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„Sie haben nichts erfahren und die beiden Schwestern auch nichts. Doch es ist trotzdem möglich, daß andere etwas erfahren. Glauben Sie, daß Nanon Sie wiederliebt?“

„Vielleicht.“

„Pah, vielleicht. Sie liebt Sie; das ist sicher! Ich habe es bemerkt, als ich auf der Birke hing. Aber glauben Sie, daß sie Ihnen ihre Hand reichen würde, wenn sie auf einmal Gewißheit bekäme, daß ihr Vater ein Adeliger sei?“

„Der Liebe ist alles möglich.“

„Aber diesem Vater würde das vielleicht nicht passen.“

„Das steht abzuwarten.“

„Darum will ich Ihnen die Hand bieten, sich diesen Vater so zu verpflichten, daß er Ihnen die Tochter geben muß.“

„Sie sprechen geradeso, als ob Sie sich entschlossen hätten, meine Vorsehung zu sein.“

„Das ist auch wirklich der Fall. Sie sollen heute dem Maler Hieronymus Aurelius Schneffke nicht umsonst aus der Patsche geholfen haben. Können Sie jetzt mit mir noch einmal in den Gasthof kommen?“

„Es würde mich niemand hindern, und doch möchte ich es unterlassen.“

„Warum?“

„Man soll nicht bemerken, daß wir miteinander zu tun haben. Der Wirt ist nämlich ein Verbündeter des Kapitäns.“

„Ach so! Das ist schade! Ich hätte Ihnen gern bereits heute ein Mittel in die Hand gespielt, Nanons Abstammung zu entschleiern.“

„Sollte es wirklich ein solches Mittel geben?“

„Ich vermute es und glaube nicht, mich dabei zu irren.“

„Dann stehe ich Ihnen zu Gebote, aber nicht im Gasthof. Ich werde Sie vielmehr bitten, mit nach meiner Wohnung zu kommen.“

„In die Apotheke?“

„Ja.“

„Wird das nicht auffallen?“

„Gar nicht. Es wird uns gar niemand bemerken.“

„Gut, so gehe ich mit. Diese Apotheke ist übrigens ein Haus, für welches ich eine lebhafte Sympathie hege.“

„Warum?“

„Weil da drei Personen wohnen, denen ich das lebhafteste Interesse widme.“

„Darf man diese Personen kennenlernen?“

„Gewiß! Die erste sind natürlich Sie.“

„Großen Dank!“

„Die zweite Person ist die Engländerin.“

„Ach so! Hm! Ja! Und die dritte?“

„Der Gehilfe.“

„Dieser? Wieso?“

„Ich habe ihm einmal einiges abgekauft, was ich noch nicht in Gebrauch genommen habe und ihm infolgedessen so recht gemütlich unter die Nase reiben möchte. Das wird schon einmal passen! Aber hier ist die Stadt. Also mit zu Ihnen?“

„Ja. Ich befinde mich in einer Spannung, welche gar nicht größer sein kann. Lassen Sie uns eilen.“

Fritz befand sich natürlich im Besitz eines Hausschlüssels. Nach kurzer Zeit hatte er mit dem Maler sein Zimmer erreicht und dort Licht gemacht. Dann erwartete er mit Ungeduld die Mitteilung seines Gastes.

„Haben Sie Papier und Bleistift hier?“ fragte dieser.

„Ja. Wollen Sie schreiben?“

„Nein, sondern zeichnen.“

„Was denn?“

„Das werden Sie bald sehen. Geben Sie her!“

Er erhielt das Verlangte, setzte sich an den Tisch und sagte:

„Brennen Sie sich eine Zigarre an und lassen Sie sich die Zeit nicht lang werden. Ich muß meine Zeichnung aus der Erinnerung machen, und da heißt es, die Gedanken zusammenzunehmen.“

Fritz folgte diesem Rat. Er rauchte, und Schneffke zeichnete; Minute um Minute verging; es wurden Viertelstunden daraus, Fritz befand sich wie auf Kohlen; aber er sagte kein Wort, um nicht zu stören. Endlich, als bereits über eine Stunde vergangen war, legte Schneffke den Stift weg, hielt das Papier in gehörige Entfernung, um es genau zu betrachten, und sagte dann:

„Ich denke, daß es gelungen ist.“

„Was haben Sie gezeichnet? Darf ich es sehen?“

„Ja. Hier ist es.“

Fritz sah einen Frauenkopf von wunderbarer Lieblichkeit. Er hielt denselben sich in kürzerer und größerer Entfernung vor die Augen und sagte dann: „Ein allerliebster Scherz!“

„Scherz? Wieso?“

„Das ist ja Nanon!“

„Nanon? Ah! Wirklich?“

„Ja. Sie haben die Nanon in spe gezeichnet, so wie sie sein wird, wenn sie einige Jahre älter und Weib geworden sein wird.“

„So, so!“ lächelte Schneffke. „Sind Sie Ihrer Sache gewiß? Ich habe ganz im Gegenteil gedacht, Madelons Bild zu zeichnen.“

„Madelons? Hätte ich mich geirrt? Ja, richtig! Es ist nicht Nanon, sondern Madelon.“

„Sehen Sie das nun genau?“

„Ganz genau. Es ist keine Täuschung möglich.“

„Aber mein Lieber, wenn es nun wirklich meine Absicht gewesen wäre, Nanon zu zeichnen! Sehen Sie sich das Bild genau an!“

Fritz musterte nochmals das Porträt und sagte dann:

„Ich werde nicht klug daraus! Das ist sowohl Nanon, als auch Madelon, nur älter und ausgebildeter.“

„Sie werden nicht klug? Und doch habe ich Sie für klug gehalten. Ich werde Ihnen auf die Sprünge helfen. Wenn dieses Porträt dasjenige von Madelon und Nanon ist und doch auch wieder nicht ist, wessen Porträt muß es dann sein?“

„Das einer Schwester vielleicht.“

„Haben die beiden Genannten eine Schwester?“

„Nein.“

„So haben Sie also falsch geraten. Weiter!“

Fritz dachte einen kurzen Augenblick nach; dann zuckte es wie eine Erkenntnis über sein männlich hübsches Gesicht.

„Meinen Sie etwa die Mutter?“ fragte er.

„Warum nicht.“

„Ah! Also die Mutter soll es sein! Haben Sie denn die Dame gekannt? Sie ist längst tot.“

„Ich habe sie nie gesehen.“

„Aber wie kommen Sie dazu, ihr Porträt zu zeichnen?“

„Ich habe einmal ein Bild gesehen, ganz so wie dieses. Und darunter standen die Worte, welche ich jetzt auch unter diesen allerliebsten Kopf schreiben werde. Hier!“

Das Letztere war nicht nach der Wahrheit gesagt; aber es paßte so in seinen Plan. Fritz warf einen Blick auf die Worte und las:

„Mon doux et aimé becque fleur – mein süßer, lieber Kolibri! Herrgott! Mann, wie kommen Sie zu diesen Worten?“

„Ganz so, wie ich gesagt habe. Ich habe sie gelesen.“

„Und Nanon hat mir gesagt, sie wisse von ihrer Mutter, daß diese von dem Vater stets mit dem Kosenamen Kolibri bedacht worden sei. Wie kommen Sie dazu, aus diesem Namen zu schließen, daß – – –“

„Nun, daß – – –“

„Daß dieser Kopf das Porträt von Nanons Mutter sei.“

„Hm! Dieses Geheimnis müssen Sie mir schon lassen. Sie werden später das Weitere erfahren.“

„Schön! Aber Sie spannen mich auf die Folter!“

„Ich hoffe, daß es keine unangenehme Folter sein wird.“

„Darf ich Nanon das Bild zeigen?“

„Ja.“

„Auch Madelon?“

„Auch ihr, doch stelle ich meine Bedingungen.“

„Bedingungen? Ich hoffe, Sie werden nichts Unmögliches verlangen.“

„Nein. Was ich verlange, das ist zu Ihrem eigenen Glück. Sie dürfen das Bild den beiden Mädchen zeigen; aber Sie sagen nicht, von wem es ist.“

„Warum nicht?“

„Ich habe meine Absicht dabei.“

„Dann kann ich ja nichts erreichen!“

„O doch! Sie sollen das Bild nämlich noch einer dritten Person zeigen, aber auch ohne zu sagen, von wem Sie es haben.“

„Wer ist diese Person?“

„Es ist – ah, wissen Sie, wer hier im Haus verkehrt?“

„Ich kenne sie alle.“

„Ich habe sie im Garten bei der Engländerin gesehen.“

„Meinen Sie etwa Master Deep-hill?“

„Deep-hill, ja, so heißt er.“

„Und ihm soll ich das Bild zeigen?“

„Ja.“

„Wozu?“

„Sie werden von ihm Auskunft erhalten.“

„Was aber antworte ich, wenn man mich nach dem Zeichner fragt?“

„Da Porträt ist nicht ein Porträt, sondern ein Studienkopf, entworfen von einem Freund, an den Sie schreiben werden, um Aufklärung zu erhalten.“