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Am 29. August zogen wir endlich in Kiew ein. wir blieben zehn Tage dort und kehrten darauf nach Moskau, ganz und gar in derselben Weise wie wir gekommen waren, zurück.

In Moskau verging dann der ganze Herbst mit Theater, Ballett und Hofmaskeraden. Trotz aller Feste aber bemerkte man, daß die Kaiserin häufig verstimmt war. Eines Tages, als meine Mutter und ich mit dem Großfürsten in einer der kaiserlichen gegenüberliegenden Loge im Theater saßen, bemerkte ich, daß die Kaiserin sehr heftig und aufgebracht mit dem Grafen Lestocq sprach. Als sie zu Ende geredet, verließ Lestocq sie, kam in unsere Loge, näherte sich mir und sagte:»Haben Sie gesehen, wie die Kaiserin mit mir gesprochen hat?«Ich antwortete bejahend.»Nun, «fuhr er fort,»sie ist sehr böse auf Sie.«—»Auf mich? und weshalb?«erwiderte ich.»Weil Sie viel Schulden gemacht haben. Als sie Prinzessin gewesen, habe sie ebenfalls keine andere Einnahme gehabt und noch dazu für ein ganzes Haus sorgen müssen, doch sie habe sich gehütet, Schulden zu machen, weil sie gewußt, daß niemand dieselben für sie bezahlen werde. «Er sagte dies alles in einem ärgerlichen, trockenen Ton, wahrscheinlich, damit die Kaiserin aus ihrer Loge sehen sollte, wie er sich seines Auftrages entledigte. Die Tränen traten mir in die Augen, aber ich schwieg. Nachdem er ausgeredet, entfernte er sich. Der Großfürst, der neben mir saß und den größten Teil unserer Unterhaltung gehört hatte, fragte mich nach dem, was er nicht verstanden und gab mir dann mehr durch Mienen als durch Worte zu verstehen, daß er der Meinung seiner Frau Tante sei und es ganz recht finde, daß man mich gescholten habe. Dies entsprach durchaus seiner Art und Weise: er glaubte sich der Kaiserin angenehm zu machen, indem er auf ihre Ansichten einging, wenn sie jemand zürnte. Als meine Mutter hörte, um was es sich handele, erklärte sie, man habe ja alle möglichen Mittel angewandt, mich ihrer Autorität zu entziehen und mich in den Stand gesetzt, ohne ihren Rat zu handeln, so daß sie ihre Hände in Unschuld wasche. So nahmen sie beide gegen mich Partei.

Ich selbst wünschte nichts mehr, als meine Angelegenheiten sofort in Ordnung zu bringen und forderte am nächsten Tag meine Rechnungen. Aus diesen ersah ich, daß sich meine Ausgaben auf 17 000 Rubel beliefen. Vor der Abreise von Moskau nach Kiew hatte die Kaiserin mir 15 000 Rubel und eine große Kiste mit sehr einfachen Kleidungsstoffen gegeben, obgleich ich mich reich kleiden sollte. So betrug denn am Ende meine ganze Schuld 2000 Rubel, was mir keine unmäßige Summe schien. Uebrigens hatten mich verschiedene Umstände in Unkosten gestürzt.

Erstens war ich mit einer sehr unvollständigen Ausstattung nach Rußland gekommen. Wenn ich drei oder vier Kleider hatte, so war dies das höchste, und das an einem Hofe, wo man den Anzug täglich dreimal wechselt. Meine ganze Wäsche bestand aus einem Dutzend Hemden, und die Bettücher gebrauchte ich von meiner Mutter.

Zweitens hatte man mir gesagt, daß man in Rußland gern Geschenke empfinge, daß man sich durch Großmut Freunde erwerbe und sich gern gesehen mache.

Drittens hatte man mir die verschwenderischste Frau in ganz Rußland beigegeben, die Gräfin Rumianzoff, die immer von Kaufleuten umringt war und mir täglich eine Menge Sachen zeigte, die sie mich aufforderte, zu kaufen, und die ich häufig nur nahm, um sie ihr zu schenken, weil sie großes Verlangen danach hatte.

Dazu kostete mich der Großfürst viel, weil er ungeheuer gierig nach Geschenken war.

Auch die Verstimmung meiner Mutter war leicht gehoben, sobald man sie mit etwas erfreute, was ihr gefiel, und da sie sich damals häufig besonders gegen mich übelgelaunt zeigte, vernachlässigte ich nicht, dies von mir entdeckte Mittel in Anwendung zu bringen. Die Mißstimmung meiner Mutter rührte meist daher, daß sie bei der Kaiserin in vollkommener Ungnade stand und diese sie oft kränkte und demütigte. Außerdem sah sie nicht ohne Mißfallen, daß ich vor ihr den Vortritt hatte, was ich, so oft es möglich war, vermied; aber bei öffentlichen Gelegenheiten ließ sich nichts daran ändern. Ueberhaupt hatte ich mir zur Regel gemacht, ihr die größte Achtung und Ergebenheit zu beweisen, doch half mir dies wenig. Bei jeder Veranlassung entschlüpften ihr Ausdrücke der Bitterkeit, welche ihre Lage nicht besserten und die Menschen nicht zu ihren Gunsten einnahmen.

Unter den Personen, die meiner Mutter schadeten, war besonders die Gräfin Rumianzoff, die durch Hin- und Herreden und Klatschereien am meisten dazu beitrug, sie bei der Kaiserin in ein schlechtes Licht zu setzen. Jener achtsitzige Wagen auf der Reise nach Kiew spielte dabei eine große Rolle. Alle Alten waren davon ausgeschlossen, alle Jungen zugelassen worden. Der Himmel weiß, welche Bedeutung man diesem in Wirklichkeit so unschuldigen Vergnügen beigemessen hatte. Das wahrscheinlichste aber ist, daß alle diejenigen, die durch ihren Rang eigentlich hätten zugelassen werden sollen, sich darüber ärgerten, daß man ihnen andere, die unterhaltender waren als sie, vorzog. Im Grunde aber rührte die Sache daher, daß man Betzki und die Trubetzkois, in die meine Mutter großes Vertrauen setzte, nicht an der Reise nach Kiew hatte teilnehmen lassen. Hieran waren Brummer und die Gräfin Rumianzoff sicher schuld, und der achtsitzige Wagen, in den man sie nicht mit Platz nehmen ließ, war eine Art Rache von meiner Mutter.

Im November bekam der Großfürst in Moskau die Masern. Da ich dieselben noch nicht gehabt, wandte man Vorsichtsmaßregeln an, um mich vor Ansteckung zu bewahren. Die Umgebung des Prinzen kam nicht mehr zu uns, und alle Vergnügungen hörten mit einem Male auf. Sobald er aber genesen, reisten wir zu Anfang des Winters von Moskau nach Petersburg; meine Mutter und ich in einem, der Großfürst und Brummer in einem anderen Schlitten. Wir feierten den 18. Dezember, den Geburtstag der Kaiserin, in Twer und setzten Tags darauf unsere Reise fort. Als wir die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatten und in dem Flecken Chotilowo angekommen waren, fühlte sich der Großfürst, als er des Abends in meinem Zimmer war, plötzlich unwohl. Man brachte ihn in das seinige und legte ihn zu Bett. Während der Nacht litt er an heftigem Fieber. Den folgenden Morgen begaben wir uns, meine Mutter und ich, in sein Zimmer, um ihn zu besuchen. Allein kaum hatte ich die Türschwelle überschritten, als Graf Brummer mir entgegenkam und mir empfahl, nicht weiter zu gehen. Natürlich wollte ich die Ursache wissen, und er sagte mir, daß Pockenflecken beim Großfürsten zum Vorschein gekommen wären. Da ich die Pocken nicht gehabt hatte, führte mich meine Mutter schnell hinweg, und es wurde beschlossen, daß sie und ich noch an demselben Tag nach Petersburg abreisen sollten, während der Großfürst und seine Umgebung in Chotilowo zurückblieben. Auch die Gräfin Rumianzoff und die Ehrendame meiner Mutter blieben dort, um, wie man sagte, den Kranken zu pflegen. Man hatte sofort einen Kurier an die Kaiserin abgeschickt, die vor uns abgereist und schon in Petersburg angekommen war. Kurz vor Nowgorod trafen wir sie. Sie hatte, als man ihr die Nachricht übermittelte, daß die Pocken bei dem Großfürsten ausgebrochen seien, Petersburg sogleich verlassen, um sich zu ihm nach Chotilowo zu begeben, und hielt sich dort solange auf, als die Krankheit währte. Sowie die Kaiserin uns sah, ließ sie, obgleich es mitten in der Nacht war, ihren und unsern Schlitten halten und fragte, wie sich der Großfürst befinde. Meine Mutter sagte ihr alles, was sie wußte, worauf die Kaiserin dem Kutscher weiter zu fahren befahl und auch wir unsere Fahrt nach Nowgorod fortsetzten, wo wir gegen Morgen eintrafen.