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»Das muss schwer für Sie sein«, sagte ich nachsichtig.

»Was?«

»Nun, Sie treffen sicher nicht oft jemanden wie mich.«

Sensenbrink lachte gleichmütig.

»Aber sicher. Das ist ja schließlich unser Job.«

Seine Gelassenheit war so überraschend, dass ich nachhaken musste: »Da gibt es noch mehr wie mich?«

»Also, Sie wissen ja wohl selbst am besten, dass es jede Menge Leute in Ihrer Branche gibt…«, sagte Sensenbrink.

»Und Sie bringen die alle in den Rundfunk?«

»Da hätten wir ja viel zu tun! Nein, wir nehmen nur die unter Vertrag, an die wir auch glauben.«

»Das ist sehr gut«, bestärkte ich ihn, »man muss für die Sache mit einem geradezu fanatischen Glauben kämpfen. Haben Sie dann auch Antonescu? Oder den Duce?«

»Wen?«

»Sie wissen schon: Mussolini.«

»Nein!«, sagte Sensenbrink so entschieden, dass ich das Kopfschütteln durch den Hörer hindurch sehen konnte. »Was sollten wir denn mit einem Antonini? Den kennt doch keiner.«

»Oder Churchill? Eisenhower? Chamberlain?«

»Ach, jetzt versteh ich, worauf Sie hinauswollen!«, rief Sensenbrink ins Telefon. »Nein, wo wäre denn da der Witz? Völlig unverkäuflich, nein, nein, Sie machen das schon genau richtig. Wir bleiben bei einer Figur, wir bleiben bei unserem Hitler!«

»Sehr gut«, lobte ich und bohrte gleich nach: »Und wenn jetzt morgen Stalin kommt?«

»Vergessen Sie Stalin«, gelobte er mir Treue, »wir sind doch nicht der History Channel.«

Das war der Sensenbrink, den ich hören wollte! Der fanatische Sensenbrink, vom Führer erweckt. Und ich kann gerade an dieser Stelle nicht genug unterstreichen, wie wichtig dieser fanatische Wille ist.

Gerade der nicht immer problemlose Verlauf des letzten Weltkrieges hat dies ja auf das Deutlichste erwiesen. Manche Menschen sagen an dieser Stelle natürlich: Ja, hat das denn ausgerechnet am fanatischen Willen gelegen, wenn nach dem ersten auch der nächste Weltkrieg ungünstig endete? War denn nicht vielleicht auch eine andere Ursache schuld, vielleicht war der Nachschub an Menschenmaterial nicht ausreichend? Das ist alles denkbar, vielleicht sogar richtig, es ist dies aber zugleich auch das Symptom einer alten deutschen Krankheit, nämlich der, den Fehler stets in kleinlichen Details zu suchen, die großen und klaren Zusammenhänge jedoch schlicht zu ignorieren.

So ist selbstverständlich eine gewisse zahlenmäßige Unterlegenheit der Truppe im letzten Weltkriege nicht abzustreiten. Allerdings war diese Unterlegenheit keinesfalls ausschlaggebend, im Gegenteil wäre das deutsche Volk noch mit einer weitaus größeren gegnerischen Überlegenheit fertiggeworden. Ja, ich habe das Fehlen größerer Gegnerzahlen Anfang der vierziger Jahre noch mehrfach bedauert, mich dessen sogar ein wenig geschämt. Ich meine, Friedrich der Große, was hatte der Mann für eine Unterlegenheit! Da kamen auf jeden preußischen Grenadier zwölf Gegner! Und in Russland hatte jeder Landser gerade mal drei oder vier.

Gut, nach Stalingrad war die gegnerische Überlegenheit dann durchaus der Ehre der Wehrmacht deutlich angemessener. Am Tage der alliierten Landung in der Normandie etwa rückte der Gegner mit 2600 Bombern und 650 Jagdflugzeugen an, die Luftwaffe hielt mit – wenn ich recht zähle – zwei Jagdmaschinen dagegen, da kann das Kräfteverhältnis dann durchaus als ehrenhaft betrachtet werden. Und die Lage war dennoch nicht aussichtslos! Ich pflichte in solchen Situationen den Worten des Reichsministers Dr. Goebbels aus vollem Herzen bei, wenn er von einem Volk wie dem deutschen forderte, diesen Nachteil, so er sich denn nicht beheben lässt, eben anderweitig auszugleichen, sei es durch bessere Waffen, durch klügere Generäle oder eben, wie in diesem Falle, durch den Vorteil einer überlegenen Moral. Es mag dem einfachen Jägerpiloten selbstverständlich zunächst schwierig erscheinen, mit jedem Schuss aus dem MG drei Bomber vom Himmel zu holen, aber mit einer überlegenen Moral, mit einem unbeugsamen fanatischen Geist ist nichts unmöglich!

Das gilt heute so wie damals. Ich bin erst gerade dieser Tage auf ein Beispiel gestoßen, das selbst ich nicht für möglich gehalten hätte. Es ist dieses aber vollständig wahr. Es handelt sich dabei um einen Mann, ich vermute einen Angestellten meines Hotels, den ich mehrfach bei einer interessanten neuen Tätigkeit beobachten konnte. Wobei nicht sicher ist, ob die Tätigkeit neu ist, ich habe sie nur anders in Erinnerung, nämlich mit einem Besen beziehungsweise einem Laubrechen. Dieser Mann hingegen war mit einem vollkommen neuartigen, tragbaren Laubblasegerät unterwegs. Ein faszinierender Apparat von immenser Blasekraft, er war wohl nötig geworden, weil die Evolution in der Zwischenzeit eine widerstandsfähigere Form von Laub hervorgebracht hatte.

An diesem Beispiel kann man im Übrigen ausgezeichnet verfolgen, dass der Rassenkampf längst nicht beendet ist, dass er auch und sogar verstärkt in der Natur weiterwogt, das leugnet nicht einmal die bürgerlich-liberale Presse dieser Gegenwart. Man liest ja immer wieder von amerikanischen schwarzen Eichhörnchen, die die hiesigen, dem Deutschen lieb gewordenen hellbraunen Eichhörnchen verdrängen, von afrikanischen Ameisenstämmen, die über Spanien einwandern, von indogermanischen Springkräutern, die sich hier breitmachen. Dieser letzte Vorgang ist freilich vorbildlich, arische Pflanzen beanspruchen hier selbstverständlich völlig zu Recht den ihnen zustehenden Siedlungsraum. Dieses neuartige, kampfkräftigere Laub nun habe ich zwar noch nicht zu Gesicht bekommen, die Blätter auf dem Parkplatze des Hotels schienen mir vollkommen normal, aber das Blasegerät ließ sich natürlich genauso gut gegen herkömmliches Laub einsetzen. Mit einem Königstiger bekämpft man ja auch nicht nur den T-34, sondern im Bedarfsfalle ebenso einen der veralteten BT-7.

Als ich den Mann das erste Mal beobachtete, war ich äußerst ungehalten. Ich war am Morgen wach geworden, es mag wohl so gegen neun Uhr gewesen sein, von einem infernalischen Lärm, als läge man mit dem Kopfkissen neben einer Stalinorgel. Ich stand wutentbrannt auf, eilte ans Fenster, sah hinaus und erblickte jenen Mann, der dort mit dem Blasegerät hantierte. Daraufhin wurde ich sofort noch wütender, weil mir ein Blick auf die umstehenden Bäume verriet, dass es sich um einen ausgesprochen windigen Tag handelte. Es war, so viel ließ sich eindeutig erkennen, völlig unsinnig, an jenem Tage Laub gezielt von irgendwo nach irgendwo anders hinblasen zu wollen. Ich gedachte zunächst, hinauszustürzen und ihn entrüstet zur Rede zu stellen, doch dann besann ich mich eines Besseren. Denn ich befand mich im Unrecht.

Der Mann hatte einen Befehl bekommen. Der Befehl lautete: Laub blasen. Und er führte diesen Befehl aus. Mit einer fanatischen Treue, die Zeitzler gut zu Gesicht gestanden hätte. Ein Mann befolgte einen Befehl, so einfach war das. Und klagte er dabei? Heulte er auf, das sei doch sinnlos bei diesem Wind? Nein, er erfüllte tapfer und stoisch lärmend seine Pflicht. Wie die treuen Männer der SS. Da haben Tausende ohne Rücksicht auf die eigene Belastung ihre Aufgabe erfüllt, obwohl man da auch hätte jammern können: »Was sollen wir denn mit den vielen Juden? Das hat doch alles keinen Sinn mehr, die werden ja schneller angeliefert, als wir sie in die Gaskammern treiben können!«

Ich war so ergriffen, ich kleidete mich rasch an, ich ging hinaus, ich trat zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Mein lieber Mann, ich will mich bei Ihnen bedanken. Für Menschen wie Sie führe ich meinen Kampf fort. Denn ich weiß: Aus diesem Laubblasegerät, ja aus jedem Laubblasegerät in diesem Lande strömt der glühende Atem des Nationalsozialismus.«

Genau das ist der fanatische Wille, den dieses Land braucht. Und ein wenig davon hoffte ich auch in Sensenbrink geweckt zu haben.

xi.

Als ich morgens in das mir zur Verfügung gestellte Büro kam, wurde mir erneut bewusst, wie weit der Weg war, den ich noch zu gehen hatte. Ich betrat einen Raum, vielleicht fünf mal sieben Meter, Deckenhöhe zwei Meter fünfzig, wenn es hoch kommt. Bedauernd dachte ich an meine Reichskanzlei. Das waren Räume gewesen, wenn man da hineintrat, da fühlte man sofort eine gewisse Zwergenhaftigkeit, man erschauerte vor der Macht, der Hochkultur. Nicht vor der Pracht wohlgemerkt, das hat mir noch nie etwas gegeben, dieses Protzentum, aber in der Reichskanzlei, wenn man da jemanden empfing, dann sah man ihm sofort an, dass er die Überlegenheit des Deutschen Reiches empfand, auch rein körperlich. Das hat Speer wunderbar hinbekommen: Allein im Großen Empfangssaal, diese Kronleuchter, ich glaube, da hat einer allein eine Tonne gewogen, wenn der heruntergekommen wäre, der Mann darunter wäre Mus gewesen, ein Brei, ein breiiges Mus aus Knochen und Blut und aus zermalmtem Fleisch, und vielleicht hätten noch Haare an der Seite hervorgesehen, da hatte ich fast selber Angst, mich drunterzustellen. Ich habe das natürlich nicht gezeigt, ich bin unter diesen Kronleuchtern hindurch, als wäre es nichts, das ist ja auch eine Gewöhnungssache, so etwas.