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Sobald die Sitzung beendet und die für die Sicherheit der Hauptstadt nötigen Befehle gegeben waren, bestiegen wir unsere Pferde und ließen auf unserm Wege nach Peterhof zwölftausend Mann Revue passieren, die Freiwilligen ungerechnet, deren Zahl sich von Minute zu Minute vermehrte.

In Krasnoi Kabak, zehn Werst von Petersburg, hielten wir einige Stunden an, um den Truppen, die zwölf Stunden ununterbrochen auf den Beinen gewesen waren, ein wenig Ruhe zu gönnen. Auch wir selbst bedurften der Ruhe. Ich hatte während der letzten zwei Wochen kaum einen Augenblick die Augen geschlossen. Als wir unser ärmliches Quartier betraten, schlug Ihre Majestät vor, uns in unsern Kleidern auf das einzige schmale Bett niederzulegen, das trotz allen daran haftenden Schmutzes meinen müden Gliedern ein zu großer Segen schien, um es zu verschmähen. Kaum aber hatten wir uns auf dem Bett ausgestreckt, über welches ich noch vorsorglich einen vom Obersten Karr geliehenen Mantel gebreitet, als ich hinter unsern Köpfen eine kleine Tapetentür gewahrte. Da ich nicht wußte, wohin sie führte, ging ich hinaus, um zu untersuchen, ob alles sicher sei. Als ich gefunden hatte, daß diese Tür durch einen dunklen, engen Gang auf den äußersten Hof führte, stellte ich zwei Schildwachen davor, mit dem Befehl, nicht vom Flecke zu weichen. Nachdem dies geschehen, kehrte ich zur Kaiserin zurück, die damit beschäftigt war, einige Papiere durchzulesen. Da wir indes nicht schlafen konnten, las sie mir die Abschriften der Manifeste vor, die sie veröffentlichen wollte, wir hatten also genügend Muße, zu beratschlagen, was noch zu tun übrig bliebe, und waren voll froher Vorgefühle, die jetzt an die Stelle der Furcht vor Gefahr getreten waren.

Fünftes Kapitel

Verhalten des Kaisers. — Er dankt ab. — Herr Betskoi. — Tragisches Ende Peters. — Die Gefühle Katharinas und ihre Unschuld am Tode ihres Gemahls.

Inzwischen konnte sich Peter III., der sich weigerte, dem Rat des Generals Münnich zu folgen, zu nichts entschließen. Er fuhr zwischen Peterhof und Oranienbaum hin und her, bis er endlich einsah, daß dabei nichts gewonnen werde. Er folgte also dem Rate seiner Vertrauten und begab sich nach Kronstadt, um sich der Flotte zu versichern. Aber auch die Kaiserin hatte die Wichtigkeit der Seemacht nicht übersehen. Admiral Talitschin war beauftragt, sie in ihrem Namen zu befehligen. Als dieser, der Kronstadt besetzt hielt, den Kaiser sich dem Ufer nähern sah, verweigerte er ihm die Landung, und der unglückliche Peter war genötigt, nach Oranienbaum zurückzukehren. Darauf sandte er den General Ismailoff mit den demütigsten Eröffnungen und einem Anerbieten seiner Abdankung zur Kaiserin.

Der Bote dieser Vorschläge traf uns auf dem Wege nach Peterhof, wie verschieden war doch seine Sprache und sein Benehmen gegen das Verhalten meines Onkels, des Großkanzlers Woronzow, der sich der Kaiserin gerade vorgestellt hatte, ehe wir die Stadt verließen! Er kam nur, um Katharina Gegenvorstellungen zu machen. Als er sah, daß seine Einwände keine Wirkung hatten, zog er sich zurück, indem er sich weigerte, den Treueid zu leisten. — »Seien Sie versichert, Madame, «sagte er mit ruhiger Würde,»daß ich Ihrer Regierung niemals zu schaden suchen werde, weder durch Wort noch Tat, und, um Ihnen zu beweisen, wie aufrichtig dies gemeint ist, schlage ich Ihnen vor, einem Ihrer treuesten Offiziere die Bewachung meines Hauses anzuvertrauen; aber nie werde ich den Eid brechen, den ich dem Kaiser geschworen habe, so lange dieser lebt.«

Ihre Majestät sandte Ismailoff zu Peter III. wieder zurück mit der Weisung, ihn zu bewegen, sich selbst in ihre Hände zu geben, um die unberechenbaren Folgen, die aus einem entgegengesetzten Verhalten entstehen könnten, zu vermeiden. Sie fügte das feierliche Versprechen hinzu, alles tun zu wollen, um ihm das Leben in irgend einer Residenz, die er sich selbst in gewisser Entfernung von Petersburg aussuchen möge, so angenehm wie möglich zu machen.

Als wir uns dem Dreieinigkeitskloster näherten, kam der Vizekanzler Fürst Galitzin mit einem Briefe des Kaisers uns entgegen, und die Massen, die uns umringten, vermehrten sich von Minute zu Minute durch Zuzüge von seiten der Gegner.

Bald nach unserer Ankunft in Peterhof meldete man uns, daß Peter, begleitet von den Generalen Ismailoff und Gudowitsch, im Schlosse angelangt sei und sich ergeben habe. Fast von niemand gesehen, wurde er in ein entferntes Gemach geführt, wo das Diner bereitet war. Da er das Schloß Ropscha, wo er als Großfürst gelebt hatte, zu seiner zukünftigen Residenz erwählte, brachte man ihn sogleich dahin. Alexis Orloff, Kapitän Passik, Fürst Theodor Bariatinski und der Leutnant Baskakoff, denen die Kaiserin die Sorge für die Sicherheit seiner Person anvertraut hatte, begleiteten den Kaiser.

Ich selbst sah ihn bei der Katastrophe nicht, obgleich ich Gelegenheit dazu gehabt hätte. Die meisten aber, die ihn sahen, versicherten, daß er wenig von diesem Wechsel des Glückes ergriffen schien. Ehe er Peterhof verließ, schrieb er zwei oder drei kurze Briefe an die Kaiserin. In einem, den ich zu Gesicht bekam, erklärte er förmlich seine Abdankung, und nachdem er mehrere Personen genannt hatte, deren Begleitung er wünschte, sprach er davon, wie seine Tafel versorgt werden solle, wobei er nicht vergaß, sich gehörige Vorräte an Burgunder, Pfeifen und Tabak auszubitten.

Aber genug von diesem unglücklichen Prinzen, den die Natur für die niedrigsten Stufen des Lebens gebildet hatte, und den das Schicksal unglücklicherweise auf einen Thron erhob. Obgleich nicht gerade lasterhaft, hätten doch seine Schwächen, sein Mangel an Erziehung und seine angeborene Neigung zu allem Gemeinen und Niedrigen, wenn er weiter regiert hätte, in ihren Folgen für sein Volk nicht weniger verderblich sein können, als entschiedene Laster.

Am folgenden Tage nach der Proklamation Katharinas erhielt Panin den Grafentitel mit einer Pension von 5000 Rubel; Prinz Wolkonski und Graf Razumowski erhielten dieselbe Pension, die übrigen Verschwörer erster Klasse ein jeder 600 Bauern und 2000 Rubel Pension, oder, anstatt der Bauern, 24 000 Rubel. Zu meinem größten Erstaunen fand ich auch meinen Namen mit auf der Liste. Ich war fest entschlossen, von der Gabe keinen Gebrauch zu machen, doch diese Uneigennützigkeit brachte mir die Vorwürfe aller derer ein, die bei der Thronumwälzung beteiligt gewesen waren. Endlich, um dem allgemeinen Geschwätz ein Ende zu machen und die Kaiserin nicht zu beleidigen, willigte ich in einen Vergleich. Ich besaß ein Verzeichnis der Schulden meines Gemahls, die sich beinahe auf 24 000 Rubel beliefen, und stellte daher seinen Gläubigern eine Vollmacht aus, diese Summe aus dem Kabinett Ihrer Majestät zu entheben.

Am vierten Tag nach der Revolution verlangte Herr Betskoi eine Audienz, die ihm auch gewährt ward. Zufällig war ich mit Ihrer Majestät ganz allein im Zimmer, als er eintrat. Er warf sich zu unserm großen Erstaunen auf die Knie und beschwor die Kaiserin, doch zu gestehen, wessen Einfluß sie ihre Thronbesteigung verdanke. — »Dem allmächtigen Gott, «erwiderte sie,»und der Wahl meiner Untertanen.«—»Dann, «rief er verzweifelt aus,»darf ich auch nicht länger dieses Ehrenzeichen tragen, «und dabei wollte er sich das Band des St. Alexanderordens abreißen. Aber die Kaiserin hielt ihn davon ab und fragte, was er denn eigentlich meine.

«Ich bin der unglücklichste Mensch auf der Welt, «sagte er,»wenn Eure Majestät nicht in mir die einzige Person anerkennt, der Sie Ihre Krone verdanken. Habe ich nicht die Garden dazu angereizt? Habe ich nicht Geld unters Volk verteilt?«