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Die Köhlerhütte war zwar nicht mehr vorhanden, doch diente die Lichtung, auf welcher sie gestanden hatte, zur Orientierung. Von da aus erreichten sie die Schlucht, welche der alte Hugo sofort, trotz der Dunkelheit, erkannte und trotz der veränderten Baumphysiognomie, welche sie zeigte.

„Da drinnen hat der Schatz gelegen“, sagte er. „Da drin wurde Reillac erschlagen. Jetzt drehe ich mich nach Süden. Kommt, folgt mir, aber leise, heimlich! Die drei Halunken sind sicher da.“

Der Abend war heute hell; die Sterne glänzten am Himmel. Hier gab es kein Unterholz. Man konnte ohne große Schwierigkeit die Richtung einhalten.

Es ging talabwärts und dann wieder empor. Auf der Bodenwelle oben angekommen, blieb der Alte stehen. Trotz seiner Betagtheit war sein Gehör so scharf, daß er einen hier des Nachts ungewöhnlichen Laut vernommen hatte.

„Horcht!“ flüsterte er. „Da unten ist der Ort. Habt ihr es gehört? Das klang wie eine Hacke.“

„Ja. Ich sehe sogar Licht“, bestätigte Richard.

„So wollen wir hinab. Aber um Gottes willen, äußerst vorsichtig. Wir müssen sie plötzlich fassen, daß sie ganz starr sind vor Schreck.“

Sie stiegen leise in die neue Bodenvertiefung hinab, einer hinter dem anderen. Je tiefer sie kamen, desto heller und größer wurde der Schein des Lichts. Endlich waren sie so nahe, daß sie alles genau bemerken konnten.

Die drei hatten bereits ein ziemlich bedeutendes Loch aufgeworfen. Sie waren so vorsichtig gewesen, den Rasen behutsam abzustechen, um dann mit ihm die Stelle so belegen zu können, daß nichts zu bemerken war.

Eine Laterne stand dabei. Zwei hackten, und der alte Kapitän schaufelte.

„Das ist Richemonte, mein Herr Schwager“, flüsterte Hugo Königsau, „und unser Wirt aus Daigny. Wer aber ist der dritte?“

„Ich kenne ihn“, antwortete Richard wieder ebenso leise. „Er ist einer der gefährlichsten Verbrecher der Hauptstadt und muß aus Metz entsprungen sein. Umgehen wir sie. Sobald ich mit der Zunge schnalze, werfen wir uns von allen Seiten auf sie. Am besten wird es sein, wir stoßen sie ins Loch hinab. Das vermindert ihre Beweglichkeit. Stricke zum Binden haben wir mit.“

Sie teilten sich, um die nichtsahnenden Schatzgräber zwischen sich zu bekommen. Diese letzteren arbeiteten mit lautloser Anstrengung. Trotz des unzureichenden Lichts, welches die Laterne verbreitete, sah man ihre Augen vor Gier leuchten.

Da erscholl ein dumpfer Schlag.

„Halt! Was war das?“ fragte der Kapitän.

„Das war meine Hacke“, antwortete Vater Main. „Sie ist auf einen hohlen Gegenstand getroffen.“

„Weiter, weiter! Es ist die richtige Stelle; sie ist es, bei allen Teufeln, ja!“

In zwei Minuten war ein Stück des Deckels bloßgelegt.

„Ha!“ jubelte der Alte. „Da steckt das Geld, da, da! Ihr Hunde aus dem verfluchten Geschlecht der Königsau, kommt herbei, wenn Ihr uns den Fund streitig machen wollt!“

„Hier sind wir schon!“ ertönte es hinter ihm.

Zehn Hände griffen zu. Im nächsten Augenblicke stürzten die drei Schatzgräber in die von ihnen gegrabene Grube.

„Tod und Teufel!“ schrie Vater Main. „Wer ist das? Ha, das soll euch nicht gelingen!“

Er schnellte sich empor, aus der Grub heraus, wie ein Panther aus seiner Höhle springt. Richard faßte ihn; Fritz und Gebhard von Königsau griffen zu. Er schlug mit den Fäusten um sich wie ein Rasender.

„Vater Main, deine Stunde ist gekommen. Uns sollst du nicht entwischen, wie du aus Metz entwichen bist!“ sagte Richard, indem er ihn zu packen suchte.

Der Mörder erkannte die Gefahr, in welcher er schwebte. Das verdoppelte, verdreifachte seine an und für sich bereits ungewöhnlichen Kräfte.

„Ihr kennt mich!“ rief er. „Nun, so wißt Ihr auch, daß ich nicht mit Euch spaßen werde.“

Er ließ sich nicht anfassen. Er schlug mit den Fäusten und stieß mit den Füßen. Es gelang ihm, erst den einen, dann den anderen von sich abzuhalten. Dabei entfernte er sich von der Grube. Geriet er in das Dunkel, war es schwierig, ihn zu halten.

„Nur drauf!“ gebot Richard. „Fassen, fassen müssen wir ihn. Dann ist er unser.“

„Versucht es, ihr Jungen!“

Auch der Krämer hatte sich herausschnellen wollen; aber Lemarch hatte sich auf ihn geworfen. Er hielt ihn fest, aber mehr konnte er nicht. Um ihn zu fesseln, dazu waren zwei nötig, und drei hatten ja bereits mit dem wütenden Vater Main zu tun.

Der alte Kapitän war im ersten Augenblick ruhig liegengeblieben. Er war von jeher mehr schlau als kühn gewesen; das zeigte sich auch hier. Erst als er bemerkte, daß Vater Main mehrere beschäftigte, machte er den Versuch, sich zu erheben. Er sah die hohe Gestalt seines alten Erzfeindes vor sich stehen, der die Arme über der Brust verschränkt hielt und sich um die anderen gar nicht kümmerte.

„Königsau!“ entfuhr es ihm.

„Richemonte! Heute rechnen wir ab!“ tönte es ihm kalt, stolz und drohend entgegen.

Der Kapitän überflog mit einem schnellen Blick die Szene. Er sah sich dem Feind allein gegenüber; das stählte seinen Mut.

„Ja, heute rechnen wir ab!“ erwiderte er. „Heute gibt es das letzte Fazit, und das ist dein Tod!“

Im Nu raffte er die Hacke auf und drang damit auf den alten Hugo ein. Dieser stieß ein höhnisches Lachen aus, bückte sich, sprang zur Seite und schlug dem Gegner die Faust unter das Kinn, daß diesem ein heiserer Schmerzensschrei entfuhr und ihm die Hacke aus der Hand flog. Sie kam an eine Wurzel zu liegen, so daß die Spitze nach oben gerichtet wurde.

„Hund, das war dein letzter Hieb!“ brüllte Richemonte.

Er tat einen mächtigen Satz auf den Gegner zu. Dieser wich abermals geschickt zur Seite, faßte ihn mit beiden Händen, hob ihn empor wie einen Knaben und schleuderte ihn zur Erde.

Ein fürchterlicher, entsetzlicher Schrei erscholl aus Richemontes Mund. Er blieb liegen, ohne sich zu regen.

„Da hast du es!“ sagte der Sieger. „Jetzt her mit dir!“

Er zog zwei Stricke hervor, band dem Besinnungslosen die Füße zusammen und wendete sich nun den anderen zu.

Jetzt endlich war Vater Main überwältigt worden. Er schäumte wie ein wildes Tier. Die drei waren eben dabei, ihn zu binden.

„Hierher, zu mir!“ bat Lemarch.

Der alte, tapfere Hugo eilte hinzu und half, den Krämer zu fesseln. Er wurde neben Vater Main geworfen. Als man auch Richemonte diese Stelle anweisen wollte, zeigte es sich erst, daß Großpapa Königsau ihn so auf die Hacke geschleudert hatte, daß ihm die Spitze derselben in den Rücken gedrungen war.

„Ist es tödlich?“ fragte Fritz.

„Vielleicht“, antwortete Richard. „Wollen ihn, so gut es geht, verbinden.“

Selbst während man dies tat, blieb der alte Schurke besinnungslos.

„Was nun?“ fragte Lemarch. „Die Kasse ist da.“

„Aber fortschaffen können wir sie nicht. Das muß berechtigteren Leuten vorbehalten bleiben. Füllen wir die Grube wieder zu, und zwar so, daß man keine Spur der Arbeit, welche hier getan worden ist, entdecken kann.“

Dies geschah, und nun setzte sich der Zug in Bewegung.

Unten im Tal angekommen, weckten Richard und Fritz den Hausknecht des Gasthofs, um sich ihre Pferde ausliefern zu lassen. Die Gefangenen wurden festgeschnallt, was bei Richemonte allerdings höchst schwierig war. Dann trat die Kavalkade ihren Rückweg an.

Der Kapitän war aufgewacht. Ein immerwährendes Ächzen und Stöhnen ließ erraten, welche Qualen er auszustehen hatte; darauf konnte aber keine Rücksicht genommen werden. Möglichst im Galopp ging es durch Bouillon und dann der französischen Grenze entgegen, über welche sie mit Hilfe eines Seitenweges, der zufälligerweise nicht von einem Posten besetzt war, glücklich gelangten.

Die Gefangenen wurden in Sedan ausgeliefert.

Die Frau des Krämers erhielt durch unbekannte Hand einen Brief ihres Mannes, in welchem er sie benachrichtigte, daß er auf kurze Zeit verreist sei, aber bald zurückkehren würde: sie solle dem Geschäft indessen vorstehen. Die Mutter des Lehrlings empfing ebenso von unbekannter Hand ein Geldgeschenk, durch welches sie in den Stand gesetzt wurde, ihre Lage aufzubessern.