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Im Winterpalast bewohnten wir die Gemächer, welche wir schon früher innegehabt hatten. Die des Großfürsten waren von den meinigen durch eine mächtige Treppe getrennt, die auch zu den Zimmern der Kaiserin führte. Um zu ihm oder zu mir zu gelangen, mußte man den Vorplatz dieser Treppe überschreiten, was zumal im Winter nicht eben bequem war. Dennoch machten wir diesen Weg jeden Tag ein paarmal. Abends ging ich zum Spiel mit dem Kammerherrn Berkholz in sein Vorzimmer, während der Großfürst im andern Zimmer mit seinen Kavalieren herumtollte. Mein Billardspiel wurde jedoch bald durch den Rücktritt der Herren Brummer und Berkholz, welche die Kaiserin Ende des Winters 1746 aus dem Dienste des Großfürsten entließ, unterbrochen. Der Winter ging dahin mit Maskenbällen in den vornehmsten Häusern der Stadt, die damals alle sehr klein waren, woran aber der Hof und alle Honoratioren regelmäßig teilnahmen.

Den letzten dieser Bälle gab der Oberpolizeimeister Tatistscheff in einem der Kaiserin gehörenden Hause, das den Namen Smolloy Dworetz führte. Der mittlere Teil dieses ganz aus Holz gebauten Hauses war durch eine Feuersbrunst zerstört worden und nur die aus je zwei Etagen bestehenden Flügel waren stehen geblieben. In dem einen tanzte und in dem andern soupierte man. Um aber zum Souper zu gehen, mußte man den beschneiten Hof durchschreiten, noch dazu im kältesten Monat, im Januar. Nach der Tafel galt es, denselben Weg wieder zurückzulegen. Als wir von diesem Balle nach Hause kamen, legte sich der Großfürst sofort zu Bett, aber am folgenden Morgen erwachte er mit den heftigsten Kopfschmerzen, die ihn verhinderten, aufzustehen. Ich ließ sofort die Aerzte rufen, welche erklärten, es sei ein hitziges Fieber. Gegen Abend brachte man ihn dann in mein Audienzzimmer, wo man ihn, nachdem ihm zur Ader gelassen worden, auf ein besonders dazu aufgeschlagenes Lager legte. Er befand sich sehr schlecht, und man ließ ihn wiederholt zur Ader. Die Kaiserin kam mehrmals des Tages zu ihm und bewies mir große Teilnahme, als sie mich weinen sah. Eines Abends, als ich eben die Abendgebete in einem kleinen Betstuhl nahe bei meinem Toilettenzimmer las, trat Madame Ismailoff, die in großer Gunst bei der Kaiserin stand, ein. Sie sagte, die Kaiserin, die mich wegen der Krankheit des Großfürsten betrübt wisse, habe sie geschickt, um mir zu sagen, ich solle Zuversicht zu Gott haben, mich nicht grämen und überzeugt sein, daß sie mich nie verlassen werde. Darauf fragte sie mich, was ich lese. Ich erwiderte:»Die Abendgebete«. Sie erklärte, ich würde mir die Augen verderben, wenn ich bei Licht so kleine Buchstaben läse, worauf ich sie bat, Ihrer kaiserlichen Majestät für ihre Freundlichkeit zu danken. Wir trennten uns aufs herzlichste, sie um ihre Botschaft zu berichten, ich, um mich schlafen zu legen. Am folgenden Morgen schickte mir die Kaiserin ein Gebetbuch mit großen Buchstaben, um, wie sie sagte, meine Augen zu schonen.

Obwohl das Zimmer des Großfürsten an das meinige stieß, betrat ich es nur, wenn ich nicht überflüssig zu sein glaubte, denn ich bemerkte, daß ihm nicht viel an meiner Anwesenheit lag. Ihm war die Gesellschaft seiner Umgebung lieber, die mir durchaus nicht gefiel. Außerdem war ich nicht gewöhnt, allein unter Männern zu verkehren. Inzwischen kam die Fastenzeit heran und ich unterzog mich während der ersten Wochen den religiösen Uebungen, umsomehr, da ich gerade damals besonders zu dergleichen aufgelegt war. Ich sah deutlich, daß der Großfürst mich nicht liebte. Vierzehn Tage nach meiner Hochzeit hatte er mir von neuem anvertraut, daß er in Fräulein Carr, eine Ehrendame Ihrer Majestät, die später einen Fürsten Galitzin, den Stallmeister der Kaiserin, heiratete, verliebt sei. Dem Grafen Devierre, seinem Kammerherrn, hatte er gesagt, diese Dame sei gar nicht mit mir zu vergleichen. Und als Devierre das Gegenteil behauptete, hatte er sich mit ihm erzürnt. Diese Szene war gewissermaßen in meiner Gegenwart vor sich gegangen, und ich mußte nun ihr Schmollen mit ansehen. In der Tat sagte ich mir, daß ich mit dem Menschen sehr unglücklich werden müsse, wenn ich mich Gefühlen der Zärtlichkeit für ihn hingebe, die er so schlecht erwidere, und daß ich ohne Nutzen für irgend jemand vor Eifersucht sterben könne. So versuchte ich denn, meine Eigenliebe zu bezwingen und nicht auf einen solchen Mann eifersüchtig zu sein; aber dafür gab es nur ein Mitteclass="underline" ihn nicht lieben. Wenn er hätte geliebt sein wollen, so wäre dies nicht schwer für mich gewesen; ich war von Natur geneigt, meine Pflichten zu erfüllen, aber ich hätte einen Gemahl haben müssen, der gesunden Menschenverstand besaß, und den hatte Peter nicht.

Viertes Kapitel

Mein Verhalten während der Fasten. — Das Marionettentheater des Großfürsten. — Eine interessante Entdeckung. — Zorn der Kaiserin Elisabeth gegen ihren Neffen. — Meine Leute finden Mittel, meine Ehrendame, Madame Kruse, betrunken zu machen. — Ernennung des Fürsten Repnin zum Begleiter des Großfürsten. — Repnins Charakter. — Madame Cschoglokoff wird zu meiner Oberhofmeisterin ernannt. — Die drei Czernitscheffs. — Reise nach Reval. — Abreise von dort nach Katharinental. — Allianzvertrag zwischen Rußland und Österreich. — Flottenmanöver. — Rückkehr nach Petersburg.

Während der ersten Woche der großen Fasten aß ich kein Fleisch. Die Kaiserin ließ mir am Sonnabend sagen, ich möchte ihr den Gefallen tun, auch noch die zweite Woche zu fasten, worauf ich Ihrer Majestät antworten ließ, ich bitte sie, mir zu erlauben, daß ich die ganze Fastenzeit innehielte. Sievers, der Hofmarschall der Kaiserin und Schwiegersohn der Madame Kruse, welcher diese Worte überbrachte, sagte mir nachher, die Kaiserin habe sich wahrhaft über diese Bitte gefreut und gewähre sie mir gern. Als der Großfürst erfuhr, daß ich fortfuhr zu fasten, schalt er mich, ich aber erwiderte ihm, ich könne nicht anders. Als er sich besser befand, spielte er noch lange Zeit den Kranken, um sein Zimmer nicht verlassen zu müssen, wo es ihm besser gefiel, als in Gesellschaft des Hofes. Erst in der letzten Fastenwoche, in der er seine religiösen Uebungen verrichten mußte, verließ er es.

Nach Ostern ließ er in seinem Zimmer ein Marionettentheater einrichten und lud dazu alle, auch die Damen ein. Diese Vorstellungen waren das Einfältigste, was man sich denken kann. Das Zimmer, worin sich dasselbe befand, besaß eine geheime Tür, welche in ein anderes zu den Gemächern der Kaiserin führendes Zimmer ging, wo ein Tisch stand, den man mittels einer Vorrichtung senken und heben konnte, um ohne Bedienung speisen zu können. Als der Großfürst eines Tages in seinem Zimmer war, um sein sogenanntes Schauspiel vorzubereiten, hörte er im anstoßenden Gemach sprechen, und da er eine etwas unbedachte Lebhaftigkeit besaß, nahm er einen Bohrer und begann damit Löcher in die geheime Tür zu bohren, so daß er alles, was drinnen vorging, namentlich das dort stattfindende Diner der Kaiserin, beobachten konnte. Der Oberjägermeister Graf Razumowski in pelzverbrämtem Schlafrocke — er hatte gerade an jenem Tage Arznei genommen — sowie ein Dutzend der intimsten Vertrauten der Kaiserin dinierten hier mit ihr. Aber der Großfürst, nicht zufrieden, für sich allein die Frucht seiner geschickten Arbeit zu genießen, rief seine ganze Umgebung herbei, um auch sie des Vergnügens teilhaftig zu machen. Nachdem er und die andern ihre Augen an diesem indiskreten Vergnügen gesättigt hatten, lud er auch Madame Kruse, mich und meine Damen ein, zu ihm zu kommen, um etwas zu sehen, was wir noch nie gesehen hätten; er verriet uns aber nicht, was es sei, scheinbar um uns eine angenehme Ueberraschung zu bereiten. Da ich mich gerade nicht sehr beeilte, dauerte es ihm in seinem Eifer zu lange und er ging mit Madame Kruse und meinen Frauen immer voraus. Als ich ankam, standen sie schon vor jener Tür, wohin er Bänke, Stühle, Schemel u.s.w. gesetzt hatte, wie er sagte, zur Bequemlichkeit der Zuschauer. Natürlich fragte ich, was dies bedeute, und er erklärte es mir. Ich war über seine Verwegenheit sehr erschrocken und aufgebracht und sagte ihm, daß ich nichts sehen, noch irgend einen Anteil an diesem ärgerlichen Vorgang haben wolle. Unzweifelhaft würde das unangenehme Folgen von seiten seiner Tante für ihn nach sich ziehen, wenn diese es erführe, und höchstwahrscheinlich werde sie es erfahren, weil er wenigstens zwanzig Personen in sein Geheimnis eingeweiht hätte. Alle, die sich hatten bereden lassen, durch die Löcher zu sehen, zogen sich nun zurück, da sie bemerkten, daß ich mich weigerte, dasselbe zu tun. Selbst der Großfürst fing an, seine Tat zu bereuen, und kehrte zu der Arbeit an seinem Marionettentheater zurück, während ich mich in mein Zimmer begab.