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»Was ich meine ist: Wir wollen kein Comedy-Buch. Ich nehme an, das ist auch in Ihrem Sinne. Der Führer macht keine Witze, nicht wahr?«

Es war erstaunlich, wie simpel alles mit dieser Dame war. Sie wusste einfach, wovon sie redete. Und mit wem.

»Werden Sie drüber nachdenken?«, fragte sie.

»Lassen Sie mir etwas Zeit«, sagte ich, »ich werde mich melden.«

Ich wartete exakt fünf Minuten. Dann rief ich sie zurück. Ich forderte eine beträchtlich höhere Summe. Im Nachhinein muss ich annehmen, dass sie damit gerechnet hatte.

»Na denn: Sieg Heil«, sagte sie.

»Darf ich das als Zusage verstehen?«, hakte ich nach.

»Sie dürfen«, lachte sie.

Ich antwortete: »Sie auch!«

xxxvi.

Es ist erstaunlich. Das erste Mal seit Langem macht mir der Schnee nichts aus, obwohl er so früh gefallen ist. Dicke Flocken sinken vor dem Fenster, das hätte mich noch 1943 in den Wahnsinn getrieben. Jetzt, da ich weiß, dass alles einen tieferen Sinn hat, dass die Vorsehung von mir nicht erwartet, einen Weltkrieg gleich beim ersten oder zweiten Versuch zu gewinnen, dass sie mir Zeit einräumt und auf mich vertraut, jetzt kann ich diese sanfte, vorweihnachtliche Ruhe nach anstrengenden Jahren endlich wieder so recht genießen. Und ich genieße sie fast so wie damals, als ich noch ein Kind war und mich mit Homers Trojanischem Kriege ganz klein in einer gemütlichen Ecke der Wohnstube zusammenkauerte. Was noch etwas stört, sind die Schmerzen im Brustkorb, aber es ist andererseits auch wiederum sehr ermutigend zu verfolgen, wie sie nachlassen.

Der Verlag hat mir ein Diktiergerät zukommen lassen. Sawatzki wollte, dass ich meinen mobilen Telefonapparat dazu nutze, aber letztlich ist das Diktiergerät doch viel einfacher zu bedienen. Ein Knopfdruck – es nimmt auf, ein Knopfdruck – es hört auf. Und niemand ruft währenddessen darauf an. Ich bin ja generell ein großer Gegner dieser unablässigen Aufgabenvermengung. Das Radio muss auch noch diese Silberscheiben abspielen, der Rasierapparat muss nass und trocken funktionieren, der Tankwart wird zum Lebensmittelhändler, das Telefon muss Telefon sein und Kalender dazu und ein Fotoapparat auch noch und überhaupt alles in einem. Das ist gefährlicher Blödsinn, der nur dazu führt, dass unsere jungen Leute auf der Straße dauernd in ihre Telefonapparate hineinglotzen und zu Tausenden überfahren werden. Es wird dies eines meiner ersten Vorhaben sein, solche Telefonapparate zu verbieten beziehungsweise nur noch für die verbliebenen rassisch minderwertigen Elemente zuzulassen oder vielleicht sogar verpflichtend vorzuschreiben. Die sollen dann meinethalben tagelang auf den Berliner Hauptverkehrsstraßen herumliegen wie überrollte Igel, da hat es dann auch wieder seinen praktischen Nutzen. Aber ansonsten: Unfug! Natürlich wäre es für die Staatsfinanzen günstiger, wenn die Luftwaffe auch die Aufgaben der Müllabfuhr mit übernehmen könnte. Aber was ergäbe das denn dann für eine Luftwaffe?

Ein guter Gedanke. Ich diktiere ihn sogleich in den Apparat.

Draußen im Flure haben sie eine umfangreiche Weihnachtsdekoration angebracht. Sterne, Tannenzweige und dergleichen mehr. An den Adventssonntagen gibt es Glühwein, der inzwischen auch in einer sehr angenehmen alkoholfreien Variante entwickelt worden ist, wenngleich ich meine Zweifel habe, ob derlei jemals in der Truppe akzeptiert sein wird. Nun gut, Landser bleibt Landser. Insgesamt jedoch kann ich nicht behaupten, dass die Weihnachtsdekorationen geschmackvoller geworden wären. Hier hat doch eine recht unerfreuliche Industrialisierung Einzug gehalten. Es geht mir nicht um Kitsch oder Nichtkitsch, denn in jedem Kitsch steckt immer auch ein Rest des Empfindens des einfachen Mannes, und von daher ist dabei stets noch die Möglichkeit einer Entwicklung zu wahrer, großer Kunst gegeben. Nein, was mich doch reichlich stört, ist, dass der Weihnachtsmann unverhältnismäßig an Bedeutung gewonnen hat, zweifellos infolge angloamerikanischer Kulturinfiltration. Die Kerze hingegen hat deutlich an Bedeutung verloren.

Möglicherweise kommt es mir auch nur so vor, weil man hier im Krankenhause Kerzen nicht zulässt, aus feuerpolizeilichen Gründen. Und sosehr ich den sorgsamen Umgang mit Volkseigentum zu schätzen weiß, ich kann mich nicht erinnern, dass unter meiner Regierung trotz der freizügigen Verwendung von Kerzen nennenswerte Mengen von Gebäuden beschädigt worden wären. Aber ich gebe zu: Ab 1943 ist die Statistik da natürlich wegen der allgemein zunehmenden Ermangelung von Gebäuden auch von schwindender Aussagekraft. Dennoch hat so ein Weihnachten einen eigenen Reiz. Frei von der Last der langfristig unvermeidlichen Regierungsverantwortung, das soll man genießen, solange es noch geht.

Ich kann sagen, dass das Personal sich ausgesprochen um mich bemüht. Ich spreche viel mit ihnen, über ihre Arbeitsbedingungen, über das Sozialwesen, das – wie ich mehr und mehr erfahre – in einem Zustand ist, dass man sich wundern muss, dass überhaupt noch Menschen geheilt werden können. Häufig kommen auch Mediziner zu mir. Sie haben dann den Kittel abgelegt und erzählen mir neue Dreistigkeiten vom derzeitigen unfähigen Darsteller des Gesundheitsministers. Sie sagen, dass sie von seinem Vorgänger genauso üble Unsinnigkeiten schildern könnten, und von seinem Nachfolger würden sie es mit Sicherheit auch können. Ich solle es in meiner Sendung klar ansprechen, es müsse sich unbedingt etwas ändern, unbedingt! Ich verspreche ihnen, mich bald mit ganzer Kraft dafür einzusetzen. Manchmal sage ich ihnen, dass es schon viel helfen würde, wenn weniger Ausländer hier in den Stationen behandelt würden. Dann lachen sie und sagen, so könne man es natürlich auch sehen, sagen kurz darauf »aber Spaß beiseite« und erzählen mir die nächste Ungeheuerlichkeit. Daran scheint es wirklich nicht zu mangeln.

Es gibt da im Übrigen auch eine ganz reizende Schwester, eine feurige Person, aufgeweckt, fröhlich, Schwester Irmgard heißt sie, um genau zu sein – aber ich muss hier eindeutig meine Kräfte einteilen. Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, vielleicht…

Herr Sawatzki war gerade hier mit dem Fräulein Krömeier, dem ehemaligen Fräulein Krömeier natürlich, ich kann mich noch immer nicht so ganz daran gewöhnen: Frau Sawatzki. Vom bevorstehenden frohen Ereignis ist sie mittlerweile schon reichlich kugelrund. Sie sagt, es gehe noch, aber lange könne es nicht mehr dauern, bis ihr der Bauch ziemlich zur Last falle. Sie hat ein wenig Farbe bekommen – oder ein wenig Farbe weggelassen, das zu durchschauen fällt mir noch immer schwer. Ich muss aber sagen, dass beide fabelhaft zusammenpassen, und wenn sie sich ansehen, weiß ich, dass da in neunzehn, zwanzig Jahren einige stramme Grenadiere heranwachsen werden, einwandfreies Genmaterial für die Waffen-SS und später für die Partei. Sie haben mich gefragt, wo ich Weihnachten verbringe, und mich eingeladen, was mich außerordentlich freut, aber ich denke nicht, dass ich die beiden behelligen werde. Weihnachten ist ein Fest der Familie.

»Aber Sie gehören doch praktisch zur Familie!«, hat das Fräulein – hat Frau Sawatzki gesagt.

»Momentan«, habe ich gesagt, weil Schwester Irmgard gerade hereinkam, »momentan ist Schwester Irmgard meine Familie.«

Schwester Irmgard hat gelacht und gesagt: »So weit kommt’s noch. Ich sehe hier nur kurz nach dem Rechten.«

»Dem geht’s gut«, habe ich geschmunzelt, und sie hat so herzlich darüber gelacht, dass ich fast erwog, meine weitere politische Laufbahn ein wenig nach hinten zu verschieben.

»Frau Bellini und Herr Sensenbrink schicken beste Genesungsgrüße«, hat Sawatzki gesagt, »die Frau Bellini kommt morgen oder übermorgen vorbei, mit den Besprechungsergebnissen zum neuen Sendeplatz, zum neuen Studio…«

»Sie haben’s doch schon gesehen«, habe ich vermutet, »wie ist Ihr Eindruck?«

»Sie werden nicht enttäuscht sein. Da steckt richtig Geld dahinter! Und von mir haben Sie’s nicht: Der Etat ist noch längst nicht ausgeschöpft. Noch längst nicht!«