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»Aber Ihr Vater?« fragte ich. »Sind Sie denn so fest davon überzeugt, daß er Ihnen verzeihen wird?«

»Unbedingt; was soll er denn sonst tun? Das heißt, zuerst wird er mich selbstverständlich verfluchen; davon bin ich sogar überzeugt. Das liegt eben in seinem Wesen; und er ist überhaupt streng gegen mich. Kurz, er wird seine väterliche Gewalt zur Anwendung bringen. Aber all das braucht man nicht ernst zu nehmen. Er liebt mich sinnlos; er wird ein bißchen zürnen und dann verzeihen. Dann werden sich alle versöhnen, und wir werden alle glücklich sein. Auch Nataschas Vater.«

»Aber wenn er Ihnen nun nicht verzeiht? Haben Sie auch diesen Fall in Erwägung gezogen?«

»Er wird mir unfehlbar verzeihen, nur vielleicht nicht so bald. Nun wohl, dann werde ich ihm zeigen, daß auch ich Charakterfestigkeit besitze. Er schilt mich immer, ich hätte keine Charakterfestigkeit, ich sei leichtsinnig. Jetzt soll er einmal sehen, ob ich leichtsinnig bin oder nicht. Ehemann zu werden, das ist ja kein Spaß; dann werde ich kein Knabe mehr sein... das heißt, ich wollte sagen: ich werde dann ebenso ein Mensch sein wie die andern... wie die Ehemänner. Ich werde von meiner Arbeit leben. Natascha sagt, daß das viel besser ist, als aus fremder Tasche zu leben, wie wir das alle tun. Wenn Sie nur wüßten, wieviel Gutes und Kluges sie zu mir sagt! Ich wäre auf diesen Gedanken niemals gekommen; ich bin in einer anderen Anschauung aufgewachsen und anders erzogen worden. Ich weiß freilich selbst, daß ich leichtsinnig und fast zu nichts tauglich bin; aber wissen Sie, vorgestern ist mir ein wunderbarer Gedanke gekommen. Es ist jetzt allerdings nicht recht Zeit dazu; aber ich will es Ihnen doch mitteilen, weil auch Natascha es hören muß und Sie uns Rat geben sollen. Sehen Sie, ich will Novellen schreiben und sie an die Journale verkaufen, so wie Sie das tun. Sie werden mir bei den Redakteuren der Journale behilflich sein, nicht wahr? Ich habe auf Sie gerechnet und gestern die ganze Nacht über einen Roman nachgedacht, so probeweise, und wissen Sie: er könnte sehr hübsch werden. Den Stoff habe ich einem Scribeschen Lustspiel entnommen... Aber das werde ich Ihnen ein andermal erzählen. Die Hauptsache ist, daß man Geld dafür bekommt; Sie bekommen ja doch auch welches!«

Ich konnte mich nicht enthalten zu lächeln.

»Sie lachen«, sagte er, ebenfalls lächelnd. »Nein, hören Sie«, fügte er mit unbegreiflicher Naivität hinzu, »beurteilen Sie mich nicht nach dem äußeren Schein; ich besitze wirklich eine außerordentlich gute Beobachtungsgabe; nun, Sie werden ja selbst sehen. Warum sollte ich nicht den Versuch machen? Vielleicht kommt etwas Hübsches dabei heraus... Übrigens, Sie mögen recht haben: ich verstehe ja nichts vom wirklichen Leben; Natascha sagt mir das auch; und das sagen mir alle Leute; was werde ich da als Schriftsteller leisten? Lachen Sie mich aus, lachen Sie mich aus, aber verhelfen Sie mir zur Besserung; Sie werden das ja auch für sie tun, und Sie lieben sie ja. Ich will Ihnen die Wahrheit sagen: ich bin ihrer nicht wert; das fühle ich; das bedrückt mich sehr, und ich weiß nicht, weswegen sie mich so liebgewonnen hat. Aber ich glaube, ich könnte mein ganzes Leben für sie hingeben! Wirklich, ich habe bis auf diesen Augenblick keine Furcht gehabt, aber jetzt habe ich Furcht: was beginnen wir da! O Gott! Wenn ein Mensch sich mit Leib und Seele seiner Pflicht hingibt, ist es dann möglich, daß es ihm unglücklicherweise gerade an der zur Erfüllung dieser seiner Pflicht erforderlichen Klugheit und Charakterfestigkeit mangelt? Helfen wenigstens Sie uns, Sie, unser Freund! Sie sind der einzige Freund, der uns geblieben ist. Ich verstehe ja nichts, wenn ich auf mich allein angewiesen bin! Verzeihen Sie, daß ich in dieser Weise auf Sie rechne; ich halte Sie für einen sehr vornehm denkenden Menschen und glaube, daß Sie weit besser sind als ich. Aber ich werde mich bessern, davon mögen Sie überzeugt sein, und werde Ihrer und Nataschas würdig werden.«

Hier drückte er mir wieder die Hand, und aus seinen schönen Augen leuchtete ein gutes, edles Gefühl. Vertrauensvoll streckte er mir die Hand hin, in der Überzeugung, daß ich sein Freund sei.

»Sie wird mir helfen, mich zu bessern«, fuhr er fort. »Denken Sie übrigens von uns nichts Schlechtes, und ängstigen Sie sich um uns nicht allzusehr! Ich habe doch viele gute Aussichten, und in materieller Hinsicht werden wir völlig gesichert sein. Wenn es mir mit dem Roman nicht gelingen sollte (und um die Wahrheit zu gestehen, ich habe schon vorhin gedacht, daß der Roman eine Dummheit ist, und habe Ihnen jetzt davon nur erzählt, um Ihre Meinung zu hören), wenn es mir mit dem Roman nicht gelingen sollte, so kann ich schlimmstenfalls Musikstunden geben. Sie haben wohl nicht gewußt, daß ich musikalisch bin? Ich werde mich nicht schämen, auch von solcher Arbeit zu leben. Ich bin in diesem Punkt durchaus ein Anhänger der neuen Ideen. Und außerdem besitze ich eine Menge wertvoller Schmucksachen und Toilettengegenstände; was habe ich von denen? Ich werde sie verkaufen, und Sie sollen mal sehen, wie lange wir von dem Erlös leben werden! Schließlich, im allerschlimmsten Fall, werde ich vielleicht wirklich in den Staatsdienst treten. Darüber wird sich mein Vater sogar freuen: er drängt mich immer, ein Amt zu übernehmen, und ich habe mich bisher immer mit Kränklichkeit ausgeredet. (Übrigens werde ich in irgendeinem Ressort bereits in den Listen geführt.) Aber wenn er sehen wird, daß die Heirat mir Vorteil gebracht und mich zu einem gesetzten Menschen gemacht hat und daß ich tatsächlich in den Dienst getreten bin, wird er sich freuen und mir verzeihen...«

»Aber, Alexej Petrowitsch, haben Sie auch wohl bedacht, wie schrecklich sich jetzt das Verhältnis zwischen Ihrem und Nataschas Vater gestalten wird? Was meinen Sie, wie es heute abend in Nataschas Elternhaus zugehen wird?«

Ich wies dabei auf Natascha hin, die bei meinen Worten leichenblaß geworden war. Ich war erbarmungslos.

»Ja, ja, Sie haben recht; es ist schrecklich!« antwortete er. »Ich habe schon daran gedacht, und das Herz hat mir weh getan... Aber was soll ich tun? Sie haben recht: wenn doch wenigstens ihre Eltern uns verziehen! Wenn Sie wüßten, wie ich sie beide liebe! Haben sie mich doch ganz so behandelt, als ob sie meine Eltern wären, und nun vergelte ich es ihnen so! Ach, diese Streitigkeiten, diese Prozesse! Sie glauben gar nicht, wie unangenehm uns das jetzt ist! Und um was streiten sie sich! Wir alle lieben einander ja so sehr, und doch streiten wir uns! Sie sollten sich versöhnen; dann wäre die Sache erledigt! Wirklich, so würde ich an ihrer Stelle handeln... Ihre Worte haben mir einen ordentlichen Schreck eingejagt. Natascha, es ist etwas Schreckliches, was wir beide jetzt vorhaben! Ich habe das auch schon früher gesagt... Du bestehst selbst darauf... Aber hören Sie, Iwan Petrowitsch, vielleicht kann das alles zum Guten führen; was meinen Sie? Endlich müssen sie sich ja doch versöhnen! Wir werden die Versöhnung herbeiführen. So wird es sein, unfehlbar; sie werden gegen unsere Liebe nicht standhalten... Mögen sie uns verfluchen; wir werden doch fortfahren, sie zu lieben, und sie werden nicht standhalten können. Sie glauben gar nicht, was für ein gutes Herz mein Vater manchmal hat! Er sieht ja oft so finster aus; aber zu anderen Zeiten ist er wieder außerordentlich nett. Wenn Sie wüßten, wie freundlich er heute zu mir gesprochen und mich zu überreden gesucht hat! Und gerade heute handle ich seinem Willen zuwider; das macht mich sehr traurig. Und alles wegen dieser abgeschmackten vorgefaßten Meinungen! Es ist der reine Wahnsinn! Wenn er sie nur einmal ordentlich sähe und auch nur eine halbe Stunde mit ihr zusammen wäre! Dann würde er uns sofort alles erlauben.«