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— 40000 Schilling Schulden, 20000 Schilling Außenstände. Peter, dir steht das Wasser bis zum Hals.

Peter verdrückt sich verlegen zu seiner Arbeit, und Ingrid sieht ihm zu, wie er eingegangene und eingeholte Bestellungen mit einer ihr finster anmutenden Ausdauer für den Versand vorbereitet; von dieser Tätigkeit wie anästhesiert. Nach einiger Zeit kritzelt Ingrid ZUR DRINGENDEN KENNTNISNAHME! auf Kopf und Fuß des Rechnungsblattes, sie steht auf, heftet das Blatt an das Anschlagbrett vorne links beim Eingang. Dann, zurück auf der Munitionskiste, redet sie sich ihren Frust von der Seele, das will ich dir mal klipp und klar sagen, und sie muß zugeben, es fühlt sich gut an, mit jemand Erwachsenem auf gleicher Augenhöhe zu reden, sich nicht wie ein Kind vorzukommen, diese verfluchten sechs Jahre Altersunterschied, die sieht man ihnen ja gar nicht an.

Also, Atemholen:

— Weil deine ewige Pleite liegt mir bleischwer im Magen, das geht nun schon so, seit ich dich kenne, und ich frage mich manchmal, ob überhaupt Hoffnung besteht, daß es einmal besser wird. Jedesmal, wenn man glaubt, jetzt geht es aufwärts, kommen wieder neue Schwierigkeiten, es ist wirklich wie ein Verhängnis über deiner Arbeit. Wenn Papa erfährt, daß du sogar fürs Essen anschreiben läßt, dann bist du der Blamierte, dann heißt es von anderer Seite mit Recht, na ja, wir können die Eltern von der Ingrid verstehen, denn der Peter kommt nicht auf die eigenen Beine, der macht sich nur zum Clown mit den lausigen Kröten, denen er hinterherrennt. Liebling, ich weiß, daß du dich redlich rackerst und tust, was du kannst, und daß es so vieles gibt, was dir in die Quere kommt, wofür du nichts kannst. Deswegen mache ich dir auch keine Vorwürfe. Aber einen Erfolg hättest du trotzdem bitter nötig. Ich bin schon ganz verzweifelt, daß es mit deiner Existenzgrundlage so eine Niete ist. Alle oder sagen wir viele junge Menschen, die ans Heiraten denken, jedenfalls die, die mit den Füßen am Boden bleiben, haben einen angemessenen Verdienst, aber bei uns, das kann ich dir flüstern, sehe ich die Felle in unerreichbarer Ferne, irgendwo auf dem weiten Meer bei der roten Schultasche von Hansguckindieluft. Schau nicht so, wenn’s doch wahr ist. Mir ist, als würdest du noch Jahre vertun wollen, bevor du zu was kommst, dann bleiben wir ein ewiges Brautpaar. Dieses Scheißauto, entschuldige bitte, bringt dich noch um deine letzten Knöpfe, gib’s doch zu, es geht auch bei dieser Fahrt wieder mehr drauf, als hereinkommt, und selbst wenn es sich die Waage hält, sollten deine Fahrten doch mehr einbringen, als daß du mit dem Wagen die Gegend verpestest. Von dem Reifen wäre schon wieder was bezahlt. And according to this: Sobald es irgendwie geht, weg mit der Kraxn, der mußt du nicht nachweinen, und dann schaff dir so einen kleinen Steyr-Lieferwagen an, auch wenn du fluchst, daß er klein ist, und was von einem Opel, Ford oder DKW faselst, das wäre ja Größenwahn, weil es kann wohl nicht sein, daß du den Wagen danach kaufst, ob man im Fond miteinander schlafen kann. Allerdings echt Peter. Hat man so was schon gehört. Du, ich denke mir manchmal alles so schön, aber gleich darauf verliere ich wieder den Mut zu glauben, daß es mit der Zeit besser wird, wenigstens daß die Schulden gezahlt sind, ein wenig Betriebskapital da ist und eine Wohnung, in der man sich rühren kann, ohne das Kind auf dem Kasten und daß man die Nachbarn hört, wenn sie sich im Bett umdrehen. Bis wann glaubst du das erreichen zu können, irgendwann so bis in fünf oder zehn Jahren, und auch dann noch fraglich, du, ich werd das schön langsam müde, das geht jetzt so, seit ich dich kenne, und bleibt ewig gleich, weil das Geschäft das Studium an die Wand drückt. Für nichts und wieder nichts. Schatz, ich denke da an einen Spruch von Papa, daß man immer bestrebt sein soll, sich über dem Durchschnitt zu halten, und das nicht nur in moralischer Hinsicht, er hat es, glaube ich, auch während des Krieges so gehalten, und wie weit man damit kommt, kann man an seiner jetzigen Position sehen. Überleg doch mal, was sind deine Bekannten, Leute, sehr nette zumeist, die irgendwie mit dem Wandervogel verbunden sind, die haben sicher ihre moralischen Qualitäten, aber das ist dann auch alles. Das sind die, die dich für einen reichen Mann halten und nicht begreifen, daß es dabei keine Existenz ist, weil sie selbst in einem solchen Schlamassel stecken und sich und ihren Kindern nichts leisten können. Da kann ich dir auch Namen nennen. Aber das soll nicht unsere Welt sein, wir müssen es besser haben, du vor allem, du kennst es ja gar nicht wie ich, und du sollst das keineswegs allein ermöglichen müssen, ich will gerne mitverdienen, wenigstens zeitweise. Du willst doch sicher nicht, daß die Frau am End mehr verdient als der Mann, das würde im jetzigen Zustand aber unweigerlich eintreten, willst du das vielleicht, na also, und es geht auch nicht nur um den Verdienst, auch der Titel spielt eine Rolle. Die Klatschsucht der Leute ist enorm. Wenn du mich kennst, weißt du, daß ich das nicht sage, um dich zu kränken. Aber ich kann nicht jedem deine Leidensgeschichte als Entschuldigung mitliefern, ich will meine Ehe unter guten Voraussetzungen beginnen und stolz sagen können, er ist Architekt, ein Diplomingenieur, wir haben das Recht dazu, uns steht ein leichtes, wunderbares Leben bevor, auch wenn wir nicht auf Rosen gebettet sind, aber zum Glücklichsein reicht’s. Kapierst du, worauf es mir ankommt? Halt mich bloß nicht für die hochnäsige Ministertochter, die in Geld gewickelt ist, und daß du nicht gut genug bist für mich, bitte nicht, mir ist nichts zu Kopf gestiegen als die pure Vernunft und die Einsicht, daß es Dinge gibt, um die man nicht herumkommt. Du mußt doch einsehen, wenn wir heiraten, will die Verwandtschaft wissen, wie und was mit dir ist, und da würden sie ja reihenweise auf den Rücken fallen, wenn sie erfahren, daß du ein Nachhilfelehrer bist, der mit dem Vertrieb von Brettspielen Schulden macht. Glaub mir, ich sage das wirklich nicht, um dich zu kränken oder zum Zeitvertreib, ich mache mir halt solche Sorgen. Papa darf auf keinen Fall recht behalten, das würde ich ihm niemals gönnen. Es ist arg, herrjemine, wenn wir uns nicht so gern hätten, wäre alles halb so schlimm, aber ein Leben ohne dich, das kann ich mir nicht denken, wir bleiben zusammen, egal, was kommt, so eine Enttäuschung wie mit der Hertha wirst du kein zweites Mal erleben. Aber bitte, bitte, geh im Wintersemester zurück über deine Bücher, wirst sehen, das kommt dich auch billiger, als wenn du dich wie im Vorjahr mit dem Wagen aufs Eis begibst und auf verwehte Straßen. Diese heillosen Fahrten. Du kannst dich aufs Wetter genausowenig verlassen wie auf so vieles, und mir würden diverse schlaflose Nächte erspart bleiben. Überleg dir das doch. Vielleicht kannst du am Ende mit einer Prüfung abschließen, das wär das allerhöchste, weil du bist jetzt fünfundzwanzig, Peter, und es darf einfach nicht sein, daß du noch so eine Verlegenheitsarbeit hast, bloß um Geld zu verjuxen. Dir muß doch selbst klar sein, daß du nicht mehr lange durchhalten kannst. Letzte Woche habe ich Frau Hastreiter Geld gegeben, damit sie was zum Bettwäsche Ausbessern hat, derweil müßte sie es zum Logisgeld nehmen, sie hat für dich schon soviel vorgestreckt. Und Frau Stöhr habe ich heute vormittag Geld gegeben, es ist kein Vorwurf, aber ist das ein Zustand, daß das Mädel dem Burschen Geld gibt, damit er durchkommt. Ich kann doch nicht ewig die beiden Omas aussackeln für meine Schandtaten. Dir Geld geben ist wie Wasser in ein Schaff ohne Boden schütten, du weißt, Papa hat einmal daran gedacht, dir finanziell unter die Arme zu greifen, aber als er gesehen hat, daß von Studieren keine Rede ist, war es nur konsequent, daß er davon wieder abgekommen ist. Sag mal, hörst du mir eigentlich zu oder denkst du dir, ach, laß sie reden, ich tu doch, was ich für richtig halte, den Verdacht hab ich nämlich, weil du überhaupt auf nichts reagierst. Nur weil du sechs Jahre älter bist, brauchst du noch lange nicht denken, die Ingrid. Gut, na um so besser, also noch maclass="underline" Steig herunter von deinem Irgendwie und Irgendwann und denk dran, was du deiner zukünftigen Familie schuldig bist, der ganze Aufwand mit Platz und Kleidung und Essen, wenn ich zu Hause bin, wer soll das finanzieren, wo alles immer teurer wird? Soviel Nachhilfe kannst du gar nicht geben. Die Studiererei bringt dich ja nicht um, wirst sehen, und du bekommst am Ende als Belohnung mich. Ich mache dir dein Leben so großartig, daß du zehnmal für alles entschädigt wirst. Was sind schon zwei Jahre für unser Leben, das uns bevorsteht, die vergehen wie im Flug, und wenn wir erst unabhängig sind und uns niemand mehr dreinredet, wir unsere eigenen vier Wände haben, Babies bekommen, dann wissen wir, daß sich die Plage gelohnt hat, bis dahin nehme ich alle Annehmlichkeiten wahr, die mir zu Hause geboten werden, ich sammle meine Aussteuer zusammen, laß mich von dir nicht abbringen und tu auf der Uni mein möglichstes, um in der Zeit zu bleiben. Wenn auch du wieder auf der Uni gesehen wirst, ist bestimmt auch Papa zugänglicher, es wäre ein Fortschritt für alle. Unter uns, zum Heiraten ist es ja eh viel zu früh, am Ende würden wir nur selbst dabei draufzahlen, neunzehn ist halt ein bisserl jung, und auch für dich ist Warten besser, damit die Voraussetzungen stimmen, wenn es soweit ist. Was den nötigen Grips betrifft, den hast du ohnehin für drei, halt vor Gebrauch einschalten, und die anderen Fehler, Liebling, da muß jetzt wirklich was passieren, das zieht einem die Schuhe aus, deine Schlamperei und Unverläßlichkeit, meine Meinung kennst du ja, halt was wir auf der Hohen Wand besprochen haben und was du immer entschuldigst mit keine Zeit haben. Aber keine Zeit gibt es nicht. Ich glaube viel eher, du hast es von zu Hause nicht besser gelernt, und dann warst du zu lange allein oder in Untermiete. So verschwitzte Wäsche und Kleider, das ist wirklich etwas Häßliches und kann sehr abstoßend und geschäftsschädigend sein, selber merkt man es nicht, aber die andern denken sich, ein schöner Schlamperdatsch, von dem ist keine ordentliche Arbeit zu erwarten, und dieses fesche Mädel, wo die sich den bloß aufgegabelt hat, so Sachen, wo du dir selbst Steine in den Weg legst, das mußt du um Himmels willen abstellen, sonst bist immer du derjenige, der draufzahlt. Deine Fußsohlen sehen ja manchmal aus, als ob du durch den Schornstein gekommen wärst. Also denk drüber nach und erfinde keine Ausreden, dafür gibt’s nämlich keine, sieh das bitte ein, wegen daß du jetzt durchbeißen mußt, vor allem bei dir selbst, und später, wenn auch ich über mich selbst bestimmen darf, was ja absehbar ist, dann denken wir nicht mehr an die Probleme vom Anfang. Hab du nur auch ein bißchen Geduld und mach es mir dadurch leichter, Peter, schau mich an, versteh mich doch bitte richtig, es sieht nur auf den ersten Blick aus, als würde das unser gemeinsames Ziel erschweren, aber du mußt jetzt mit eiserner Energie arbeiten und wirklich versuchen, Papa einen Beweis deiner Tüchtigkeit zu liefern. Ich erwarte bestimmt keine Großtaten, aber wenn ich mich für dich stark mache, und das mache ich, da kannst du sicher sein, brauche ich die Gewißheit, daß ich nicht mit Luftargumenten hausiere, du hast schon richtig gehört, es ist leider ein Zug, den ich an dir vermisse und von dem Papa einiges zuviel hat, die Nüchternheit.