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Kurz vor dem letzten, entscheidenden Stoß, als die Franzosen einen wahrhaft verzweifelten Widerstand leisteten, mähte eine ihrer Batterien mit ihrem wohlgezielten Eisenhagel die Glieder der Deutschen förmlich nieder. Es war ihr mit Artillerie nicht beizukommen; sie wurde von zwei Bataillonen Infanterie gedeckt und hatte im Rücken ein Bataillon Zuaven. Die deutschen Infanteriekörper waren an dieser Stelle engagiert, und so erhielt das Gardeulanenregiment den Auftrag, die Batterie zum Schweigen zu bringen.

Königsau ließ zur Attacke blasen. Er sah, daß er buchstäblich einen Todesritt vor sich habe. Er gab mit dem gezogenen Degen das Zeichen, und das Regiment setzte sich in Bewegung.

Erst Schritt, dann Trab, nachher Galopp und endlich Karriere donnerte es gegen den Feind. Eine fürchterliche Salve riß tiefe und weite Lücken, welche sich aber augenblicklich wieder schlossen. Wie ein Hagelsturm krachten die Ulanen in die zwei Bataillone, welche sich schnell zur Verteidigung formiert hatten. Ein fürchterliches Gewirr, kaum einige Minuten andauernd, und die Bataillone waren zusammengeritten.

Dann ging es, allerdings sehr gelichtet, auf die Batterie los. Im Nu war sie genommen. Aber da avancierte das hinter ihr stehende Zuavenbataillon.

„Drauf und durch!“ rief Königsau.

Die Seinen flogen hinter ihm her. Der Feind ließ sie nahe herankommen, und dann gab es Feuer. Königsau erhielt eine Kugel in den linken Arm; er bemerkte es gar nicht. Er flog mit einem gewaltigen Satz seines Pferdes in die Reihen der Franzosen, ohne sich umzublicken, ob die Seinen ihm auch folgten.

Aber sie waren da, die Tapferen, hart hinter ihm aber Fritz, der treue, todesmutige Freund.

Die Schwerter und Lanzen wüteten. Die Reihen der Zuaven waren aufgelöst, aber diese verteidigten sich, sie flohen nicht.

Der Kampf löste sich zu Einzelgefechten auf.

Vor allen machte sich ein Kapitän durch fast wunderbare Tapferkeit bemerkbar. Wer ihm zu nahe kam, mußte sterben. Sein Gesicht war von Pulver geschwärzt, seine Züge konnte man kaum erkennen.

„Verdammter Kerl!“ rief Fritz. „Dich kaufe ich mir!“

Er spornte sein Pferd auf ihn zu, erreichte ihn und holte zum tödlichen Hieb aus; aber der Kapitän war auf der Hut und parierte. Sein Hieb traf Fritz in die Seite, doch glücklicherweise nicht gefährlich.

Königsau war dem Freund gefolgt. Er sah ihn in Gefahr; er sah aber auch, daß er diesem Franzosen gewachsen sei. Jetzt befand er sich ganz nahe bei ihm, so daß er das Gesicht des Franzosen erkennen konnte. Eben holte Fritz aus; der Kapitän hatte sich eine Blöße gegeben, welche der Ulan augenblicklich benutzte. Der Hieb mußte tödlich sein.

„Um Gottes willen!“ schrie Königsau. „Fritz, es ist ja dein Bruder!“

Er schlug ihm den Degen auf die Seite, aber doch nicht so weit, daß er sein Ziel nicht zu erreichen vermocht hätte; er fuhr dem Franzosen in die Achsel.

Dieser ließ sich dadurch keineswegs stören und holte nun seinerseits zum Stoß aus. Er mußte treffen, denn Fritz hatte den Säbel sinken lassen und starrte dem Gegner in das Gesicht.

„Halt!“ schrie Königsau. „Graf Lemarch, töten Sie Ihren Bruder nicht!“

Jetzt gelang es ihm, den Stoß mit seinem Degen zu parieren.

„Meinen Bruder?“ stammelte Lemarch.

„Ja“, bestätigte Königsau.

„Herr Haller!“ rief Fritz. „Tausend Donner! Haben Sie einen Löwenzahn?“

„Ja.“

„Herr, mein Gott! Bruder, du bist ein Deutscher! Unser Vater ist ein preußischer General. Komm an mein Herz!“

Er stürzte sich, gar nicht auf das Kampfgewühl achtend, vom Pferd und zog ihn an seine Brust.

Königsau hatte sich sofort wieder abgewendet. Die Zuaven hatten doch nicht zu widerstehen vermocht und liefen in hellen Haufen davon. Die Ulanen verfolgten sie, konnten dabei aber in das Feuer einer rückwärts stehenden feindlichen Batterie kommen. Darum ließ Königsau zum Sammeln blasen.

Das Regiment hatte seine Aufgabe glänzend gelöst. Es hatte drei Bataillone niedergeritten und eine Batterie genommen; aber es hatte auch fast den vierten Teil seiner Mannschaft verloren.

Während sich seine Glieder wieder vereinten, hielt Fritz den Kapitän bei der Hand gefaßt.

„Bruder, du mußt mit mir“, sagte er.

„Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“

„Meine Pflicht.“

„Pah, Pflicht! Du bist ein Deutscher.“

„Noch nicht. Noch bin ich französischer Offizier.“

„Und du denkst wirklich, daß ich dich fortlasse?“

„Du mußt! Noch habe ich meinen Säbel.“

„Unsinn. Siehe dich um. Dort laufen deine Zuaven. Du bist mein Gefangener. Wenn du dich nicht ergibst, haue ich dich ohne Gnade und Barmherzigkeit nieder. Du bist ja von uns vollständig umschlossen.“

Der Kapitän blickte sich um und sah, daß Fritz recht hatte. Dieser aber fügte noch hinzu:

„Übrigens bist du verwundet – von deinem eigenen Bruder.“

„Du auch.“

„So lassen wir uns verbinden.“

„Wo?“

„Da unten im Tal. Ich lasse mich von Nanon verbinden und du – na rate.“

„Von wem?“

„Von einer gewissen Madelon.“

„Mille Diables! Ist sie hier?“

„Jawohl, als Krankenpflegerin.“

„Bruder, hättest du doch ein bißchen tiefer gehauen.“

„Und du noch ein bißchen tiefer gestochen. Dann legten wir uns nebeneinander, und die beiden Schwestern müßten uns pflegen nach Noten. Na, ergibst du dich?“

„Ja; hier ist mein Degen.“

„Unsinn! Du gibst mir dein Ehrenwort, daß du nie wieder gegen Deutsche fechten willst.“

„Ich gebe es.“

„So behalte den Säbel. Dort läuft ein lediger Gaul. Ich will ihn holen, damit du aufsteigen kannst.“

Das Regiment kehrte zurück, Königsau, Fritz und der gefangene Kapitän an der Spitze. Der General kam ihnen entgegengesprengt und reichte dem ersteren die Hand.

„Bravo, Herr Oberstwachtmeister! Das war Hilfe in der Not, und welche Hilfe! Man wird es nicht vergessen.“

Er ließ ein Regiment Infanterie vorgehen, um das eroberte Terrain zu besetzen und gab den Ulanen den Befehl, sich aus dem Feuer zurückzuziehen.

Sie konnten dies. Die Schlacht war gewonnen, und der Widerstand des Feindes vollständig gebrochen.

Die Sonne neigte sich zum Untergange und beleuchtete die Höhenzüge, um deren Besitz so blutig gerungen worden war. Die Aufmerksamkeit der Sieger hatte sich jetzt ausschließlich auf die Festung gerichtet. Man zögerte dort, die weiße Fahne aufzupflanzen. Der König hatte einen Generaladjutanten mit der Aufforderung zur Übergabe abgesandt.

Man vernahm ein dumpfes Getöse und den Knall einzelner Schüsse. Der König war, um die Lager besser beurteilen zu können, bis zu der auf der Höhe von Saint Pierre aufgefahrenen großen Batterie geritten. Dorthin sendeten die Sieger alle heute dem Feind entrissenen Feld- und Siegeszeichen.

Endlich, gegen sechs Uhr sprengten einige Reiter der Höhe zu, auf welcher der König mit dem Stab hielt. Es war der nach der Festung gesendete Generaladjutant, in dessen Begleitung sich General Reilly befand, der erste persönliche Adjutant des Kaisers Napoleon.

Dieser General händigte dem König ein Schreiben aus. Der Kaiser bat in demselben um die Erlaubnis, seinem Besieger, dem Oberfeldherrn der verbündeten Armeen, König Wilhelm, seinen Degen zu Füßen legen zu dürfen.

Man hatte keine Ahnung gehabt, daß Napoleon in Sedan anwesend sei. Der König teilte diese Kunde dem Kreis seiner Heerführer mit; sie pflanzte sich in weiteren und immer weiteren Kreisen fort. Ein Taumel des Entzückens schien die um die Festung postierten Hunderttausende zu ergreifen. Die Trommeln wirbelten, und die Trompeten schmetterten. Da aber erscholl es von Höhe zu Höhe: