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Einige Tage darauf begab sich die Kaiserin nach Roguervick. Auch hier manövrierte die Flotte, und wir sahen wieder nichts als Dampf. Bei dieser Reise verletzten wir uns alle die Füße auf eigentümliche Weise. Der Boden dieser Gegend ist vollkommen felsig und von einer dicken Schicht kleiner Kieselsteine bedeckt, in welche, wenn man längere Zeit auf derselben Stelle steht, die Füße einsinken und von den Kieseln bedeckt werden. Da wir dort unsere Zelte aufgeschlagen hatten, waren wir genötigt, mehrere Tage hindurch auf diesem Boden zu gehen, wovon mir meine Füße noch vier Monate nachher weh taten. Die Galeerensklaven, welche an dem Hafendamme arbeiteten, brachten uns wohl Holzschuhe, aber auch diese hielten nicht länger als acht bis zehn Tage.

Der kaiserlich österreichische Gesandte war ebenfalls Ihrer Majestät nach diesem Hafen gefolgt und dinierte und soupierte mit ihr auf dem Wege zwischen Roguervick und Reval.

Bei der Rückkehr nach Katharinental hatte Madame Tschoglokoff das Vergnügen, ihren Gemahl zu treffen, der von seiner Sendung nach Wien zurückgekehrt war. Obgleich sich auf dem Wege nach Riga, wohin sich die Kaiserin begeben wollte, schon viele Hofequipagen befanden, die der Kaiserin entgegen kamen, änderte sie plötzlich, nachdem sie in Roguervick gewesen, ihren Plan. Man zerbrach sich den Kopf über die Ursache dieser Aenderung, aber erst viele Jahre später sollte sich dieselbe aufklären. Als Herr Tschoglokoff nämlich durch Riga gekommen war, hatte ihm ein lutherischer Pastor, der entweder ein Narr oder ein Fanatiker war, einen Brief mit einer Denkschrift überreicht, worin er die Kaiserin beschwor, die Reise nicht zu unternehmen, weil sie sich auf derselben der größten Gefahr aussetzen würde, denn die Feinde des Reichs hätten Leute gedungen, sie dort zu töten, und dergleichen Geschwätz mehr. Der Empfang dieser Schrift verdarb Ihrer Majestät die ganze Lust, weiter zu reisen, und, obgleich es sich herausstellte, daß der Geistliche ein Irrsinniger war, fand die Reise nicht statt.

So kehrten wir in kleinen Tagereisen von Reval nach Petersburg zurück. Ich bekam auf dieser Reise eine heftige Halskrankheit, die mich mehrere Tage ans Bett fesselte. Hierauf begaben wir uns nach Peterhof und machten von dort alle acht Tage Ausflüge nach Oranienbaum.

Fünftes Kapitel

Befehl der Kaiserin, das Abendmahl zu nehmen. — Die Kompagnie des Großfürsten in Oranienbaum. — Langweiliges Leben in Oranienbaum. — Ich tröste mich mit meinen Büchern. — Amüsanter Winter in Petersburg. — Reise nach Tischwin. — Der kaiserliche Favorit Razumowski. — Tschoglokoff. — Tod der Fürstin Gagarin. — Im Sommerpalast. — Verschiedene Verabschiedungen. — Reise nach Gostilitza. — Tod meines Vaters. — Man verbietet mir, ihn länger als acht Tage zu beweinen. — Intrige Bestuscheffs. — Die Meute des Großfürsten. — Er spielt mit Puppen und anderem Spielzeug. — Man verbietet uns, mit unserer Umgebung halblaut zu sprechen. — Der Hundestall neben unserm Schlafzimmer. — Maskenbälle in meinen Gemächern. — Ungnade Repnins. — Die Kaiserin macht mir Vorwürfe. — Ich bekomme die Masern.

Zu Anfang August ließ die Kaiserin dem Großfürsten und mir sagen, daß wir zum Abendmahl gehen sollten. Wir entsprachen beide ihren Wünschen und begannen sogleich die Frühmette und Vesper bei uns singen zu lassen, sowie täglich in die Messe zu gehen. Am Freitag, als es sich darum handelte, die Beichte abzulegen, klärte sich denn auch die Ursache zu diesem Befehl auf. Simon Theodorski, der Bischof von Pleskow, fragte uns nämlich beide, natürlich jeden besonders, was zwischen den Czernitscheffs und uns vorgegangen sei. Aber da absolut nichts vorgefallen war und er sah, daß wir ihm offen und unschuldig erklärten, auch nicht ein Schatten von dem, was man gewagt habe, anzunehmen, sei begründet, ward er ein wenig verlegen. Und es entschlüpften ihm gegen mich die Worte:»Aber woher kommt es, daß die Kaiserin vom Gegenteil überzeugt ist?«worauf ich ihm antwortete, ich wisse es nicht. Ich glaube sicher, daß unser Beichtvater unsere Geständnisse dem Beichtvater der Kaiserin mitteilte und dieser sie Ihrer Majestät übermittelte, was nicht zu unserem Nachteile geschah. Wir nahmen das Abendmahl am Sonnabend und gingen am Sonntag auf acht Tage nach Oranienbaum, während Elisabeth einen Ausflug nach Zarskoje Selo machte.

Sobald wir in Oranienbaum angekommen waren, bildete der Großfürst aus seinem ganzen Gefolge eine Kompagnie. Die Kammerherren, Kammerkavaliere, Hofchargen, die Adjutanten des Fürsten Repnin, ja sogar dessen Sohn, die Hofbedienten, Jäger, Gärtner, alle, alle mußten sie das Gewehr über die Schulter nehmen. Seine kaiserliche Hoheit exerzierte sie täglich und ließ sie auf die Wache ziehen; der Korridor des Hauses diente ihnen als Wachtstube, wo sie den Tag verbrachten. Zu den Mahlzeiten gingen die Kavaliere hinauf, und abends kamen sie in den Saal, um so, wie sie waren, in Gamaschen, gestiefelt und gespornt, zu tanzen, von Damen waren nur ich, Madame Tschoglokoff, die Fürstin Repnin, meine drei Ehrendamen und meine Kammerfrauen da; folglich waren diese Bälle stets sehr spärlich und schlecht arrangiert, zumal da die Männer von dem fortwährenden Exerzieren, einer Beschäftigung, die dem Geschmack der Hofleute durchaus nicht zusagte, ermüdet und schlechter Laune waren. Nach dem Ball durften sie dann in ihrem Zimmer zu Bett gehen. Im allgemeinen waren ich sowie alle andern des langweiligen Lebens in Oranienbaum, wo wir fünf oder sechs Frauen von früh bis abends allein waren, während die Männer ihrerseits wider Willen exerzierten, herzlich satt. Ich nahm deshalb meine Zuflucht zu den Büchern, die ich mir mitgebracht hatte. Seit meiner Heirat beschäftigte ich mich fast ausschließlich mit Lektüre. Das erste Buch, welches ich nach meiner Vermählung las, war ein Roman, betitelt» Tiran le Blanc«, und ein ganzes Jahr lang las ich nichts als Romane. Diese begannen mich aber bald zu langweilen. Zufällig kamen mir die Briefe von Madame de Sévigné in die Hände, eine Lektüre, die mich sehr amüsierte. Nachdem ich sie förmlich verschlungen hatte, las ich die Werke Voltaires, doch nach diesen suchte ich meine Bücher mit größerer Wahl aus.

Wir kehrten nach Peterhof zurück, und nach zwei oder drei Hin- und Rückreisen zwischen Peterhof und Oranienbaum, wobei es stets bei denselben Zerstreuungen blieb, bezogen wir den Sommerpalast in Petersburg.

Ende des Herbstes siedelte die Kaiserin in den Winterpalast über. Sie bewohnte dort die Gemächer, welche wir den Winter vorher benutzt hatten, während wir in die vor unserer Verheiratung vom Großfürsten bewohnten einquartiert wurden. Diese Gemächer gefielen uns sehr gut und waren in der Tat außerordentlich bequem; sie waren einst von der Kaiserin Anna benutzt worden. Jeden Abend versammelte sich hier unser ganzer Hof, man spielte allerhand unterhaltende Gesellschaftsspiele, oder es fanden Konzerte statt. Zweimal wöchentlich war im großen Theater, das damals der Kasaner Kirche gegenüberstand, Vorstellung. Mit einem Wort, dieser Winter war einer der heitersten und angenehmsten, die ich je verlebt habe. Wir taten wirklich den ganzen Tag nichts als lachen und fröhlich sein.

Ungefähr gegen Mitte des Winters befahl uns die Kaiserin, ihr nach Tischwin, wohin sie sich begab, zu folgen. Diese Reise hatte einen religiösen Zweck, doch gerade, als wir in den Schlitten steigen wollten, erfuhren wir, daß sie aufgeschoben sei. Man flüsterte uns zu, der Oberjägermeister Graf Razumowski sei von der Gicht befallen, und Ihre Majestät wolle nicht ohne ihn reisen. Erst zwei oder drei Wochen später gingen wir nach Tischwin. Die Reise dauerte einschließlich unserer Rückkehr nur fünf Tage. Als wir durch Ribatschia Slobodk kamen und an dem Hause vorbeifuhren, wo sich die Czernitscheffs befanden, suchte ich sie hinter den Fenstern zu erspähen, sah aber nichts. Von Fürst Repnin, der an dieser Reise nicht teilnahm, wurde gesagt, er leide an Blasenstein. Sein Amt vertrat der Gemahl der Tschoglokoff, was allen nicht gerade sehr angenehm war. Er war ein anmaßender, brutaler, dummer Mensch, vor dem alle die größte Furcht hatten, selbst seine eigene Frau. Beide waren aber auch wirklich böswillige Menschen. Dennoch gab es, wie wir später sehen werden, Mittel, nicht allein jene Argusse einzuschläfern, sondern sie sogar zu gewinnen. Damals indes bemühte man sich noch, diese Mittel zu entdecken. Eins der sichersten war, Pharo mit ihnen zu spielen, denn beide waren sehr interessierte Spieler. Diese Schwäche wurden wir zuerst an ihnen gewahr, während wir die andern leider erst viel später entdeckten.