Выбрать главу

Er mußte gegen eine panische Klaustrophobie ankämpfen. Sein Gesicht war hochrot und schweißüberströmt. Der säuerliche Geruch der Blätter stieg ihm in die Nase, daß ihm fast übel wurde. Er drehte den Kopf, soweit er konnte, und rief: »Kannst du mal ziehen, Bill?«

Er spürte, wie Bill und Beverly ihn an den Knöcheln packten, und wieder zog er seinen Bauch ein. Im nächsten Moment rutschte er nach unten.

Bill fing ihn auf, wobei sie beide fast hinfielen. Ben traute sich nicht, Beverly anzusehen. Er war noch nie im Leben so verlegen gewesen.

»A-Alles okay, M-M-Mann?« fragte Bill.

»Ja.« Sie schauten einander an, und dann lachte Bill etwas zittrig. Bev stimmte in sein Lachen ein, und mühsam brachte nun auch Ben ein Lachen zustande, obwohl ihm überhaupt nicht danach zumute war.

»He!« rief Richie. »Eddie braucht Hilfe, okay?«

»O-Okay«, sagte Bill.

Ben und er nahmen Aufstellung unter dem Fenster. Eddie rutschte auf dem Rücken ein Stück hinein. Bill packte seine Beine oberhalb der Knie.

»Paß auf«, rief Eddie nervös. »Ich bin kitzlig.«

Ben legte seine Hände um Eddies Taille, und gemeinsam hievten er und Bill den schmächtigen Jungen wie eine Leiche nach unten, wobei er einmal vor Schmerz aufschrie, weil sein gebrochener Arm irgendwo angestoßen war.

»Alles o-o-okay?« fragte Bill auch ihn.

»Ja«, sagte Eddie tapfer, aber auf seiner Stirn standen große Schweißperlen, und sein Atem ging sehr schnell. Er schaute sich nervös im Keller um.

Bill trat etwas zurück. Beverly stellte sich neben ihn, die Schleuder schußbereit am Griff und an der Gummimulde haltend, während Richie, Stan und Mike sich ohne jede Hilfestellung geschickt herunterließen, worum Ben sie glühend beneidete.

Dann schauten sich alle im Keller um, wo Bill und Richie Es vor einem Monat gesehen hatten.

Durch die Fenster fiel mattes Licht ein, das helle Flecken auf den schmutzigen Boden zauberte. Ben kam der Keller sehr groß vor, viel zu groß, so als müsse irgendeine optische Täuschung vorliegen. Unter der Decke eine Menge staubiger Rohre.

Die dicken Heizungsrohre waren rostig, und von den Wasserrohren hingen schmutzige weiße Stoffetzen herab. Auch hier unten stank es, ähnlich wie unter der Veranda, nur noch stärker. Ein übler Geruch, dachte Ben. Ein irgendwie bösartiger Geruch. Es ist hier, o ja.

Bill ging auf die Treppe zu, und die anderen folgten ihm. Er spähte unter die Stufen und angelte mit dem Fuß etwas hervor. Sie starrten es wortlos an. Es war ein großer weißer Clownhandschuh, verstaubt und schmutzig.

»G-G-Gehen wir r-rauf«, sagte Bill.

In der alten Reihenfolge stiegen sie die Treppe hinauf und kamen in eine schmutzige Küche. Ein einfacher Stuhl mit gerader Lehne stand einsam mitten auf dem welligen, rissigen Linoleum. In einer Ecke lagen leere, teilweise zerschlagene Flaschen. Weitere konnte Ben in der Speisekammer sehen. Es stank nach Fusel und abgestandenem Zigarettenrauch. Diese Gerüche herrschten vor, aber auch jener andere Geruch war da. Er wurde sogar immer stärker.

Beverly ging zu den Küchenschränken und öffnete einen davon. Sie schrie laut auf, als eine schwarzbraune Ratte heraussprang, ihr fast ins Gesicht. Die Ratte schlug auf dem Boden auf. Immer noch schreiend, hob Beverly die Schleuder und spannte sie.

»nein!« schrie Bill.

Sie drehte sich mit bleichem, entsetztem Gesicht nach ihm um. Dann nickte sie und ließ die Arme wieder sinken. Sie wich langsam zurück, stieß gegen Ben und zuckte erschrocken zusammen. Er legte fest den Arm um sie.

Die Ratte schaute sich mit ihren schwarzen Augen um, rannte in die Speisekammer und war verschwunden.

»Es wollte, daß ich auf die Ratte schieße«, murmelte Beverly mit schwacher Stimme. »Daß ich die Hälfte unserer Munition verbrauche. Ich schaff das nicht, Bill. Ich werde alles vermasseln. Hier. Nimm du sie lieber.« Sie streckte ihm die Schleuder hin, aber Bill schüttelte den Kopf.

»Du m-m-mußt, B-Beverly.«

Aus einem anderen Schrank war Piepsen zu hören.

Richie ging darauf zu.

»Geh nicht zu nahe ran!« schrie Stan. »Es könnte...«

Richie warf einen Blick hinein, und ein Ausdruck tiefsten Ekels überzog sein Gesicht. Er schlug die Tür so heftig zu, daß es im ganzen Hause gespenstisch widerhallte.

»Ein Wurf Junge«, berichtete Richie mit gepreßter Stimme. »Der größte Wurf, den ich je sah... den überhaupt jemand je sah.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Mein Gott, da drin sind Hunderte davon.« Er sah sie mit zuckendem Mundwinkel an. »Ihre Schwänze... sie waren alle ineinander verknotet. Zusammengeknotet.« Er schnitt eine Grimasse. »Wie Schlangen. Sich windende Schlangen.«

»O Gott, das ist ja schrecklich«, flüsterte Beverly.

Sie starrten alle auf die Schranktür. Das Piepsen war jetzt leiser, aber immer noch deutlich zu hören. Ratten, dachte Ben, als er Bills weißes Gesicht und dahinter Mikes aschgraues sah. Jeder hat Angst vor Ratten. Und das weiß Es.

»K-Kommt«, sagte Bill.

Sie gingen den Flur entlang. Hier stank es nach Feuchtigkeit, Schimmel und Urin. Sie konnten durch die schmutzigen bleiverglasten Fenster die Neibolt Street und ihre abgestellten Räder sehen. Ben hatte den Eindruck, als seien die Räder tausend Meilen weit entfernt, als schaue er durch das falsche Ende eines Fernglases. Die menschenleere Straße mit den großen Löchern im Asphalt, der bleiche Himmel, das stetige Ding-ding-ding einer Lokomotive auf einem Nebengleis... das alles kam ihm wie ein Traum vor, wie eine Halluzination. Real war nur noch dieser schmutzige Flur mit seinem Gestank und seinen dunklen Ecken.

Bill stieß eine Tür auf der linken Seite auf, und sie folgten ihm in einen feuchten gruftartigen Raum, der vielleicht früher einmal das Wohnzimmer gewesen war. Eine zerknitterte grüne Hose hing an den Stromkabeln, die aus der Decke ragten. Wie der Keller, so kam auch dieser Raum Ben viel zu groß vor; fast so lang wie ein Güterwagen. Viel zu lang für ein Haus, das von draußen so klein ausgesehen hatte...

Oh, aber das war draußen, sagte ihm eine innere Stimme. Es war eine spaßige, quiekende Stimme, und Ben wußte plötzlich mit niederschmetternder Gewißheit, daß er die Stimme von Pennywise höchstpersönlich hörte; Pennywise hatte zu ihm eine Art geistigen Funkkontakt. Von draußen sieht alles immer viel kleiner aus als in Wirklichkeit, nicht wahr, Ben?

»Geh weg!« flüsterte er.

Richie drehte sich nach ihm um, immer noch bleich und verstört. »Hast du etwas gesagt, Ben?«

Ben schüttelte den Kopf. Die Stimme war weg. Das war wichtig und gut. Aber

(von draußen)

er hatte verstanden. Dieses Haus war ein besonderer Ort, eine Art Station - es war einer jener Plätze in Derry, vielleicht einer von sehr vielen, wo seine Welt sich mit der ihrigen kreuzte; einer der Plätze, wo Es sich einen Weg in die Welt des Lichtes zu bahnen vermochte. Dieses stinkende, verkommene Haus. Und es war... irgendwie war es überhaupt kein gewöhnliches Haus. Es war so, als stimme

(sieht alles immer viel kleiner aus als in Wirklichkeit)

hier irgendwie nichts. Nicht nur, daß das Haus viel zu groß war: Die Winkel stimmten nicht, die Perspektiven widersprachen jeder Vernunft. Er war dicht bei der Türschwelle des Wohnzimmers stehengeblieben, und die anderen entfernten sich von ihm, und der Abstand zu ihnen kam ihm jetzt fast so groß vor wie der ganze Memorial Park... aber während sie sich von ihm entfernten, schienen sie immer größer statt kleiner zu werden. Der Fußboden schien sich zu neigen, und...