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Kurz darauf erhielten wir den Befehl, uns zur Begleitung der Kaiserin auf ihrer Reise nach Reval vorzubereiten. Gleichzeitig meldete mir Madame Tschoglokoff von seiten Ihrer Majestät, daß sie mich in Zukunft meiner Besuche in ihrem Ankleidezimmer enthebe. Wenn ich ihr etwas zu sagen habe, so solle ich dies durch niemand anders tun, als durch sie, Madame Tschoglokoff. Im Grunde meines Herzens war ich sehr froh über diesen Befehl, der mich davon befreite, vor den Frauen der Kaiserin zu kratzfüßeln; übrigens ging ich sehr selten hin und sah Ihre Majestät fast nie. Seit meinem ersten Besuch hatte sie sich mir höchstens drei- oder viermal gezeigt. Gewöhnlich verließen dann auch allmählich die Frauen der Kaiserin das Zimmer, so daß ich ebenfalls, um nicht allein zu sein, nie lange dort blieb.

Im Juni reiste die Kaiserin nach Reval, und wir begleiteten sie. Der Großfürst und ich fuhren in einem viersitzigen Wagen zusammen mit dem Prinzen August und Madame Tschoglokoff. Unsere Art zu reisen war weder bequem noch angenehm. Die Post- oder Stationshäuser wurden von der Kaiserin in Anspruch genommen, während man uns Zelte zur Verfügung stellte, oder uns in die Bureaus einquartierte. Ich erinnere mich, daß ich mich eines Tages auf dieser Reise bei dem Ofen ankleiden mußte, wo man eben Brot gebacken hatte, und daß ein anderesmal in dem Zelte, wo mein Bett sich befand, das Wasser einen halben Fuß hoch stand, als ich eintrat. Da außerdem die Kaiserin keine bestimmte Zeit, weder für die Abreise, noch für die Ankunft, noch für die Mahlzeiten und die Ruhestunden festsetzte, waren wir alle, Herren sowie Diener, außerordentlich abgespannt.

Endlich, nach zehn oder zwölf Tagen, langten wir auf einem Gute des Grafen Steinbock, vierzig Werst von Reval, an, von wo indes die Kaiserin mit feierlichem Gepränge wieder abfuhr, weil sie noch am Abend in Katharinental eintreffen wollte. Aber aus irgendwelchem mir unbekannten Grunde verlängerte sich die Reise bis halb zwei Uhr morgens.

Während der ganzen Fahrt von Petersburg nach Reval langweilte und verstimmte Madame Tschoglokoff unsere Gesellschaft. Was man auch sagen mochte, stets erwiderte sie:»Solch eine Unterhaltung würde Ihrer Majestät mißfallen;«oder:»So etwas würde die Kaiserin nicht billigen. «Und doch waren es oft die unschuldigsten und gleichgültigsten Dinge, die sie auf diese Weise rügte. Was mich betraf, so faßte ich meinen Entschluß: ich schlief während der ganzen Reise.

Gleich am nächsten Tage nach unserer Ankunft in Katharinental begann der gewöhnliche Gang des Hoflebens, das heißt es wurde vom Morgen bis zum Abend und bis tief in die Nacht hinein ziemlich hoch im Vorzimmer der Kaiserin gespielt. Madame Tschoglokoff liebte das Spiel sehr und forderte mich auf, ebenfalls Pharo zu spielen. Hier waren gewöhnlich alle Günstlinge der Kaiserin versammelt, wenn sie sich nicht im Zimmer Ihrer Majestät, oder vielmehr in ihrem Zelte befanden. Sie hatte nämlich ein sehr großes und prächtiges Zelt neben ihren Gemächern aufschlagen lassen, die sich zu ebener Erde befanden und sehr klein waren, wie Peter I. sie gewöhnlich baute. Denn er hatte dies Landhaus errichtet und den Garten angelegt.

Der Fürst und die Fürstin Repnin, die an der Reise ebenfalls teilnahmen und von dem anmaßenden, unverständigen Wesen Madame Tschoglokoffs während der ganzen Reise unterrichtet waren, forderten mich auf, der Gräfin Schuwaloff und Madame Ismailoff, den beiden vertrautesten Damen der Kaiserin, davon Mitteilung zu machen. Diese liebten Madame Tschoglokoff nicht und wußten bereits, was vorgefallen war. Die kleine Gräfin Schuwaloff, welche die Indiskretion selber war, wartete aber gar nicht erst, bis ich ihr davon sprach, sondern begann, als sie beim Spiel an meiner Seite saß, selbst mit mir davon zu reden, wobei sie durch ihren scherzhaften Ton das Benehmen der Tschoglokoff so ins Lächerliche zog, daß diese bald zum Gegenstande allgemeinen Spottes wurde. Ja, sie tat noch mehr, sie erzählte der Kaiserin, was sich ereignet hatte. Augenscheinlich wurde Madame Tschoglokoff ein Verweis erteilt, denn sie milderte ihren Ton gegen mich zusehends. Und in der Tat bedurfte ich dessen sehr nötig, denn ich fing an, eine große Neigung zur Melancholie zu spüren. Ich fühlte mich schrecklich einsam. Der Großfürst faßte in Reval eine vorübergehende Neigung zu einer Dame Namens Cédéraparre und verfehlte natürlich nicht, seiner Gewohnheit gemäß, mich sofort ins Vertrauen zu ziehen.

Da ich häufig an Brustschmerzen litt und in Katharinental Blut ausgeworfen hatte, ließ man mir zur Ader. Am Nachmittag trat Madame Tschoglokoff in mein Zimmer und fand mich mit verweinten Augen. Mit bedeutend freundlicherem Ausdruck fragte sie mich, was mir fehle, und schlug mir seitens der Kaiserin vor, einen Spaziergang in den Garten zu machen, um, wie sie sagte, meine Hypochondrie zu zerstreuen. Außerdem händigte sie mir von Ihrer Majestät 3000 Rubel zum Pharospiel ein, denn die Damen hatten gemerkt, daß es mir an Geld fehle, und es der Kaiserin gesagt. Ich bat sie, Ihrer kaiserlichen Majestät für ihre Güte zu danken und ging mit Madame Tschoglokoff im Garten spazieren, um frische Luft zu schöpfen. Der Großfürst war an diesem Tage mit dem Oberjägermeister Razumowski auf der Jagd.

Einige Tage nach unserer Ankunft in Katharinental traf der Großkanzler Graf Bestuscheff ein in Begleitung des kaiserlichen Gesandten Baron Preyslein. Aus den Glückwünschen, welche er uns darbrachte, konnten wir ersehen, daß sich die beiden kaiserlichen Höfe durch einen Allianzvertrag vereinigt hatten. Hierauf begab sich die Kaiserin zum Flottenmanöver, doch mit Ausnahme des Pulverdampfes sahen wir nichts. Der Tag war ausnehmend heiß und es herrschte vollkommene Windstille. Nach der Rückkehr von diesem Manöver fand in den auf der Terrasse aufgeschlagenen Zelten der Kaiserin ein Ball statt. Das Souper wurde unter freiem Himmel um ein Bassin serviert, wo Fontainen springen sollten; aber kaum hatte sich die Kaiserin zu Tisch gesetzt, als ein Platzregen die ganze Gesellschaft durchnäßte. Alles flüchtete dann so gut es ging in die Häuser und Zelte, und so endete das schöne Fest.