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Weinend kehrte ich in meine Gemächer zurück. Zur Essenszeit ging ich indes mit meiner Mutter, die immer noch sehr aufgebracht war, zum Großfürsten hinauf. Er fragte mich, was mir fehle, da meine Augen vom Weinen noch ganz rot wären. Ich erzählte ihm einfach, was geschehen, und diesmal ergriff er meine Partei und klagte meine Mutter der Laune und Heftigkeit an. Ich bat ihn jedoch, nicht mit ihr davon zu reden, und er folgte meinem Rat, so daß ihr Zorn allmählich vorüberging, aber sie behandelte mich fortwährend mit großer Kälte. Ende Juli kehrten wir von Peterhof in die Stadt zurück, wo alles sich auf die Hochzeitsfeier vorbereitete.

Endlich wurde der 21. August von der Kaiserin Elisabeth für diese Zeremonie festgesetzt. Je näher der Tag kam, desto tiefer wurde mein Trübsinn. Mein Herz sagte mir kein großes Glück voraus: nur der Ehrgeiz hielt mich aufrecht. Im Grunde meines Herzens fühlte ich ein geheimes Etwas, welches mich nie einen Augenblick zweifeln ließ, daß ich früher oder später souveräne Kaiserin von Rußland in eigener Machtvollkommenheit werden würde.

Die Hochzeit ging mit viel Glanz und Pomp vor sich. Abends fand ich in meinem Zimmer Madame Kruse, die Schwester der ersten Kammerfrau der Kaiserin, welche diese mir als erste Kammerfrau beigegeben hatte. Schon am nächsten Tage aber merkte ich, daß diese Frau alle meine Mädchen in Furcht hielt, denn als ich mich einer von ihnen näherte, um mit ihr zu reden, sagte sie ängstlich zu mir:»Um Gottes willen, kommen Sie mir nicht zu nahe, man hat uns verboten, halblaut mit Ihnen zu sprechen. «Anderseits bekümmerte sich mein lieber Gemahl durchaus nicht um mich, sondern war fortwährend mit dem Einexerzieren seiner Diener beschäftigt, die er in seinem Zimmer einübte, wobei er zwanzigmal in einem Tage die Uniform wechselte. Da ich mit niemand sprechen konnte, gähnte ich, langweilte mich, oder war bei öffentlichen Festlichkeiten zugegen. Am dritten Tag nach meiner Hochzeit, der ein Ruhetag sein sollte, ließ mir die Gräfin Rumianzoff sagen, daß die Kaiserin sie ihrer Stellung bei mir enthoben habe, und sie deshalb in ihr Haus zu ihrem Gemahl und ihren Kindern zurückkehre. Ich bedauerte diese Nachricht nicht allzusehr, denn unser Verhältnis war stets ein gespanntes gewesen.

Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten zehn Tage. Dann bezogen wir, der Großfürst und ich, den Sommerpalast, wo die Kaiserin wohnte. Schon begann man von der Abreise meiner Mutter zu sprechen, die ich seit meiner Verheiratung seltener sah. Sie war übrigens seit dieser Zeit weit freundlicher gegen mich. Gegen Ende September reiste sie ab. Der Großfürst und ich begleiteten sie bis Krasnoie-Selo. Ihre Abreise betrübte mich aufrichtig, und ich weinte viel. Nachdem sie fort war, kehrten wir in die Stadt zurück. Bei meiner Ankunft im Schloß fragte ich nach Fräulein Jukoff, und man sagte mir, sie sei zu ihrer Mutter gegangen, welche krank geworden wäre. Am nächsten Tag dieselbe Frage meinerseits, die gleiche Antwort von meinen Frauen. Gegen Mittag zog die Kaiserin mit großem Pomp aus dem Sommerpalast in den Winterpalast, und wir folgten ihr in ihre Gemächer. In ihrem Paradeschlafzimmer angelangt, blieb sie stehen und begann nach einigen gleichgültigen Bemerkungen von der Abreise meiner Mutter zu sprechen, indem sie mich freundlich aufforderte, meinen Schmerz darüber zu bezwingen. Aber ich glaubte aus den Wolken zu fallen, als sie mir in Gegenwart von etwa dreißig Personen sagte, daß sie auf Bitten meiner Mutter Fräulein Jukoff entlassen habe, weil meine Mutter fürchtete, ich möchte eine zu große Zuneigung zu einem Mädchen fassen, welches dieselbe so wenig verdiene. Hierauf begann sie mit auffallender Lebhaftigkeit von der armen Jukoff zu sprechen.

Natürlich war ich durchaus nicht von dieser Szene erbaut, noch von den Gründen Ihrer Majestät, sondern tief betrübt über das Unglück des Fräulein Jukoff, die einzig und allein deshalb vom Hofe entfernt wurde, weil sie mir durch ihr geselliges Wesen besser zusagte, als meine andern Frauen. Und warum, fragte ich mich, hat man sie mir denn erst gegeben, wenn sie ihrer Stellung nicht würdig war? Meine Mutter konnte sie nicht kennen, konnte nicht einmal mit ihr sprechen, da sie nicht russisch verstand und die Jukoff keine andere Sprache kannte; folglich mußte sie sich nur an das alberne Gerede der Schenk halten, die kaum gesunden Menschenverstand halte. Dies Mädchen leidet für mich, dachte ich, deshalb darf ich es nicht in ihrem Unglück verlassen, dessen Ursache nur meine Zuneigung zu ihm war. Ich bin indes niemals imstande gewesen, zu entdecken, ob meine Mutter die Kaiserin wirklich gebeten hatte, jene Dame von mir zu entfernen. Wenn sie es dennoch getan, so muß meine Mutter den Weg der Milde dem der Heftigkeit vorgezogen haben, denn niemals hat sie über diesen Gegenstand ein Wort mit mir gesprochen. Uebrigens hätte ein Wort von ihr genügt, mich wenigstens auf eine im Grunde sehr unschuldige Zuneigung aufmerksam zu machen. Anderseits hätte auch die Kaiserin in einer etwas weniger schroffen Weise eingreifen können. Das Mädchen war jung; es hätte nur an ihr gelegen, eine passende Partie für sie zu finden, was sehr leicht gewesen wäre; aber statt dessen geschah, was ich erzählt habe.

Nachdem die Kaiserin uns verabschiedet hatte, gingen wir, der Großfürst und ich, in unsere Gemächer. Auf dem Wege dahin merkte ich, daß Elisabeth ihren Herrn Neffen von dem Vorgefallenen in Kenntnis gesetzt hatte. Ich gab ihm aber trotzdem meine Einwürfe dagegen zu verstehen und ließ ihn fühlen, daß das Mädchen unglücklich sei, einzig und allein, weil man argwöhnte, ich empfinde für sie eine besondere Vorliebe. Auch sagte ich ihm, daß ich, da sie aus Liebe zu mir litt, es für meine Pflicht hielt, sie nicht zu verlassen, so weit dies von mir abhinge. Ich schickte ihr deshalb sofort durch meinen Kammerdiener etwas Geld, doch er kam mit der Nachricht zurück, daß sie schon mit ihrer Mutter und Schwester nach Moskau abgereist sei. Darauf befahl ich, ihr das Geld durch ihren Bruder, einem Gardesergeanten, zukommen zu lassen, aber auch er hatte Befehl erhalten, sich mit seiner Frau zu entfernen, und war in einem Landregimente als Offizier angestellt worden. Noch heute ist es mir unmöglich, einen annehmbaren Grund für das alles zu entdecken, und mir scheint es fast, daß man ohne Veranlassung, allein aus Kaprice, ohne einen Schimmer von Vernunft, ja selbst ohne allen Vorwand Unrecht tat. Doch blieb es dabei nicht! Durch meinen Kammerdiener und andere Leute suchte ich eine passende Partie für Fräulein Jukoff zu finden. Man schlug mir einen Gardeunterleutnant aus adeliger Familie mit ziemlich viel Vermögen vor. Er reiste nach Moskau, um sich mit ihr, wenn sie ihm gefiele, zu vermählen, heiratete sie auch und wurde Leutnant in einem Landregimente. Sobald die Kaiserin aber davon hörte, verbannte sie beide nach Astrachan. Für eine solch hartnäckige Verfolgung Gründe zu finden, ist schwer.