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Unsere Partei wuchs täglich an Zahl, aber es war kein gleichmäßiger Fortschritt in der Organisation unserer Pläne. Während dieser Zeit zog ich mich in die Einsamkeit meines Landhauses in der Nähe von Petersburg zurück, anscheinend um die Verbesserungen auf meinem Gute zu überwachen, in Wirklichkeit aber suchte ich meine Gedanken zu ordnen und einen praktischen und haltbaren Aktionsplan zu finden, der dem Gegenstand und der Natur unserer Verschwörung angemessen wäre.

Viertes Kapitel

Umzug des Hofes nach Peterhof. — Ungeduld der Garden. — Der denkwürdige 27. Juni. — Unvorhergesehene Folgen einer Verhaftung. — Beschleunigung der Katastrophe. — Besuch des jungen Orloff bei der Fürstin. — Erfolg des Unternehmens. — Katharina wird zur Herrscherin proklamiert. — Ich eile zu ihr. — Die Kaiserin und Fürstin Daschkoff in Uniform. — Rückkehr der Kaiserin nach Peterhof.

Der Umzug des Hofes nach Peterhof und Oranienbaum, welcher ungefähr Anfang des Sommers stattfand, gab mir so viel Muße, als ich nur wünschen konnte. Auf diese Weise von des Kaisers Abendgesellschaften erlöst, war es mir nicht unlieb, in der Stadt zu bleiben. Zu dieser Zeit zeigten sich unter den Garden, die merkten, daß sie plötzlich nach Dänemark eingeschifft werden sollten, bedeutende Symptome der Unzufriedenheit und Ungeduld. Dazu begannen Gerüchte zu zirkulieren, daß das Leben der Kaiserin in Gefahr sei, Gerüchte, welche dazu dienen sollten, den Augenblick zu beschleunigen, wo man die Dienste der Garden zu Hause brauchen werde. Ich beauftragte daher einige mitverschworene Offiziere, den Soldaten, die kaum noch zurückgehalten werden konnten, zu sagen, daß ich täglich mit der Kaiserin in Verbindung stehe und mich verbürge, sie den geeigneten Augenblick zur Tat, sobald derselbe gekommen sei, wissen zu lassen.

Sonst blieb alles in bedenklicher Stille bis zum 27. Juni, ein Tag, der für immer in den Annalen meines Landes denkwürdig bleiben wird, ein Tag, an dem Furcht und Hoffnung, Angst und Entzücken abwechselnd die Herzen aller Verschwörer durchzitterte. Was mich betrifft, so gestehe ich ehrlich, daß mir, obgleich ich die erste war, die an die Möglichkeit unseres Unternehmens, an die Entthronung eines zum Herrschen unfähigen Monarchen geglaubt, weder die Geschichten, die ich gelesen, noch die glühende Einbildungskraft eines achtzehnjährigen Wesens diese Ereignisse so haben malen können, wie sie die Wirklichkeit in wenig Stunden uns vorführte.

Am Nachmittag des 27. Juni war es, als Gregor Orloff kam, um mir die Verhaftung des Hauptmanns Passik zu melden. Letzterer und Bredichin waren am Abend zuvor mit mir zusammen gewesen, um mich vor der Gefahr zu warnen, in die uns die Ungeduld der Soldaten versetzen konnte, die, den Gerüchten über die Gefahr der Kaiserin Glauben schenkend, offen über Peter III. murrten und verlangten, gegen die holsteinschen Truppen in Oranienbaum geführt zu werden. Um die Befürchtung dieser beiden Herren, die sehr in Angst zu sein schienen, zu mildern und um zu zeigen, daß ich persönlich nicht vor der Gefahr zurückschreckte, bat ich sie, den Soldaten in meinem Namen zu versichern, daß ich täglich von der Kaiserin Nachricht habe, die in voller Sicherheit in Peterhof lebe. Es sei durchaus nötig, sich ruhig zu verhalten und gehorsam auf die Befehle zu warten, sonst würde der günstige Augenblick zur Tat vielleicht nie kommen. Passik und Bredichin beeilten sich, den Soldaten diese Botschaft zu überbringen, aber in der allgemeinen Verwirrung und dem Tumult kam unser Geheimnis zu den Ohren Voisikoffs, eines Majors der Preobraschenskischen Garde, der Passik augenblicklich festnehmen ließ und so die Entdeckung, aber auch die Katastrophe unserer Verschwörung beschleunigte.

Als Orloff mir die Nachricht von dieser Verhaftung überbrachte, deren Ursache und nähere Umstände er nicht kannte, war gerade Panin bei mir. Sei es infolge seines natürlichen Phlegmas und der Schlaffheit seines Charakters, sei es, weil er wünschte, mir die drohende Gefahr zu verbergen — kurz, er schien das Ereignis in einem weniger ernsten Licht anzusehen als ich es tat, und sprach mit großer Ruhe darüber, wie von der natürlichen Folge irgend eines militärischen Vergehens. Ich aber sah es im Gegenteil als ein Zeichen an, einen entscheidenden Schritt zu tun, und obgleich ich ihm nicht dieselbe Idee beibringen konnte, so baten wir ihn doch, sofort nach der Kaserne des Regiments zu eilen und die besonderen Umstände von Passiks Verhaftung zu erforschen, um sich zu versichern, ob er als Staatsgefangener behandelt werde, oder nur wegen eines militärischen Vergehens festgenommen worden wäre.

Als Orloff fort war, bat ich meinen Onkel Panin, mich zu verlassen, unter dem Vorwand, der Ruhe bedürftig zu sein. Aber sobald er sich entfernt hatte, nahm ich einen großen Herrenmantel um und ging in dieser Verkleidung zu Fuß nach der Wohnung Rasloffleffs.

Ich war noch nicht weit gegangen, als ich einen Mann zu Pferde in vollem Galopp auf mich zukommen sah. Ich weiß nicht, weshalb ich auf die Idee kam, daß es einer der Orloffs sein müsse, von denen mir nur Gregor bekannt war. Aber die Ueberzeugung, daß es so sein müsse, war so stark in mir, daß ich den Mut hatte, seinem ungestümen Lauf Einhalt zu tun, indem ich ihn beim Namen rief. Der Reiter hielt an, und als er hörte, wer ihn gerufen, sagte er:»Ich war auf dem Wege zu Ihnen, Fürstin, um Ihnen zu sagen, daß Passik Staatsgefangener ist, von vier Schildwachen an der Tür und zwei an jedem Fenster bewacht. Mein Bruder Gregor ist mit der Nachricht zu Panin, und ich habe es eben Rasloffleff mitgeteilt.«—»Und ist dieser sehr bestürzt darüber?«—»Einigermaßen, «erwiderte er;»aber warum sind Sie auf der Straße, gnädige Frau? Erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu begleiten.«—»Wir sind hier weniger beobachtet, als wir es in meinem eigenen Hause, umgeben von der Dienerschaft, sein würden, «antwortete ich.»Aber in diesem Augenblick genügen wenige Worte. Gehen Sie, sagen Sie Rasloffleff, Lassunski, Tschertkoff und Bredichin, daß sie ohne Verzug zu ihrem Regimente, den Ismailoffskischen Garden, eilen und auf ihrem Posten bleiben sollen, um die Kaiserin am Weichbilde der Stadt zu empfangen. Dann reiten Sie oder einer Ihrer Brüder wie der Blitz nach Peterhof und flehen Sie die Kaiserin in meinem Namen an, augenblicklich eine Postkutsche zu nehmen, die sie bereit finden wird, und nach dem Stadtviertel der Ismailoffskischen Garden zu fahren, die nur darauf warten, sie als Herrscherin zu proklamieren und in die Hauptstadt im Triumphe einzuführen. Sagen Sie ihr, dieser Schritt sei von solcher Wichtigkeit, daß ich nicht die wenigen Augenblicke verlieren möchte, die ich brauchen würde, um nach Hause zurückzukehren und ihr zu schreiben, sondern daß ich Sie auf der Straße beschworen habe, es ihr zu sagen und ihre Ankunft zu beschleunigen; vielleicht komme ich ihr selbst entgegen.«

Was die Postkutsche betrifft, von der ich sprach, so muß ich bemerken, daß ich am Abend vorher nach dem Besuch Passiks und Bredichins an Madame Skurin, die Frau des Kammerdieners der Kaiserin, schrieb, und sie bat, ihren Wagen mit vier Postpferden nach Peterhof zu schicken. Dort solle man denselben für die Kaiserin in Bereitschaft halten, falls ihre Anwesenheit in Petersburg nötig wäre. Ich wußte wohl, wie schwer, ja unmöglich es sonst gewesen wäre, einen Wagen zu bekommen, ohne daß Ismailoff, der kaiserliche Hausintendant, etwas davon erfahren hätte — ein Mann, der am wenigsten geneigt war, die Flucht der Kaiserin zu begünstigen, Panin, der die Katastrophe einer Thronrevolution noch für ebenso fern als unsicher hielt, lachte über meine Vorsicht als über einen voreiligen Schritt. Aber so wie die Ereignisse kamen — wer weiß, ob wir ohne den Wagen zum Ziele gelangt wären.