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In seinen inneren Gemächern beschäftigte sich der Großfürst anfangs mit nichts anderem, als ein paar Bediente, die ihm als Kammerdiener beigegeben waren, exerzieren zu lassen. Er gab ihnen Grad und Rang und degradierte sie nach Belieben. Es war die reinste Kinderei. Ueberhaupt war er sehr kindisch, obgleich er schon sechzehn Jahre zählte.

Am 9. Februar des Jahres 1744, als der russische Hof in Moskau war, kam ich mit meiner Mutter dort an. Der russische Hof war damals in zwei große Parteien gespalten. An der Spitze der einen, die sich aus ihrem Verfall zu erheben begann, stand der Vizekanzler Graf Bestuscheff-Rjumin. Er wurde weit mehr gefürchtet als geliebt, war ein äußerst intriganter und argwöhnischer Mensch, fest und unerschrocken in seinen Grundsätzen, ziemlich tyrannisch, ein unversöhnlicher Feind, aber Freund seiner Freunde, die er nur verließ, wenn sie selbst ihm den Rücken kehrten; übrigens schwierig im Umgang und oft kleinlich. Er stand an der Spitze der auswärtigen Angelegenheiten. Da er die Umgebung der Kaiserin zu bekämpfen hatte, war er vor der Reise nach Moskau ein wenig im Nachteile, begann sich aber bald zu erheben. Er hielt es mit den Höfen von Wien, Sachsen und England, und meine und meiner Mutter Ankunft war ihm daher nicht angenehm, denn sie war das geheime Werk der ihm feindlich gesinnten Partei. Obgleich die Feinde des Grafen Bestuscheff sehr zahlreich waren, so zitterten doch alle vor ihm. Er hatte vor ihnen den Vorteil seiner Stellung und seines Charakters voraus, der ihn weit über die Politiker der Vorzimmer erhob.

Die Bestuscheff entgegengesetzte Partei stand auf seiten Frankreichs, seines Schützlings Schweden und des Königs von Preußen. Der Marquis de La Chétardie war ihre Seele, und die von Holstein gekommenen Hofleute waren ihre Matadore. Sie hatten Lestocq, einer der Hauptbeteiligten an der Revolution, welcher die Kaiserin Elisabeth auf den russischen Thron gebracht hatte, für sich gewonnen, und dieser war einer der ersten Vertrauten der Kaiserin. Seit dem Tode der Kaiserin Katharina I. war er Elisabeths Leibarzt gewesen, hatte der Mutter sowie der Tochter große Dienste geleistet, und es fehlte ihm weder an Geist, noch Schlauheit und Intrige, aber er war schlecht und von finsterem und bösem Charakter. Alle jene Fremden unterstützten diese Partei und drängten besonders den Grafen Michael Woronzow vor, der ebenfalls an der Revolution teilgenommen und Elisabeth in der Nacht, als sie den Thron bestieg, begleitet hatte. Sie hatte ihm die Nichte der Kaiserin Katharina I., Gräfin Anna Karlowna Skawronski, zur Frau gegeben, welche in der Nähe der Kaiserin Elisabeth erzogen und ihr sehr ergeben war. Auch Graf Alexander Rumianzoff, der Vater des Marschalls, stand auf seiten dieser Partei. Er hatte den Frieden von Abo mit Schweden unterzeichnet, einen Frieden, bei dem Bestuscheff wenig zu Rate gezogen worden war. Außerdem zählten sie den Generalprokurator Trubetzkoi, sowie die ganze Familie dieses Namens und folglich auch den Prinzen von Hessen-Homburg, der eine Prinzessin Trubetzkoi geheiratet hatte, zu ihren Anhängern. Obgleich damals sehr angesehen, war der Prinz von Hessen-Homburg eigentlich nichts durch sich selbst; sein ganzes Ansehen verdankte er nur der zahlreichen Familie seiner Frau, deren Vater und Mutter damals noch lebten, und von denen besonders die Mutter großen Einfluß auf den russischen Thron hatte.

Die übrige Umgebung der Kaiserin bestand damals aus der Familie Schuwaloff. Diese hielt in jeder Beziehung dem Oberjägermeister Razumowski das Gleichgewicht, der für den Augenblick der erklärte Günstling war.

Graf Bestuscheff wußte von ihnen Nutzen zu ziehen, aber seine Hauptstütze war der Baron Tscherkassoff, Kabinettssekretär der Kaiserin, der schon im Kabinett Peters I. gedient hatte. Er war ein roher und starrköpfiger Mensch, der Ordnung und Gerechtigkeit wollte und alles im gewohnten Gange zu halten wünschte. Der Rest des Hofes stellte sich auf die eine oder die andere Seite, je nach seinen persönlichen Interessen und Ansichten.

Wie es schien, freute sich der Großfürst über die Ankunft meiner Mutter und über die meinige sehr. Während der ersten Tage bewies er mir, der fast Fünfzehnjährigen, viele Aufmerksamkeiten. Aber während dieses kurzen Zeitraumes sah und begriff ich nur zu gut, daß er sich aus der Nation, über die er zu herrschen bestimmt war, sehr wenig machte, an seinem lutherischen Glauben festhielt, seine Umgebung nicht liebte und sehr kindisch war. Ich schwieg meist und hörte ihm zu, was mir sofort sein Vertrauen gewann. Dabei erinnere ich mich, daß er mir unter anderem auch sagte, was ihm am meisten an mir gefalle, sei, daß ich seine Cousine wäre und er mit mir als seiner Verwandten rückhaltslos sprechen könne. Darauf erzählte er mir, daß er in eine der Ehrendamen der Kaiserin verliebt sei, die nach dem Unglück ihrer Mutter, einer Madame Lapukin, welche nach Sibirien verdammt worden war, den Hof hätte verlassen müssen. Er habe sehr gewünscht, sie zu heiraten, sei aber jetzt fest entschlossen, sich mit mir zu vermählen, weil es seine Tante befehle. Errötend hörte ich diese verwandtschaftlichen Mitteilungen an und dankte ihm für sein vorzeitiges Vertrauen; aber im Grunde meines Herzens betrachtete ich mit Erstaunen seine Unvorsichtigkeit und den Mangel an Urteil über viele Verhältnisse.

Zehn Tage nach meiner Ankunft in Moskau, es war an einem Sonnabend, begab sich die Kaiserin ins Kloster Troitza, während der Großfürst bei uns in Moskau blieb. Man hatte mir schon drei Lehrer gegeben: Simon Theodorski, um mich in der griechischen Religion zu unterrichten, Basil Abaduroff für die russische Sprache und den Ballettmeister Laudé für den Tanz. Um schnellere Fortschritte in der russischen Sprache zu machen, stand ich des Nachts auf und lernte, während alles schlief, die mir von Abaduroff gegebenen Hefte auswendig. Da mein Zimmer warm war und ich keine Erfahrungen hinsichtlich des Klimas hatte, unterließ ich es, mir Schuhe und Strümpfe anzuziehen und studierte so wie ich aus dem Bett kam. In der Folge wurde ich nach vierzehn Tagen von einer Brustfellentzündung befallen, die mich hinwegzuraffen drohte. Sie begann am Dienstage nach der Abreise der Kaiserin mit einem Schüttelfroste, als ich mich eben angekleidet hatte, um mit meiner Mutter beim Großfürsten zu Mittag zu speisen. Nur mit Mühe erhielt ich von meiner Mutter die Erlaubnis, mich zu Bett zu legen. Als sie vom Diner zurückkehrte, fand sie mich fast besinnungslos, fieberhaft heiß und mit einem unerträglichen Schmerz in der Seite. Sie glaubte, ich würde die Pocken bekommen, schickte nach Aerzten und forderte, daß sie mich demgemäß behandelten. Die Aerzte behaupteten, man müsse mir zur Ader lassen, sie aber verweigerte ihre Zustimmung, weil man, wie sie sagte, durch Aderlaß ihren Bruder in Rußland an den Pocken habe sterben lassen, und sie wolle nicht, daß mir dasselbe geschähe. Die Aerzte und die Umgebung des Großfürsten, welche die Pocken nicht gehabt hatten, schickten nun einen genauen Bericht über den Stand der Dinge an die Kaiserin, während ich im Bette lag, umgeben von meiner Mutter und den Aerzten, die miteinander stritten, bewußtlos, im hitzigsten Fieber und mit einem Schmerz in der Seite, der mir furchtbare Leiden verursachte und Seufzer entriß, wofür meine Mutter mich schalt und von mir verlangte, daß ich meine Leiden geduldig ertrage.