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Schon in Moskau hatte mir die Kaiserin Elisabeth Damen und Herren beigegeben, die meinen Hof bildeten. Bald nach meiner Ankunft in Petersburg gab sie mir russische Kammerfrauen, um, wie sie sagte, mir das Erlernen der russischen Sprache zu erleichtern. Dies war mir sehr angenehm, da es nur junge Mädchen waren, von denen die älteste ungefähr zwanzig Jahre zählte. Alle waren sehr lustig, so daß ich seitdem von meinem Erwachen bis zum Schlafengehen nichts anderes tat, als singen, tanzen und scherzen. Abends nach dem Souper ließ ich meine drei Damen, die beiden Fürstinnen Gagarin und Fräulein Kucheleff in mein Schlafzimmer kommen, wo wir Blindekuh und alle Art kindlicher Spiele spielten. Aber alle diese Mädchen hatten eine tödliche Furcht vor der Gräfin Rumianzoff. Da diese jedoch vom Morgen bis zum Abend im Vorzimmer oder in ihren Gemächern Karten spielte und nur notgedrungen von ihrem Sessel aufstand, kam sie höchst selten zu uns herein.

Inmitten unserer Vergnügungen fiel es mir einst ein, die Aufsicht über alle meine Sachen unter meine Kammerfrauen zu verteilen. Meine Kasse, meine Ausgaben und meine Wäsche überließ ich der Sorge des Fräulein Schenk, dem Kammermädchen, welches ich aus Deutschland mitgebracht hatte. Sie war eine alte Jungfer, einfältig und mürrisch, der unsere Heiterkeit aufs höchste mißfiel. Außerdem war sie auf alle ihre jungen Gefährtinnen, welche ihre Funktionen und meine Zuneigung teilen sollten, eifersüchtig. Meine Juwelen übergab ich der Aufsicht Fräulein Jukoffs, die, weil sie am meisten Geist besaß und heiterer und offener als die andern war, meine besondere Gunst zu gewinnen wußte. Meinem Kammerdiener Timotheus Nevreinoff vertraute ich meine Kleider an; meine Spitzen dem Fräulein Balkoff, welche bald darauf den Dichter Sumarokoff heiratete. Meine Bänder erhielt Fräulein Skorochodoff, die ältere, die später an Aristarchus Kachkin vermählt wurde. Nur deren jüngere Schwester Anna erhielt kein Amt, weil sie erst dreizehn oder vierzehn Jahre alt war.

Am Tage nach dieser schönen Einteilung, wo ich meine Zentralgewalt in meinem Zimmer ausgeübt hatte, ohne eine Seele um Rat zu fragen, war abends Theater. Um dorthin zu gehen, mußte man durch die Gemächer meiner Mutter. Man hatte nämlich in einer Reitbahn, die zur Zeit der Kaiserin Anna dem Herzog von Kurland gehörte, dessen Gemächer ich bewohnte, eine kleine Bühne errichtet, und die Kaiserin, der Großfürst, sowie der ganze Hof waren anwesend. Nach dem Theater, als die Kaiserin in ihre Gemächer zurückgekehrt war, kam die Gräfin Rumianzoff zu mir und sagte, daß die Kaiserin die von mir angeordnete Verteilung der Bedienung meiner Damen mißbillige und sie Befehl habe, die Schlüssel zu meinen Juwelen aus den Händen Fräulein Jukoffs an Fräulein Schenk zurückzugeben, was sie auch in meiner Gegenwart tat. Hierauf entfernte sie sich und ließ uns, Fräulein Jukoff und mich, mit langen Gesichtern, Fräulein Schenk hingegen triumphierend über das Vertrauen der Kaiserin zurück. Bald nahm sie mir gegenüber eine anmaßende Miene an, die sie noch einfältiger, noch unliebenswürdiger machte, als sie schon war.

Drittes Kapitel

Merkwürdiger Zwischenfall mit dem Großfürsten. — Schlechtes Befinden meiner Mutter. — Tod Karls XII. — Ich lerne reiten. — Wir beziehen den Sommerpalast. — Verletzte Eigenliebe. — Übersiedelung nach Peterhof. — Man fängt an, von meiner Hochzeit zu sprechen. — Kindische Spielereien des Großfürsten. — Ein nächtlicher Spaziergang mit meiner Umgebung im Schloßpark. — Wie man ihn auslegt. — Falsche Anschuldigungen meiner Mutter gegen mich. — Die Kaiserin bestimmt den Tag meiner Vermählung. — Meine Hochzeit und deren Feierlichkeiten. — Abreise meiner Mutter. — Verabschiedung Fräulein Jukoffs. — Man verheiratet und verbannt sie. — Im Winterpalast. — Rücktritt der Kammerherren Berkholz und Brummer. — Maskenbälle. — Der Großfürst vertraut mir aufs neue seine Liebesabenteuer an.

In der ersten Woche der großen Fasten hatte ich eine merkwürdige Szene mit dem Großfürsten. Eines Morgens, als ich mich mit meinen Damen, die alle sehr fromm waren, in meinem Zimmer befand, um die Frühmesse zu hören, die im Vorzimmer gesungen wurde, schickte mir der Großfürst seinen Zwerg, um mich zu fragen, wie ich mich befände, und mir anzukündigen, daß er wegen der großen Fasten an diesem Tage nicht zu mir kommen könne. Der Zwerg kam gerade in dem Augenblicke, als wir im Anhören der Gebete waren und genau die Fastenvorschriften nach unserm Ritus erfüllten. Ich sandte dem Großfürsten die gebräuchliche Begrüßung zurück, und der Zwerg entfernte sich. Als er in das Zimmer seines Herrn trat, begann er, sei es nun, weil er wirklich von dem, was er gesehen, erbaut war, oder weil er dadurch seinen Herrn, der nichts weniger als fromm war, zu gleichen Uebungen bringen wollte, oder auch aus Unbesonnenheit, die in meinen Gemächern herrschende Frömmigkeit laut zu preisen, und versetzte dadurch den Großfürsten in schlechte Laune gegen mich. Als wir uns wiedersahen, schmollte er mit mir, und auf meine Frage, was ihn dazu veranlasse, schalt er mich wegen der übermäßigen Frömmigkeit, der ich mich seiner Meinung nach hingäbe. Ich erwiderte ihm, daß ich damit nur eine Pflicht erfülle, der alle sich unterzögen, und von der man sich nicht ohne Skandal freimachen könne; aber er war anderer Meinung. Dieser Streit endete wie die meisten Streite enden, nämlich damit, daß jeder auf seiner Ansicht beharrte. Da indes Seine kaiserliche Hoheit während der Messe mit niemand außer mir sprechen konnte, hörte er allmählich auf, mit mir zu schmollen.

Zwei Tage nachher hatte ich eine andere Aufregung. Am Morgen, während man die Frühmesse bei mir sang, trat Fräulein Schenk plötzlich ganz bestürzt in mein Zimmer und benachrichtigte mich, daß meine Mutter sich sehr schlecht befinde und in Ohnmacht gefallen sei. Sofort eilte ich zu ihr, die ich auf einer Matratze an der Erde liegend, aber nicht bewußtlos fand. Als ich mir die Freiheit nahm, sie zu fragen, was ihr fehle, erwiderte sie, sie habe einen Aderlaß vornehmen lassen wollen, aber der Wundarzt sei so ungeschickt gewesen, viermal vergeblich an beiden Händen und Füßen anzusetzen, und so sei sie ohnmächtig geworden. Ich wußte übrigens, daß sie den Aderlaß fürchtete, kannte indes ihren Zweck dabei ebenso wenig als ich wußte, daß sie überhaupt eines Aderlasses bedurfte. Dennoch warf sie mir vor, an ihrem Zustand wenig teilzunehmen und machte darauf ihrem Aerger durch viele unangenehme und bittere Aeußerungen Luft. Ich entschuldigte mich so gut ich konnte und gestand meine Unwissenheit ein. Da ich aber bemerkte, daß sie sehr verstimmt war, schwieg ich, versuchte meine Tränen zurückzuhalten und entfernte mich erst, als sie es mir mit bitteren Worten befahl. Weinend kehrte ich in mein Zimmer zurück, wo mich meine Kammerfrauen nach der Ursache meiner Tränen fragten. Ich sagte es ihnen ganz einfach. Meine Mutter besuchte ich mehrmals des Tages, blieb aber nur so lange dort, als ich glaubte, ihr nicht lästig zu fallen, denn das war ein Hauptpunkt bei ihr, an den ich mich vollkommen gewöhnt hatte. Und in meinem ganzen Leben habe ich nichts mehr vermieden, als jemand zur Last zu fallen, so daß ich mich immer sofort zurückzog, wenn in meinem Geiste der Argwohn entstand, ich könne unbequem werden und Langeweile erregen. Aber ich weiß auch aus Erfahrung, daß nicht alle demselben Grundsatz huldigen, denn meine eigene Geduld ist oft hart von Personen auf die Probe gestellt worden, die sich nicht zu entfernen wußten, bevor sie lästig fielen oder langweilig wurden.