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»Ich muss diese Gerätschaften nicht kennen«, habe ich gesagt, »die Sekretärin hier sind doch Sie!«

»Deshalb setzen Se sich jetze da hin, meen Führa«, sagte daraufhin Fräulein Krömeier, ich erinnere mich noch, als sei es gestern gewesen, »weil sonst heeßt et nachher nur ›Helfen Se ma hia‹ und ›Helfen Se ma da!‹, und zu meener eijentlichen Arbeit komm ick denn jar nüscht mehr.«

Diesen Ton schätze ich an und für sich nicht, aber die beinahe ruppige Art erinnerte mich sehr daran, wie mir damals der Adolf Müller das Autofahren beigebracht hat. Das war kurz nachdem einem Chauffeur von mir unter der Fahrt mal ein Rad abgefallen ist, da ist der Müller mit mir, ich muss schon sagen, scharf ins Gericht gegangen, auch wenn es ihm dabei wohl weniger um die nationale Sache gegangen ist, als dass er Angst gehabt hat, wenn ich mir den Hals breche, dass er dann den Druckauftrag für den »Völkischen Beobachter« verliert, der Müller war ja kein Fahrlehrer, der war ja vor allem immer auch Geschäftsmann. Obwohl, vielleicht tue ich ihm unrecht, wie ich jetzt erfahren habe, hat er sich offenbar kurz nach Kriegsende erschossen, und mit einem Suizid verdient man ja letzten Endes nichts. Jedenfalls hat er mich daraufhin mitgenommen in seinem Wagen, damit ich mal sehe, wie man richtig zu fahren hat, oder in meinem Fall, worauf man bei einem Chauffeur achten muss. Das war eine ungemein wertvolle Stunde, so viel wie von diesem Müller habe ich von manchem Professor in Jahren nicht gelernt. Wie ich überhaupt hier einmal betonen möchte, dass ich mir sehr wohl von anderen Leuten auch etwas sagen lasse, jedenfalls wenn es sich dabei nicht gerade um diese althergebrachten Kretins aus dem Generalstab handelt. Autofahren, das können sicher manche Leute besser als ich, aber ob man nun eine Frontlinie begradigt oder wie lange man in einem Kessel Widerstand leistet, das entscheide immer noch ich und nicht irgendein Herr Paulus, der gerade kalte Füße kriegt.

Wenn ich nur daran denke!

Na ja. Nächstes Mal.

Jedenfalls erklärte ich mich aufgrund verschiedener Reminiszenzen bereit, den Ausführungen des Fräulein Krömeier zu folgen, und ich muss sagen: Es hat sich gelohnt. Mich hatte vor allem diese Schreibmaschine abgeschreckt. Ich wollte nie Buchhalter werden oder ein Bürohengst, und auch meine bisherigen Bücher habe ich stets nur diktiert. Das hätte noch gefehlt, dass ich da vor mich hintippe wie irgendein schwachsinniger Schmierfink in einer Lokalpostille, aber dann kam eben dieses Wunderwerk deutschen Erfindergeistes, dann kam dieser Mausapparat.

Etwas Genialeres ist selten erfunden worden.

Man fährt damit auf dem Tische umher, und genau so, wie man damit auf dem Tische umherfährt, fährt eine kleine Hand auf dem Bildschirme umher. Und wenn man eine Stelle auf der Bildröhre berühren möchte, dann presst man auf jene Mausvorrichtung, und schon berührt die kleine Hand die Stelle auf der Röhre. Es ist dies so kinderleicht, ich war regelrecht fasziniert. Dennoch wäre es freilich nur eine heitere Spielerei gewesen, wenn es lediglich zur Vereinfachung irgendwelcher Bürotätigkeiten gedient hätte. Doch es zeigte sich, dass jener Apparat eine erstaunliche Mischform war.

Man konnte damit schreiben, man konnte aber auch über ein Leitungsnetz mit allen Personen und Institutionen in Verbindung treten, die sich dazu ebenfalls bereit erklärt hatten. Obendrein mussten – anders als beim Telefonapparat – viele Teilnehmer gar nicht mehr selbst vor ihrem Computer sitzen, sondern einfach nur Dinge hinterlegen, sodass man in ihrer Abwesenheit darauf zugreifen konnte, alle möglichen Krämer taten dies. Was mich jedoch besonders erfreute, war, dass Zeitungen, Zeitschriften, ja alle möglichen Formen von Wissen abrufbar waren. Es war wie eine riesige Bibliothek mit unbegrenzten Öffnungszeiten. Wie hatte ich das vermisst! Wie oft hatte ich nach einem harten Tag voller schwieriger militärischer Entscheidungen morgens um zwei Uhr noch ein wenig lesen wollen. Und gewiss, der gute Bormann tat sein Möglichstes, aber wie viele Bücher kann ein einzelner einfacher Reichsleiter besorgen? Zudem war in der Wolfsschanze auch nicht unbegrenzt Platz. Diese wunderbare »Internetz« genannte Technologie hingegen bot schier alles zu jeder Tages- und Nachtzeit. Man musste es nur in einem Apparat namens »Google« suchen und das Ergebnis mit jenem herrlichen Mausgerät berühren. Und nach kurzer Zeit stellte ich fest, dass ich ohnehin immer bei derselben Adresse landete: einem urgermanischen Nachschlagewerk namens Wikipedia, unschwer als eine Wortschöpfung zu erkennen aus Enzyklopädie und dem altgermanischen Forscherblut der Wikinger.

Das war ein Projekt, angesichts dessen mir fast die Tränen kamen.

Hier dachte tatsächlich einmal niemand an sich. In wahrhaftiger Selbstaufgabe und Selbsthingabe trugen dort zahllose Menschen zum Wohle der deutschen Nation allerlei Wissen zusammen, ohne einen Pfennig dafür zu verlangen. Es war dies eine Art Winterhilfswerk des Wissens, die zeigte, dass auch in Abwesenheit einer nationalsozialistischen Partei das deutsche Volk instinktiv sich selbst unterstützte. Man musste natürlich gewisse Abstriche machen, was das Expertentum solcher uneigennütziger Volksgenossen anging.

So nahm ich, um nur ein Beispiel zu nennen, mit Erheiterung zur Kenntnis, dass mein Vizekanzler von Papen 1932 behauptet hatte, man würde mich nach meinem Machtantritt innerhalb von zwei Monaten an die Wand gedrückt haben, dass ich quietschte. Man konnte in diesem Internetz aber auch lesen, dass von Papen dasselbe nicht in zwei, sondern in drei Monaten zu bewerkstelligen gedachte oder auch in sechs Wochen. Des Öfteren gedachte er mich zudem nicht an die Wand zu drücken, sondern in die Ecke. Oder auch in die Enge. Möglicherweise sollte ich auch nicht gedrückt werden, sondern gequetscht, und das Ziel war denkbarer Weise auch kein Quietschen, sondern ein Quieken. Letzten Endes musste der unbedarfte Leser sich die Wahrheit wohl dahingehend zusammenreimen, dass von Papen innerhalb eines Zeitraums zwischen sechs und zwölf Wochen auf mich in irgendeiner Art und Weise zu drücken gedachte, bis ich einen beliebigen hohen Ton von mir gäbe. Was letztlich den tatsächlichen damaligen Absichten dieses selbst ernannten Strategen immer noch erstaunlich nahe kam.

»Ham Se schon ’ne Adresse?«, fragte Fräulein Krömeier.

»Ich wohne im Hotel«, sagte ich.

»Für E-Mail. Für elektronische Post.«

»Die schicken Sie auch ans Hotel!«

»Also nicht«, sagte sie und tippte etwas in ihren Computer. »Unta welchem Namen soll ick Se eintragen?«

Ich sah sie mit gerunzelter Stirn streng an.

»Unta welchem Namen, meen Führa?«

»Unter meinem«, sagte ich, »selbstverständlich!«

»Det wird vermutlich schwer«, sagte sie und tippte etwas ein.

»Was soll daran schwer sein?«, fragte ich. »Unter welchem Namen kriegen denn Sie Ihre Post?«

»Unta Vulcania17 et web Dee Ee«, sagte sie. »Da ham wa’t schon: Ihr Name is vaboten.«

»Wie bitte?«

»Ick kann et noch bei einijen anderen Anbietern probieren, aber det wird nüscht viel ändern. Und wenna nüscht verboten is, dann hatt ’n sich schon einer von den Irren jesichert.«

»Was heißt hier gesichert«, fragte ich genervt, »es heißen natürlich mehr Leute Adolf Hitler. Es heißen ja auch mehr Leute Hans Müller. Da sagt die Post auch nicht, dass nur einer Hans Müller heißen darf. Einen Namen kann man sich doch nicht reservieren!«

Sie sah mich erst leicht irritiert an, dann ein wenig so, wie ich früher öfter mal den greisen Reichspräsidenten Hindenburg angesehen hatte.

»Es gibt jede Adresse nur einmal«, sagte sie fest, aber so langsam, als müsse man fürchten, ich könnte ihren Ausführungen sonst nicht folgen. Dann tippte sie weiter.

»Da ham wa et schon: Adolf Punkt Hitler is wech«, sagte sie. »Adolfhitler im Janzen ooch und Adolf Unterstrich Hitler sowieso.«

»Wieso Unterstrich? Was für ein Unterstrich?«, versuchte ich noch herauszufinden, »wenn überhaupt, dann einen Herrenstrich!« – aber Fräulein Krömeier tippte schon weiter.