künstler, dem wie es zu verdanken haben, daß ich den Vater fand.“

Der greise Herr hielt Schneffke die Hand entgegen und sagte:

„Ich danke Ihnen! Seien Sie uns willkommen. Setzten Sie sich und nehmen Sie mit teil an der Freude, die wir wohl nur Ihnen verdanken.“

„Mir? O nein.“

„Wem sonst?“

„Meinem Pech. Ich habe nämlich das Unglück, jeden Stein, über den man stolpern, und jedes Loch, in welches man stürzen kann, immer mitten auf meinem Weg zu finden.“

„Aber Sie scheinen sich sehr wohl dabei zu fühlen“, meinte Hugo, indem er seinen Blick über die wohlbeleibte Gestalt gleiten ließ.

„Gott sei Dank, ja! Das Purzeln bekommt mir äußerst gut! Verstauchen kann ich mir nichts, brechen noch weniger, und so will ich denn so weiterpurzeln wie bisher.“

„Viel Glück dabei! Also nehmen Sie Platz.“

„Gern, Herr Rittmeister. Aber ich habe vorher eine Botschaft.“

„An wen?“

„An den Herrn Wachtmeister Schneeberg.“

„Bitte, Sie meinen wohl den Herrn Wachtmeister von Goldberg?“

Der Dicke verzog sein Gesicht zu frohem Grinsen und rief aus:

„Sackerment! So ist diese Geschichte also bereits heute abend zur Perfektion gekommen?“

„Ja.“

„So gratuliere ich aus ganzem Herzen, Herr Wachtmeister. Übrigens wird es sich bald ausgewachtmeistert haben. Ein Herr von Goldberg kann nur als Offizier existieren. Ich bin doch neugierig, wessen verlorener Sohn ich einmal sein werde. Es muß äußerst angenehm sein, die Himmelsleiter ganz unbewußt emporzusteigen, bis man erwacht, weil man mit der Nase an einen Grafen oder General gestoßen ist. Unter diesen Verhältnissen wird meine Botschaft allerdings weniger Wert besitzen.“

„Was bringen Sie denn, lieber Freund?“ fragte Fritz.

„Mit den Bas-Montagnes ist es glatt geworden.“

„Wieso?“

„Der Baron hat seinen Vater gefunden.“

„Wann? Wo?“

„Heute abend. Hier in Berlin, wo der alte Herr in größter Verborgenheit lebte, von mir aber entdeckt wurde.“

„Sie sind wirklich ein Tausendsassa!“

„Die Folge davon ist sehr erfreulich. Es hat sich herausgestellt, daß Frau Amély unschuldig ist, daß also auf den beiden jungen Damen nicht der mindeste Makel haftet. Und die Hauptsache: Es ist nun über allem Zweifel erhaben, daß die beiden Demoiselles wirklich die Töchter des Barons sind. Dieser letztere ist soeben von seinem Vater zu Fräulein Nanon zurückgekehrt. Beide sind allein; beide befinden sich in der glückseligsten Stimmung, und wenn der Herr Wachtmeister Schneeb – wollte sagen Goldberg –“

„Schön, schön!“ rief Fritz ein. „Gut, sehr gut! Ich danke Ihnen, lieber Schneffke, und werde Ihren Wink auf der Stelle befolgen. Meine Herrschaften, Sie entschuldigen. Ich muß dem Baron de Bas-Montagne unbedingt sogleich gratulieren. In spätestens einer halben Stunde bin ich wieder zurück.“

Er hatte während der letzten Worte den abgelegten Säbel umgeschnallt und eilte zur Tür hinaus. –

Wir wenden uns noch einmal der Untersuchung zu, die gegen Rallion, sowie gegen den Vater Main und Genossen schwebte.

Bei einem dieser Verhöre wurde Graf Rallion vorgeführt.

Die Nachricht von dem Tod seines Sohnes hatte ihn tief getroffen; der Anblick des Kapitäns wirkte fast betäubend auf ihn; er vermochte nicht, die Geständnisse desselben zu entkräften. Er gestand, und man legte ihn in ein sehr sorgsames Gewahrsam bis zu der Entscheidung, welche Behörde für ihn zuständig sei.

Ebenso wurde mit Vater Main verfahren. Er hatte nur in Frankreich gesündigt; er mußte nach dem Friedensschluß dem französischen Strafrichter übergeben werden.

Der Krämer kehrte bereits nach wenigen Tagen von seiner Reise zurück. Seine Frau hat nie erfahren, welcher Ort das Ziel derselben gewesen ist. –

Nach den ruhmreichen Tagen von Sedan traten die deutschen Heere den Marsch nach Paris an. Der junge Graf Lemarch oder eigentlich von Goldberg erhielt die Erlaubnis, sich dem Heer als Krankenpfleger anzuschließen. So blieb er in der Nähe seiner Madelon.

Noch am Tag nach der Schlacht von Sedan hatte Richard von Königsau zwei Depeschen abgehen lassen. Die eine war an den Grafen von Goldberg gerichtet; infolge derselben setzte er sich mit seiner Gemahlin sofort in die Eisenbahn und gelangte bereits am dritten Tag nach Schloß Malineau, wo er sich dem General von Latreau vorstellte. Die zweite Depesche gelangte auf dem Umweg über die Schweiz an den Grafen Lemarch, welcher sich sofort nach demselben Ziel aufmachte.

Doch Schloß Malineau sollte noch mehrere Gäste sehen.

Die günstige Marschrichtung des deutschen Heeres brachte für die Beteiligten die Möglichkeit mit sich, einen kurzen Urlaub zu erhalten, und so kam es, daß eines schönen Tages mehrere Wagen und Reiter vor dem Portal hielten, denen als der erste – Herr Tier- und Kunstmaler Hieronymus Aurelius Schneffke, die Gäste bewillkommnend, entgegentrat.

„Sie hier, Herr Feldwebel?“ fragte Major Richard erstaunt.

„Zu Befehl, ja!“ antwortete er. Und auf seine angeschwollene und verbundene Stirn deutend, fuhr er fort: „Der Pudding, der mir den Schädel gestreift hat, ist von verflucht festem Teig gewesen. Um zwei Haare breit weiter nach hinten, so wäre eins verloren gewesen, entweder mein Kopf oder die Kanonenkugel. Ich dachte, daß mir nur die Haut abgeschürft worden sei; aber die Herren Doktors behaupten steif und fest, daß ich auch noch tiefer, nämlich am Verstand gelitten habe, und so ist mir die Erlaubnis geworden, mir meine fünf Sinne von der dicken Marie Melac wieder in Ordnung bringen zu lassen. Ich glaube, das kann nur durch eine fidele Trauungszeremonie geschehen.“