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Aber er hatte es versprochen. Versprochen.

»Myra, hör mir zu«, sagte er, bewußt trocken, sachlich und nüchtern.

Sie sah ihn mit ihren nassen, nackten Augen an.

»Du gehst morgen zu Phil ins Büro. So gegen sechs. Und du erklärst ihm, daß du Pacino chauffieren wirst...«

»Eddie, ich kann nicht!« heulte sie. »Er ist ein großer Star, und wenn ich etwas falsch mache, wird er mich anbrüllen, er wird mich anbrüllen, das tun sie alle, und... und... ich werde weinen... es könnte ein Unfall passieren ... ich weiß, daß ich's nicht schaffe... Eddie... Eddie, bitte...«

»Hör auf, Myra!«

Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte - gekränkt, verletzt -, aber obwohl Eddie seinen Aspirator fest umklammerte, wußte er, daß er ihn jetzt nicht verwenden durfte. Sie würde es sehen, und das würde ihr einen Vorteil verschaffen. Lieber Gott, ich will sie nicht kränken, ich will sie nicht verletzen, aber ich habe es versprochen, wir alle haben es versprochen, wir haben es mit Blut geschworen, bitte, lieber Gott, ich muß es tun...

»Ich hasse es, wenn du mich anschreist, Eddie«, flüsterte sie.

»Wenn du dich... nun ja, ein wenig beherrschst, brauche ich es nicht zu tun«, sagte er, und sie schluchzte wieder verletzt auf. Ich bringe dir deine Pillen, sagten ihre Augen vorwurfsvoll, ich stelle dir die Gummischuhe heraus, wenn es regnet - oder wenn es nach Regen aussiehtund du verletzt mich, Eddie. Du verletzt mich.

Plötzlich sah er zusammenhanglos das Gesicht Henry Bowers' vor seinem geistigen Auge. Es war das erste Mal seit Jahren, daß er an Bowers gedacht hatte, und das ängstigte ihn mehr als alles andere.

Er schloß kurz die Augen, öffnete sie dann und sagte:

»Du wirst nichts falsch machen, und er wird dich nicht anbrüllen. Mr. Pa-cino ist sehr nett, sehr verständnisvoll.« Er hatte Pacino noch nie chauffiert, und jetzt verfluchte er die Tatsache, daß er die großen Berühmtheiten immer für sich selbst aufgehoben hatte, weil es schließlich sein Geschäft war, das er beharrlich ausgebaut hatte; angefangen hatte er mit einem einzigen vier Jahre alten Fleetwood, der zum größten Teil der Chase Manhattan Bank gehörte, und nun besaß er eine Flotte von 30 Limousinen. >Kaspbrak Li-mousine< gehörte zu den größten Unternehmen dieser Art in der Großstadt New York, es war fast so groß wie >Playboy<. Und demnächst würde es größer sein.

»Ist er das wirklich?« fragte sie schüchtern.

»Ja. Und es ist ganz einfach. Du bringst ihn morgen abend um sieben Uhr vom St. Regis zu den ABC-Studios. Um elf stehst du vor den ABC-Studios -sie drehen dort irgendwelche Spezialszenen - und holst ihn ab. Du bringst ihn ins St. Regis zurück und fährst nach Hause. Das ist alles. Das schaffst du doch mit der linken Hand, Marty.«

Normalerweise kicherte sie immer über diesen Kosenamen, aber heute sah sie ihn nur mit quälenden Zweifeln an.

»Und was ist, wenn er zum Abendessen ausgehen möchte?« fragte sie. »Hinterher, meine ich. Oder wenn er irgendwo was trinken möchte.«

»Das glaube ich nicht, aber wenn es der Fall sein sollte, bringst du ihn hin. Dann kannst du Phil per Funk anrufen, und er wird jemanden schicken, der Pacino abholt. Du wirst höchstwahrscheinlich um Mitternacht im Bett liegen, spätestens um eins. Dafür garantiere ich.«

Er räusperte sich und beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Und die Geisterstimme seiner Mutter flüsterte: Sitz nicht so da, Eddie. Es ist nicht gut für deine Haltung. Und ebensowenigfür deine Lunge.

Er setzte sich wieder aufrecht hin, ohne zu wissen weshalb, ohne sich der Tatsache bewußt zu sein, daß er immer noch seiner toten Mutter gehorchte.

»Wenn du morgen ins Büro kommst«, sagte er, »erklärst du Phil, daß ich in einer dringenden persönlichen Angelegenheit plötzlich verreisen mußte. Es wird das einzige Mal sein, daß du chauffieren mußt, Marty. Phil kann den Plan abändern, wenn es nicht anders geht, er kann Ted aus dem Urlaub zurückrufen, oder er kann ein paar Aushilfskräfte einstellen. Aber du weißt ja selbst, wie ausgebucht wir gerade jetzt sind. Morgen ist außer dir einfach niemand verfügbar.«

»Was für eine dringende persönliche Angelegenheit?« fragte sie. »Wer hat dich angerufen, Eddie?«

Scheinwerferlichter fluteten über die Eßzimmerwand; er konnte sie durch den Bogengang sehen. Eine Hupe ertönte. Eddie erhob sich.

»Mein Taxi...«

Sie sprang so schnell auf, daß sie über den Saum ihres Nachthemds stolperte; er mußte sie festhalten, und um ein Haar wären sie beide gestürzt, denn sie wog etwa hundert Pfund mehr als er. Und sie begann schon wieder zu heulen.

»Eddie, du mußt es mir sagen, ich habe solche Angst... was ist los?«

»Ich kann es dir nicht sagen.«

»Warum nicht?« Sie schluchzte. »Du hast mir doch noch nie etwas verheimlicht, Eddie. Warum nicht? Biiiitte!«

»Ich erinnere mich selbst nicht an alles«, sagte er, wehrte sie ab, so gut er konnte, und griff nach seinem Gepäck. »Noch nicht. Es war ein alter Freund. Er...«

»Du wirst krank werden«, fiel sie ihm verzweifelt ins Wort. »Ich weiß es. Laß mich mitkommen, Eddie, bitte, ich werde auf dich aufpassen, Pacino kann ein Taxi oder irgend so was nehmen, das geht doch, ja?« Ihre Stimme wurde immer schriller, aufgeregter, und zu Eddies Entsetzen sah sie seiner Mutter von Minute zu Minute ähnlicher - aber seiner Mutter, wie sie kurz vor ihrem Tod gewesen war, fett und verrückt.

»Ich werde dir den Rücken waschen und darauf achten, daß du deine Tabletten einnimmst... ich... ich werde dir helfen... du kannst mir doch alles sagen... Eddie... Eddie, geh nicht fort! Bitte, Eddie! Biiiitte!«

Er stolperte blindlings den Flur entlang, mit eingezogenem Kopf, wie ein Mann, der sich gegen starken Wind vorwärtskämpft. Er keuchte wieder. Jedes seiner Gepäckstücke schien hundert Pfund zu wiegen. Er spürte ihre Hände auf seinem Körper, spürte, wie sie ihn zurückzuziehen versuchte, wie sie ihn mit ihren Tränen, ihrer Hilflosigkeit, ihrer Fürsorge dazu bringen wollte, sein Versprechen zu brechen.

Ich schaff s nicht, dachte er verzweifelt. Sein Asthma wurde immer schlimmer, schlimmer als seit Jahren (vielleicht war es seit seiner Kindheit nicht mehr so stark gewesen, aber es war seltsam - er erinnerte sich nur an so weniges aus dieser Zeit). Die Tür schien endlos weit entfernt zu sein.

»Wenn du hierbleibst, backe ich dir einen Sauerrahm-Mokkakuchen«, winselte sie. »Wir machen Popcorn... ich mache einen Kürbisauflauf... Truthahn mit Sauce... Eddie, bitte, ich habe solche Angst, du jagst mir solche Angst ein!«

Sie packte ihn am Kragen und zerrte ihn zurück. Mit letzter Kraft riß er sich los.

»Laß mich gehen]« schrie er.

Sie stieß einen hohen Jammerlaut aus.

Seine Finger packten den Türknauf - wie himmlisch kühl er war! Er öffnete die Tür und sah das Taxi auf der Auffahrt stehen. Es war ein kühler Abend, und er sah die Wolkenkratzer von Manhattan jenseits des Flusses wie strahlende Traumgebilde aufragen.

Sein Atem ging keuchend und pfeifend, als er sich nach Myra umdrehte.

»Du mußt begreifen, daß dies nicht etwas ist, was ich gern tue«, sagte er. »Bitte, Marty, versteh das. Ich komme zurück.«

Oh, aber das hörte sich wie eine Lüge an.

»Wann? Wie lange bleibst du fort?«

»Eine Woche, nicht länger. Oder vielleicht zehn Tage.«