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»Ich... ich werd nicht lügen, Daddy«, sagte sie. »Was ist los?« Sie sah ihn jetzt nur noch verschwommen, weil sie Tränen in den Augen hatte.

»Warst du mit einer ganzen Horde Jungs unten in den Barrens?«

Ihr Herz machte einen Riesensatz, und sie starrte wieder auf seine schmutzverkrusteten Stiefel. Der klebrige schwarze Schlamm... Wenn man zu tief hineintrat, saugte er einem den Schuh vom Fuß... und sowohl Bill als auch Richie glaubten, wenn man ganz hineingeriete, würde er einen verschlingen.

»Ich spiele manchmal dort un...«

Klatsch! Seine harte, schwielige Hand landete wieder auf ihrer Wange. Sie schrie vor Schmerz und Furcht auf. Sein Gesichtsausdruck machte ihr Angst, und ebenso die Tatsache, daß er sie nicht ansah. Etwas stimmte nicht mit ihm. In letzter Zeit war es immer schlimmer geworden... und mit neuem Entsetzen wurde ihr klar, daß das so war, seit die Morde in Derry begonnen hatten... seit Es erwacht war. Was ist, wenn er mich umbringen will? Was ist, wenn

(oh, hör auf, Bevvie, er ist dein VATER, und VÄTER bringen ihre Töchter nicht um)

er auch nur die Kontrolle über sich verliert? Was ist, wenn...

»Was hast du diese Kerle mit dir machen lassen?«

»Machen? Was...« Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was er meinte.

»Zieh deine Hose aus!«

Ihre Verwirrung wurde immer größer. Nichts, was er sagte, schien irgendeinen Zusammenhang zu haben. Ihr war schon ganz schwindlig von dem Versuch, ihm geistig zu folgen... sie fühlte sich regelrecht seekrank.

»Was... warum... ?«

Er hob die Hand, und sie zuckte angsterfüllt zusammen. »Zieh sie aus, Bevvie. Ich möchte nachschauen, ob du noch unberührt bist.«

Unberührt - was bedeutete das? Ein neues, völlig aberwitziges Bild drängte sich ihr auf: sie sah sich selbst ihre Jeans ausziehen, und dabei ging auch eines ihrer Beine ab. Ihr Vater prügelte sie durchs Zimmer, während sie versuchte, ihm auf einem Bein hüpfend auszuweichen, und er brüllte: Ich wußte doch, daß du nicht mehr unberührt bist! Ich wußte es! Ich wußte es!

Diesmal schlug er nicht mit der flachen Hand zu, sondern boxte sie mit der Faust in die Schulter. Sie schrie auf. Er zerrte sie hoch, und nun blickte er ihr zum erstenmal direkt in die Augen. Sie schrie wieder auf, als sie seine Augen sah. Da war... nichts. Ihr Vater war verschwunden. Und Beverly begriff plötzlich, daß sie mit ihm allein in der Wohnung war, daß Es an diesem diesigen Augustmorgen allein mit ihr hier war. Diesmal ging vom ihm nicht jene Macht und jenes unverhüllt Böse aus wie vor zwei

Wochen in dem Haus an der Neibolt Street - irgendwie wurde Es durch die ursprüngliche Menschlichkeit ihres Vaters abgeschwächt, aber Es war da, war durch ihren Vater am Werk.

Er schleuderte sie beiseite. Sie prallte gegen das Kaffeetischchen, stolperte und fiel mit einem Aufschrei zu Boden. So also passiert es, dachte sie. Ich muß es Bill erzählen, damit er es auch begreift. Es ist überall in Derry. Es... Es füllt einfach jedes Vakuum, das ist alles.

Sie drehte sich auf den Rücken. Ihr Vater kam auf sie zu. Sie rutschte auf dem Hosenboden weg. Ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, in die Augen.

»Ich weiß, daß du dort unten gewesen bist«, sagte er. »Man hat es mir erzählt. Ich hab's nicht geglaubt. Ich konnte einfach nicht glauben, daß meine Bevvie sich mit einer Horde Jungs herumtreibt. Aber heute morgen habe ich es mit eigenen Augen gesehen. Meine Bevvie treibt sich mit einer Horde Jungs herum. Und das mit zehn Jahren!« Dieser Gedanke versetzte ihn wieder in Rage; er zitterte vor Wut am ganzen Leibe. »Mit zehn Jahren!« brüllte er und versetzte ihr mit einem schmutzigen Stiefel einen Tritt in die Lende. Wieder schrie sie vor Schmerz laut auf. »Mit zehn! Mit zehn! Mit zehn!« brüllte er immer weiter.

Er trat wieder zu, aber diesmal konnte sie ausweichen. Sie waren inzwischen in der Küche angelangt, und sein Stiefel traf die Schublade unter dem Herd und brachte dort die Töpfe und Pfannen zum Klappern.

»Lauf nicht vor mir weg, Bevvie«, rief er. »Laß das lieber - es macht alles nur noch schlimmer, als es ohnehin schon ist. Glaub mir das. Glaub deinem Dad. Dies ist eine sehr ernste Sache. Sich im Alter von zehn Jahren mit Jungen herumzutreiben, sie Gott weiß was alles mit sich machen zu lassen - mit zehn! - das ist eine sehr ernste Sache!«

Er griff nach ihr und zerrte sie an den Schultern hoch.

»Du bist ein hübsches Mädchen«, sagte er. »Es gibt jede Menge Leute, die nur allzugern ein hübsches Mädchen ins Verderben stürzen wollen. Und es gibt eine Menge hübscher Mädchen, die sich bereitwillig dazu hergeben. Hast du diesen Kerlen als Dirne gedient, Bevvie?«

Jetzt endlich begriff sie. Sie begriff, welchen Gedanken Es ihm in den Kopf gesetzt hatte... im tiefsten Innern, halb verdrängt, glaubte sie allerdings, daß er solche Gedanken und Befürchtungen schon immer gehabt hatte, daß Es sich nur der bereits vorhandenen Werkzeuge bedient hatte, die sozusagen gebrauchsfertig bereitlagen.

»Nein, Daddy! Nein, Daddy, nein...«

»Ich habe gesehen, daß du geraucht hast!« brüllte er, und diesmal schlug er mit dem Handrücken so fest zu, daß sie sich ein paarmal um sich selbst drehte, bevor sie gegen den Küchentisch prallte und sich an dessen Chromkante die Wirbelsäule heftig anschlug. Salz- und Pfefferstreuer fielen vom Tisch. Der Pfefferstreuer zerbrach. Der Schmerz raubte ihr fast den Atem. Sie sah Sterne vor den Augen, und in ihren Ohren war ein dumpfes Sausen. Sie sah sein Gesicht. Etwas in seinem Gesicht. Er starrte auf ihre Brust. Sie bemerkte erst jetzt, daß ihre Bluse aus den Jeans gerutscht war und einige Knöpfe aufgegangen waren, und sie dachte auf einmal daran, daß sie keinen Bh trug... sie besaß noch gar keinen. Sie zog die Bluse über ihren Brüsten zusammen, und plötzlich hatte sie wieder jene Szene vor Augen, als Bill ihr im Haus an der Neibolt Street sein Hemd gegeben hatte. Sie war sich bewußt gewesen, daß ihre Brüste sich unter der dünnen Baumwolle abzeichneten, aber die verschämten Seitenblicke ihrer Freunde hatten sie nicht gestört; sie waren ihr völlig natürlich vorgekommen. Und seine Blicke hatten ihr sogar gefallen, hatten ihr das Herz erwärmt.

Schuldgefühle stiegen plötzlich in ihr auf, vermischten sich mit ihrer Angst. Hatte ihr Vater denn so ganz unrecht? Waren ihr nicht solche Gedanken gekommen? Schlechte Gedanken? Hatten diese Gedanken nicht etwas mit dem zu tun, was er ihr vorwarf?

DM hast das Erwachen eines Impulses gespürt - etwas, das Gott in dich hineingelegt hat. Das ist nicht dasselbe. Es ist keineswegs dasselbe wie die Art und Weise, in der er dich jetzt ansieht. Es ist nicht dasselbe, absolut nicht dasselbe.

Sie zog ihre Bluse noch fester über der Brust zusammen.

»Warum tust du das?« fragte er.

»Ich... ich weiß nicht«, antwortete sie. »Daddy, wir spielen doch nur. Sonst nichts. Wir spielen... wir... wir machen nichts... nichts Schlimmes. Wir...«

»Du hast geraucht, das habe ich mit eigenen Augen gesehen!« wiederholte er und kam erneut auf sie zu. Sein mageres Gesicht hatte sich mit Röte überzogen, als sie ihre Bluse raffte, aber seine Blicke schweiften immer noch unruhig über ihre Brust und ihre schmalen, unentwickelten Hüften. Plötzlich stimmte er mit einer hohen Schuljungenstimme, die ihr noch mehr Angst einjagte, folgende Litanei an: »Ein Mädchen, das Kaugummi kaut, wird auch rauchen... und ein Mädchen, das raucht, wird auch trinken... und ein Mädchen, das trinkt - na ja, jeder weiß, was ein solches Mädchen tun wird.«