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Als Großfürstin und Gemahlin Peters war die Lage Katharinas in jeder Beziehung erniedrigend. Neben dem gemeinsamen Schlafzimmer, und nur durch eine Bretterwand getrennt, hält er einen stinkenden Hundestall und dressiert seine Meute; in seinem Wohnzimmer hängt er eine Ratte auf und bezeichnet dies als eine kriegsgesetzliche Handlung, denn die Ratte habe es gewagt, eine Schildwache aus Zunder, womit der Großfürst täglich spielte, aufzufressen. Als drastisches Exempel sollte die Rattenleiche drei Tage im Zimmer hängen bleiben. Ein anderesmal, als er wie gewöhnlich unmenschlich betrunken ins Schlafzimmer kommt, wo seine Frau schon im Bett liegt, stellt sich Katharina, als ob sie fest schliefe, weil sie es satt ist, fortwährend seine Maitressengeschichten mit anzuhören. Er schreit und tobt, aber sie hört nicht. Da weckt er sie mit Faustschlägen und geht dann fluchend weg. Und die arme junge Frau weint die ganze Nacht.

Peter spielte leidenschaftlich gern mit Puppen und anderm Tand und benutzte, da man ihm tagsüber aufpaßte, die Nächte dazu. Wohl oder übel mußte auch Katharina, die zu jener Zeit noch mit ihrem Gemahl das Bett teilte, sich an diesen kindischen Vergnügungen beteiligen. Und geduldig ließ sie alles über sich ergehen.

Aber es sollte noch schlimmer kommen! Man fängt an, sie systematisch zu verderben. Man macht ihr den Vorwurf, daß sie keine Kinder bekommt; und als es sich herausstellt, daß die Schuld nicht an ihr liegt, läßt man ihr durchblicken, eine Großfürstin habe, wenn es sich um das Wohl des Landes handele, nicht die Tugend als erstes in die Wagschale zu werfen. Man geht weiter! Ihre Oberhofmeisterin, die als sittenstreng bekannte Madame Tschoglokoff, läßt ihr die Wahl zwischen zwei Kammerherrn: Leon Narischkin und Sergius Soltikoff, weil sie gemerkt hat, daß Katharina besonders einen von ihnen — welchen weiß sie nicht bestimmt — nicht ungern sieht. Und als die Großfürstin auf die Frage ihrer Anstandsdame:»Wenn ich nicht irre, so ist es Narischkin?«lebhaft mit» Nein, nein «antwortet, da ruft diese zynisch aus:»Nun, so ist es eben der andere!«Und er war es! Katharina macht nun kein Hehl mehr aus ihrem Verhältnis zu dem schönen Sergius. Sie liebt ihn ja auch wirklich, liebt wohl zum ersten Male. Sie läßt sogar in ihren Erinnerungen durchblicken, daß Soltikoff der Vater ihres Sohnes Paul ist.

Nachdem aber die Grenzen des Wohlanständigen einmal überschritten sind, wirft sie sich neuen Leidenschaften in die Arme.»Wenn man gefällt, «sagt sie mit einem fatalistischen Anflug in ihren Memoiren,»so ist der erste Teil der Verführung schon vollzogen, und der zweite kommt leicht dazu. «Sergius Soltikoff bekommt einen Nachfolger: Graf Poniatowski, der später von ihr zum König von Polen gemacht wird. Seine äußere Erscheinung, obwohl ebenfalls edel, konnte zwar nicht mit der glänzenden Schönheit Sergius' konkurrieren, aber er besaß mehr innern Gehalt, war ganz Weltmann und außerordentlich unterrichtet. Dieser Verbindung schreibt man die Geburt ihrer Tochter Anna zu. Und nun fliegt Katharina aus einem Arm in den andern, bis sie sich schließlich, nur ihrer maßlosen Sinnlichkeit folgend, ohne Wahl einem jeden, der ihr gerade gutdünkt, hingibt.

Aber merkwürdig, diese Frau, die so wenig ihre menschlichen Schwächen beherrschen konnte, die tiefer als die geringste ihrer Untertaninnen sank, wenn sie mit ihren Günstlingen wüste Gelage feierte, blieb in der Oeffentlichkeit immer die stolze, achtunggebietende Herrscherin, eine kluge, geistreiche Frau, die ihrem Lande, wie keine andere, eine Zukunft sicherte. Neben den Orgien, die sie zu feiern liebte, vergaß sie doch nie die Pflege ihres Geistes. Bis an ihr Lebensende hat sie unermüdlich gelernt. Dicke Bände hat sie durchgewälzt, mit den bedeutendsten Gelehrten, Dichtern, Schriftstellern und Philosophen ihrer Zeit ist sie in Beziehungen und Briefwechsel gestanden, Voltaire, Diderot und Grimm waren ihre vertrauten Ratgeber. Sie hat Paläste gebaut, Schulen, Kirchen, öffentliche Anstalten errichtet, und das heutige Rußland verdankt viele seiner Gebäude und Einrichtungen allein ihr, der großen Katharina, der einstigen kleinen deutschen Prinzessin von Anhalt-Zerbst.

Leider brechen die Aufzeichnungen der Kaiserin gegen Ende des Jahres 1759, also zwei Jahre vor ihrer Thronbesteigung, plötzlich ab. Verschiedene Leute behaupten, es seien noch Notizen vorhanden gewesen, die zu einer Weiterbearbeitung und Fortsetzung des Manuskriptes gute Dienste hätten leisten können, aber Paul habe dieselben verbrannt. Wieviel daran Wahres ist, hat bis jetzt noch nicht ermittelt werden können, da jeder Beweis dafür fehlt. Um indes den Leser auch mit den späteren Ereignissen, die nach dem Tode Elisabeths das Land erschütterten, einigermaßen bekannt zu machen, haben wir uns entschlossen, Bruchstücke aus den Memoiren der Fürstin Daschkoff, der über die damaligen russischen Verhältnisse best unterrichteten Frau, am Schlusse des Werkes anzufügen. Ihre Berichte über das Leben am Hofe Katharinas und Peters, der freilich nur kurze Zeit den Titel eines Kaisers trug, sind nicht weniger interessant, als die Aufzeichnungen der Kaiserin selbst, denn sie lebte längere Zeit in engster Intimität mit Katharina.

Man wird sich zwar wundern, daß ihre Erzählung der Ereignisse, besonders was den Tod Peters, die Thronbesteigung Katharinas und den Charakter des Großfürsten betrifft, nicht immer mit den Berichten der Kaiserin von Rußland übereinstimmen. Aber die Ursache davon ist nicht schwer zu erraten. Katharina leugnet direkt in einem Briefe an Poniatowski, was sie bei ihrer Thronbesteigung der Fürstin Daschkoff verdankte. Warum? Weil sie das ganze Verdienst an diesem Ereignis Alexis Orloff, ihrem Geliebten, zukommen lassen wollte. Die Fürstin Daschkoff hingegen hebt sich allzusehr empor, und ihre weibliche Eitelkeit reißt sie zu Behauptungen hin, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Gewiß aber ist, daß sie großen Anteil an der Thronumwälzung des Jahres 1763 gehabt hat, wenn auch die Orloffs die Leiter des Ganzen waren. Ueber den Tod Peters sind heute so ziemlich alle Zweifel gehoben, und in dieser Beziehung kommt der Bericht der Fürstin Daschkoff der Wahrheit näher, als das, was Katharina in ihrem Brief an Poniatowski darüber schreibt.

Die Mémoires de Catherine II., écrites par elle-même sind mitunter in einem ziemlich ungelenken, abgerissenen Stil geschrieben, für den zum Teil die verschiedenen Abschreiber des Originalmanuskriptes verantwortlich sein mögen. Soweit es mir angebracht erschien, habe ich diese Stilhärten in der Uebersetzung beibehalten.

G. Kuntze.

Nicht immer ist das Glück so blind, wie man es sich vorstellt. Es ist oft das Resultat wohlberechneter Maßnahmen, die, von der Allgemeinheit unbemerkt, den Ereignissen vorausgegangen sind. Besonders aber ist es das Ergebnis persönlicher Eigenschaften, des Charakters und der Handlungen.

Um dies etwas mehr verständlich zu machen, komme ich zu folgendem Schluß:

Eigenschaften und Charaktere sollen vorherrschen, die Handlungsweise in zweiter Linie kommen, Glück oder Unglück aber den Schluß bilden.