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Und plötzlich machte sie einen Ausfall zum Bett, zum Toilettentisch auf ihrer Bettseite. Ihre Schultern waren rot von den Schlägen. Ihre Haare glichen lodernden Flammen. Er folgte ihr schwerfällig; er war langsamer, sehr groß und dick; bis vor zwei Jahren hatte er Squash gespielt, aber dann hatte er sich eine Sehnenzerrung zugezogen, und seitdem war sein Gewicht ein wenig außer Kontrolle geraten... oder, besser gesagt, nicht ein wenig, sondern sehr stark. Er erschrak etwas, als er feststellte, daß er völlig außer Atem war.

Sie erreichte den Toilettentisch, griff nach etwas... drehte sich um... und plötzlich schwirrten seltsame Flugkörper durch die Luft. Sie schleuderte Kosmetikartikel nach ihm - Cremedöschen, Parfumflaschen. Eine Flasche Chantilly traf seinen nackten behaarten Brustkorb, und er wurde plötzlich von einer betäubenden Duftwolke eingehüllt.

»Hör auf!« brüllte er. »Hör auf, du verdammtes Luder!«

Ihre Augen schleuderten Blitze. Sie packte blindlings, was ihr unter die F inger kam und warf es nach ihm.

Er griff sich fassungslos an die Brust, wo die Chantillyflasche ihn getroffen hatte. Der Glasrand der Flasche hatte ihn verletzt. Es war nur eine kleine Schnittwunde, kaum mehr als ein dreieckiger Kratzer, aber er blutete, bei Gott, er blutete, und eine gewisse rothaarige Lady würde den Sonnenaufgang in einem Krankenhausbett erleben, eine gewisse rothaarige Lady, die...

Eine Cremedose traf ihn mit überraschender Kraft oberhalb der rechten Augenbraue; einen Moment lang tanzten Sterne vor seinen Augen, und er taumelte ein-zwei Schritte zurück.

Eine Niveacremetube traf seinen Bierbauch - und - das war doch wohl nicht möglich! Allmächtiger Gott, sie schrie ihn an!

»Ich komme hier schon raus, du Dreckskerl! Ich muß etwas Wichtiges erledigen, und ich gehe! Ich gehe! Hörst du, Tom? ICH gehe!«

Etwas Rotes floß ihm ins Auge, heiß und salzig. Auch seine schmerzende Stirn blutete also.

Einen Augenblick stand er wie versteinert da und starrte sie an, als hätte er sie noch nie gesehen. In gewissem Sinne war das auch tatsächlich der Fall. Ihre Brüste hoben und senkten sich rasch. Ihr Gesicht, eine Mischung aus fahler Blässe und glühender Röte, war von erschreckender Wildheit. Sie hatte ihre ganze Munition verschossen - der Toilettentisch war jetzt leer. Er konnte die Angst in ihren Augen lesen - aber es war nicht Angst vor ihm.

»Leg die Kleider zurück«, sagte er und bemühte sich, beim Sprechen nicht zu keuchen. Das würde einen schlechten Eindruck machen. Und seine Kopfschmerzen waren wieder da - schlimmer als zuvor. »Dann bringst du den Koffer an seinen Platz zurück. Dann legst du dich in dieses Bett. Und vielleicht werde ich dich dann nicht allzusehr verprügeln, Bev. Vielleicht wirst du schon nach zwei Tagen aus dem Haus gehen können anstatt nach zwei Wochen.«

Sie sah ihn an und sprach sehr langsam und deutlich. »Tom, wenn du mir noch einmal nahe kommst, bringe ich dich um. Verstehst du das, du ekelhafter elender Fettwanst? Ich bringe dich um.«

Und plötzlich - vielleicht aufgrund des grenzenlosen Ekels in ihrem Gesicht, vielleicht aufgrund der Verachtung oder auch nur aufgrund der rebellisch wirkenden Art und Weise, wie ihre Brüste sich hoben und senkten -plötzlich überfiel ihn wieder die Angst, jene schreckliche Angst... keine Frau konnte... seine Mutter... keine Frau...

Tom Huggins kam auf seine Frau zu. Diesmal brüllte er nicht. Er näherte sich ihr schweigend. Jetzt ging es nicht mehr darum, sie zu verprügeln oder zu unterjochen; jetzt wollte er sie umbringen.

Er dachte, sie würde versuchen wegzurennen. Vermutlich ins Bad, vielleicht auch zur Treppe. Statt dessen blieb sie stehen, wo sie war. Ihre Hüfte prallte gegen die Wand, als sie unter Aufbietung aller Kräfte den Toilettentisch an einer Seite hochstemmte, wobei sie sich zwei Nägel tief einriß, weil ihre verschwitzten Finger etwas ausglitten. Bei dem Toilettentisch handelte es sich um eine billige Ausführung aus dünnen Spanplatten. Wäre er schwerer gewesen, so hätte er niemals eine wirksame Waffe sein können.

So aber hielt sie ihn an einer Seite hoch, drehte ihn etwas, und als Toms Arme vorschössen wie plumpe Kolben, kippte sie den Toilettentisch mit seinem großen ovalen Spiegel nach vorne. Im Innern klirrten Flaschen. Die Vorderkante traf Toms Oberschenkel wie eine Guillotine. Er stürzte zu Boden. Sie sah, wie er entsetzt die Augen aufriß und mit dem Ellbogen sein Gesicht zu schützen versuchte, als der Spiegel auf ihn fiel. Er schrie. Der Riemen schlug auf dem Teppich auf.

Jetzt erst kamen ihr die Tränen. Sie schluchzte. Von Zeit zu Zeit hatte sie sich ausgemalt, daß sie Tom und seine Tyrannei verlassen würde wie die ihres Vaters, daß sie sich nachts mit Sack und Pack davonstehlen würde. Sie war nicht dumm, mit Sicherheit nicht dumm genug, um zu glauben, daß sie Tom nie geliebt hatte. Sogar jetzt noch, inmitten all der Scherben, liebte sie ihn irgendwie. Aber das schloß die Angst nicht aus... auch nicht den Haß. Deshalb herrschte in ihrem Innern ein wilder Aufruhr, und sie schluchzte und fühlte, daß sie bald anfangen würde zu schreien.

Aber durch diesen inneren Aufruhr hindurch drang plötzlich Mike Han-ions trockene, ruhige Stimme: ES ist zurückgekehrt, Beverly... ist zurückgekehrt ... zurückgekehrt... und du hast versprochen...

Mein Gott, wie hatte sie nur ihr Leben so verpfuschen können! Und das Allerschlimmste war vielleicht, daß sie auch noch geglaubt hatte, glücklich zu sein.

Der Toilettentisch bewegte sich auf und ab, als ob er atmete - einmal, zweimal.

Mit nach unten verzogenen, krampfhaft zuckenden Mundwinkeln zwang sie sich zum Handeln. Behende bahnte sie sich auf Zehenspitzen einen Weg durch die Glasscherben und packte ein Ende des Gürtels, gerade als Tom den Toilettentisch zur Seite hievte.

Sie verlagerte ihr Gewicht nach hinten und riß mit aller Kraft an dem Riemen. Die Schlinge glitt so leicht von seiner Hand, daß sie gegen die Wand taumelte und sich den Hinterkopf anschlug. Einen Moment lang verschwamm ihr alles vor den Augen. Der Druck von Klee, den aufzuhängen Tom ihr erst nach langem Bitten erlaubt hatte (»Das Bild sieht so aus, wie ich mich fühle, wenn ich einen Kater habe«, hatte er gesagt. »Warum zum Teufel sollte ich immer so 'nen verdammten Kater anschauen wollen, Bev?«), fiel zu Boden. Der Glasrahmen zerbrach. Noch mehr Zeug zum Zusammenkehren, dachte sie und konnte ein irres Gelächter nicht unterdrücken.

Tom stand mühsam auf. Der Spiegel hatte ihn am Kopf getroffen, und er hatte neue Schnittwunden auf beiden Wangen und auf der Stirn - vom linken Haaransatz zur rechten Braue. Blut floß ihm ins Auge, so daß er sie anstierte wie ein einäugiger Pirat. Auch seine Boxershorts waren blutbefleckt. Er sah aus wie ein Irokese nach irgendeinem unheimlichen Stammesritual.

»Gib mir den Gürtel«, sagte er heiser.

Statt dessen wickelte sie ihn zweimal um ihre Hand und sah ihn herausfordernd an.

»Schluß jetzt, Bev! Hör jetzt endlich auf mit dem Unsinn.«

»Wenn du einen Schritt näher kommst, prügle ich dir die Scheiße aus dem Arsch«, sagte sie und konnte nicht glauben, daß das ihre eigenen Worte gewesen waren. Wessen Gesicht war das? Toms Gesicht? Oder das ihres Vaters? O Gott! O Gott, hilf mir, o Gott, hilf mir jetzt...

»Ich prügle die Scheiße aus dir raus!« sagte diese andere Beverly. »Du bist fett und langsam, Tom. Ich gehe. Ich glaube, ich gehe für immer. Alles ist vorüber, glaube ich.«

»Wer ist dieser Denbrough?«

»Vergiß es. Ich war...«

Sie erkannte erst im allerletzten Moment, daß seine Frage nur ein Ablenkungsmanöver gewesen war. Er machte wieder einen Schritt auf sie zu, und sie ließ den Gürtel in weitem Bogen vor ihren Augen durch die Luft sausen, und das Geräusch, mit dem er auf Toms Mundpartie landete, glich dem eines Korkens, der aus der Flasche gezogen wird.