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„Das begreife, wer es vermag. Hoffentlich erfahre ich etwas über diese Dienste. Euch hat er sie geleistet, sagst du. Du meinst aber doch wohl nur Richard?“

„Nein, auch mich.“

„Hm.“

„Und auch dich und den Onkel General.“

„Was? Diese Dienste beziehen sich auch auf uns?“

„Sogar sehr. Die ganze Familie ist ihm zum allergrößten Dank verpflichtet.“

„Wieso?“

„Das führt mich auf meine vorige Bemerkung zurück“, sagte Richard. „Ich muß mich noch heute melden, und es ist möglich, daß ich schon morgen Berlin wieder verlassen werde. Darum ist es mir erwünscht, alles, was wir zu besprechen haben, schnell zu erledigen.“

„Gehören denn dazu auch des Wachtmeisters Dienste?“

„Jawohl, Großvater. Wir haben nämlich nicht nur in Beziehung auf die mir gestellte Aufgabe, sondern auch in privater Angelegenheit große Erfolge gehabt.“

„Bezüglich unserer Familie?“

„Ja. Zunächst meine ich damit Onkel Goldberg.“

„Mich?“ fragte der General. „Ich habe doch mit eurem Aufenthalt in Frankreich gar nichts zu schaffen.“

„Aber dieser Aufenthalt hat sehr viel mit dir zu schaffen. Denn es handelt sich um – ah, es ist gut, daß die Tante nicht da ist. Sie würde uns mit einigen Ohnmachten zu schaffen machen.“

„Ohnmachten? Richard, du hast etwas Schlimmes für uns?“

„Nein.“

„Aber du sprichst von Ohnmachten!“

„Man kann auch vor Freude in Ohnmacht fallen.“

„Mensch, spanne mich nicht auf die Folter.“

„Nun, du bist Soldat. Du wirst wohl nicht die Besinnung verlieren oder die Krämpfe bekommen. Es handelt sich nämlich um die – – – Löwenzähne.“

Er sprach das Wort langsam und mit schwerer Betonung aus. Der General fuhr empor, starrte ihn an, griff sich mit beiden Händen an den Kopf und fragte:

„Verstehe ich dich recht? Die Löwenzähne?“

„Ja.“

„Herr, mein Gott! Sprich, sprich schnell!“

„Nun, Fritz hat eine Spur gefunden, daß diese Zähne noch existieren.“

„Wo, wo?“

„Der eine in Deutschland, der andere in Paris.“

„Ist's wahr? Ist's wahr?“

„Ja. Deshalb sagte ich, daß auch ihr ihm Dank schuldet, lieber Onkel.“

„Natürlich, o ganz natürlich. Aber wie und wo ist diese Spur gefunden worden?“

Der General befand sich in einer sehr erklärlichen Aufregung. Er sprudelte seine Worte so schnell hervor, daß man sie kaum verstehen konnte. Darum sagte Richard:

„Bitte, lieber Onkel, setze dich nieder und trinke einen Schluck Wasser, ich fürchte doch, daß wir dich mehr aufregen, als dir gut ist.“

Der General zog das Taschentuch hervor, um sich die Stirn zu wischen, setzte sich nieder und griff mechanisch nach dem Wasserglas. Richard fuhr fort:

„Übrigens brauchst du noch nicht in Ekstase zu geraten. Die Angelegenheit ist noch keineswegs klar; sie muß geprüft werden. Also Ruhe, Ruhe.“

Der General trank und sagte dann:

„Gut, ich will ruhig sein. Ich bin gleich zu sanguinisch gewesen. Es war ja nur von einer Spur die Rede. Also, wo habt ihr sie gefunden?“

„In Ortry und sodann auf Schloß Malineau. Die beiden Zähne existieren. Da wir aber sichergehen wollten, so begnügten wir uns nicht nur mit dem Gerücht, welches wir hörten, sondern wir versuchten, uns in den Besitz der Zähne zu setzen, um sie prüfen zu können.“

„Recht so. Recht so. Ist's vielleicht gelungen?“

„Zur Hälfte.“

„Was heißt das?“

„Wir haben nicht alle beide, sondern nur einen erlangt.“

„Gott sei ewig Lob und Dank!“ jubelte der General. „Wo ist der Zahn? Habt ihr ihn mit?“

„Ja, natürlich!“

„Wo?“

„Fritz hat ihn.“

„Sie? Sie?“ fragte der General.

„Ja“, antwortete Richard. „Ich mußte ihn in seinen Händen lassen, weil er ein Recht dazu hat.“

„Dann bitte, schnell, schnell, Herr Wachtmeister.“

Das Gesicht Fritzens war todbleich und seine Hand zitterte sichtbar, als er in die Tasche griff und den Löwenzahl hervorzog, um ihn dem General zu geben.

Dieser griff mit Begierde zu.

„Er ist's, er ist's“, rief er laut, als er den ersten Blick darauf war. „O mein Gott, mein Gott!“

Er wollte den Zahn öffnen, allein seine Hände zitterten noch mehr als diejenigen des Wachtmeisters. Es dauerte eine Zeit, bis der Inhalt zum Vorschein kam.

Der alte Großvater hatte während der letzten zehn Minuten kein Wort gesprochen, aber seine Augen waren mit größter Spannung auf die Hände des Generals gerichtet. Jetzt fragte er:

„Ist's wirklich einer der Zähne?“

„Ja, ja“, jauchzte der General. „Es ist der rechte, der aus der rechten Kinnlade; ich habe ihn meinem Erstgeborenen umgehängt. Richard, Richard, schnell, schnell, heraus damit! Bei wem ist dieser Zahn hier gefunden worden?“

„Beruhige dich zuvor, lieber Onkel.“

„Ich bin ja ruhig.“

„O nein! Du fieberst ja förmlich.“

„Nun, so laßt mich vorher ein wenig frische Luft schöpfen!“

Er trat an das Fenster und öffnete es. Wohl erst nach fünf Minuten fühlte er sich gesammelt genug. Er kehrte zum Tische zurück und sagte:

„So! Jetzt wird es gehen. Also, wo ist der Zahn gefunden worden?“

„Bei einem blut-, blutarmen Teufel. Wir müssen also sehr vorsichtig sein.“

„Seit wann ist er im Besitz dieses Kleinods gewesen?“

„Seit frühester Kindheit.“

„Wie alt ist er?“

„Gerade so alt, wie die beiden Knaben jetzt sein würden.“

„Mein Heiland! Ihr kennt doch seinen Namen?“

„Das versteht sich ganz von selbst.“

„Wo befindet er sich?“

„Hier in Berlin.“

„Seit wann?“

„Oh, seit langer, langer Zeit. Ich habe ihn sehr gut gekannt.“

„Dann ich vielleicht auch?“

„Ja, ebensogut wie ich.“

„Was ist er?“

„Soldat.“

„Den Namen, den Namen.“

„Bitte, liebster Onkel“, sagte Richard abwehrend, „jetzt noch nicht. Sprechen wir zunächst von dem anderen Zahn.“

„Der in Paris ist?“

„Ja.“

„Wer hat ihn?“

„Zunächst sage ich dir, daß der Besitzer vor kurzem auch hier in Berlin gewesen ist.“

„Was? Auch hier?“

„Ja. Es geht wirklich ganz und gar wunderlich mit diesen Zähnen zu. Der Pariser hat sich sogar auf unserer Straße befunden.“

„Was du sagst!“

„Ja, sogar in unserem Haus.“

„Bei mir?“ fragte der Großvater.

„Ja, bei dir.“

„Hier ist nur eine einzige Person gewesen, welche aus Paris war.“

„Wen meinst du?“

„Den Maler Haller.“

„Den meine ich auch.“

„Was? Dieser befindet sich im Besitz des anderen Zahns?“

„Ja.“

„Welch eine Fügung! Du schriebst uns, daß er gar nicht Maler sei?“

„Ja; er ist Offizier.“

„Sein Vater ist Graf?“

„Sein Pflegevater.“

„Was? Sein Pflegevater?“ rief der General.

„Ja. Graf Lemarch ist nicht der rechte Vater des angeblichen Malers Haller.“

„Kennt man den richtigen Vater?“

„Der bist jedenfalls du, lieber Onkel.“

„Ich weiß wirklich nicht, wo mir der Kopf steht. Ich habe sehr gute Nerven, aber es greift mich denn doch an.“

„Das sehe ich, und darum ist es am besten, wir sprechen nicht weiter über diese Angelegenheit.“

„Wo denkst du hin! Ich muß unbedingt alles erfahren, was ihr wißt, alles!“

„Wenn die Aufregung dir nicht schadet, ja!“

„Sie schadet mir nichts. Wie alt ist dieser Graf Lemarch?“