»Wo?« fragt er, und jenes harte Ding berührt die Innenseite ihrer Schenkel.
»Hier«, sagt sie, greift behutsam nach ihm und weist ihm den Weg. Er stößt zu schnell zu, und es tut weh.
Sie beißt sich auf die Unterlippe und zieht zischend die Luft ein
(zieh deine Hose aus)
und denkt wieder an die Vögel, die Frühlingsvögel auf den Dächern, die unter den tiefhängenden Märzwolken alle zur gleichen Zeit auffliegen.
»Beverly«, flüstert er unsicher. »Ist alles in Ordnung?«
»Langsam«, sagt sie, und nun bewegt er sich langsam in ihr.
Er gibt einen Laut von sich. Ihr Schmerz vergeht. Er bewegt sich. Sie fühlt, daß das für ihn etwas ganz Besonderes, etwas Außerordentliches und Herrliches ist... etwas wie... wie Fliegen. Sie ist ganz durchdrungen von einem Gefühl der Macht, des Triumphes. Ist es das, wovor ihr Vater solche Angst hatte? Nun, vielleicht hatte er in gewisser Hinsicht nicht einmal so unrecht. Von diesem Akt geht wirklich eine Macht aus, eine überwältigende Kraft bis ins tiefste Innere. Sie verspürt keine echte physische Lust, aber sie befindet sich in einer Art geistiger Ekstase. Sie spürt die Nähe, das absolute Verbundensein. Er bewegt sich in ihr vor- und rückwärts, und sie hält ihn in den Armen. Und dann spürt sie, noch während er sich bewegt, wie jener Teil von ihm, der die Verbindung zwischen ihnen geschaffen hat, schrumpft, irgendwie kleiner wird.
Als er sich hochstemmt, setzt sie sich auf und berührt im Dunkeln sein Gesicht.
»Hast du?«
»Was?«
»Was auch immer es sein mag. Ich weiß es nicht genau.«
Er schüttelte den Kopf - sie fühlt es, weil ihre Hand auf seiner Wange liegt.
»Aber es war... es war wunderschön.« Er redet leise, damit die anderen ihn nicht hören können, und dann spricht er aus, was sie vermutet hat: »Es war wie Fliegen. Ich... ich liebe dich, Bevvie.«
»Ich liebe dich auch, Stan.« Sie umarmt und küßt ihn.
Dann trübt sich ihr Bewußtsein ein wenig. Sie ist sich ganz sicher, daß sie die Jungen reden hört, teils laut, teils im Flüsterton, aber sie nimmt nicht richtig auf, was sie sagen. Es spielt auch feine Rolle. Muß sie sie von neuem dazu überreden? Ja, vermutlich. Aber auch das spielt feine Rolle. Sie müssen dazu überredet werden, zu diesem wesentlichen Akt, der das menschliche Bindeglied zwischen der Welt und der Unendlichkeit darstellt, diesem einzigen Akt, bei dem der Blutkreislauf die Ewigkeit berührt. Alles andere spielt jetzt keine Rolle.
Mike kommt zu ihr, dann Richie, und der Akt wiederholt sich. Jetzt verspürt sie auch schwache Lust, ein vages Hitzegefähl in ihren kindlichen, noch nicht reifen Geschlechtsorganen, und sie schließt die Augen, als Eddie zu ihr kommt, und sie denkt an die Vögel, an Frühling und an die Vögel, und sie sieht sie wieder und immer wieder, wie sie bei Frühlingsbeginn die noch winterkahlen Bäume füllen, wie sie auf liegen, wie sie mit den Flügeln schlagen und dabei ein Geräusch erzeugen wie Wäsche auf der Leine im Wind, und sie denkt: Nur noch ein Monat, und dann werden alle Kinder im Fairmount-Park Drachen steigen lassen. Sie denkt wieder: So muß Fliegen sein.
Und auch bei Eddie spürt sie jenes Schrumpfen seines Gliedes, bei dem sie das eigenartige Gefühl eines Verlustes hat, und sie fühlt, daß auch er jenes Letzte-jenen Gipfel, wie immer er auch aussehen mag - dieses Aktes nicht erreicht hat.
»Hast du? «fragt sie ihn trotzdem, obwohl sie schon weiß, daß er es nicht gefunden hat, jenes endgültige >es<, von dem sie selbst nicht genau weiß, was es ist.
Nach einer langen Wartezeit kommt Ben Hanscom zu ihr.
Er zittert am ganzen Leibe, aber es ist nicht das ängstliche Zittern, das Stan geschüttelt hatte.
»Beverly, ich kann nicht«, sagt er.
»Aber du willst. Das fühle ich.«
Und das stimmt auch. Unterhalb seines weichen Bauches spürt sie wieder jenes harte Ding, und seine Größe erregt bei ihr eine gewisse Neugier, und sie berührt es behutsam. Er stöhnt an ihrem Hals, und der Hauch seines Atems jagt ihr plötzlich eine Hitzewelle durch den ganzen Körper - das Gefühl in ihr ist auf einmal sehr stark; sie erkennt, daß es eigentlich zu groß,
(und er ist groß, kann sie dieses große Ding in sich aufnehmen?)
zu erwachsen für sie ist, ein mächtiges Gefühl, das in Siebenmeilenstiefeln dahinzustürmen scheint.
»Beverly, nein...«
»Doch.« »Ich...«
»Zeig mir, wie man fliegt«, flüstert sie mit gespielter Ruhe; sie spürt auf ihrer Wange und auf ihrem Hals eine nasse Wärme und erkennt, daß er weint. »Zeig es mir, Ben.«
»Nein...«
»Wenn du das Gedicht geschrieben hast, dann zeig mir auch, wie man fliegt. Du kannst gern meine Haare berühren, wenn du möchtest, Ben.«
»Beverly... ich... ich...«
Er zittert jetzt nicht einfach, sondern es schüttelt ihn regelrecht. Aber sie fühlt wieder, daß es nicht Angst ist. Sie denkt an (die Vögel) sein Gesicht, sein liebes, süßes, ernsthaftes Gesicht und weiß, daß es nicht Angst ist, die ihn erzittern läßt - es ist sein Begehren, ein tiefes, leidenschaftliches Begehren, das er jetzt kaum noch unterdrücken kann, und wieder verspürt sie jenes Gefühl der Macht und eines Hochflugs - Leidenschaft, o ja, das mußte es sein, Leidenschaft war die Quelle jener Hitze, der Ort, an dem man fliegen lernte.
»Ben! Ja!« ruft sie nicht ohne Angst, und nun endlich gibt er nach.
Es tut weh, und im ersten Moment erschrickt sie und hat das Gefühl, zermalmt zu werden. Dann stützt er sich auf seine Handflächen, und jenes Gefühl vergeht.
Er ist groß, o ja - der Schmerz ist stärker als vorhin, als Stan zum erstenmal in sie eindrang, und sie muß sich wieder auf die Unterlippe beißen und an die Vögel denken, bis das Brennen nachläßt. Aber es läßt nach, es hört ganz auf, und sie kann ihre Hand heben und mit einem Finger zärtlich seine Lippen berühren, und er stöhnt.
Und dann verspürt sie wieder jene Hitze, und ihre Kraft und Macht überträgt sich nun auf ihn; sie verschenkt sie glücklich und nimmt sie auch glücklich von ihm entgegen. Zuerst ist es ein Gefühl, als würde sie sanft geschaukelt, und es ist so köstlich, so süß, so schwindelerregend, daß sie den Kopf hilflos von einer Seite auf die andere wirft und eine Art Summen zwischen ihren geschlossenen Lippen hervordringt, dies ist Fliegen, dies, und sie versteht es nun ganz, dieses letzte Ritual; während sie sich diesem Etwas nähert, begreift sie schlagartig, was es bedeutet: daß sie mit ihrem Körper ein Bindeglied schafft zwischen dem, was sie heute sind und was sie einmal sein werden, daß dieser Akt nicht nur ihre Körper miteinander verbindet, sondern auch eine eigenartige, aber mächtige Verbindung zwischen Kindheit und Erwachsensein herstellt, zwischen Gegenwart und Zukunft; es ist fast so etwas wie eine Reise durch die Zeit, ein im Dunkeln abgelegtes Gelübde, das sich nicht leugnen läßt, das sie zusammenschweißt, das einen mächtigen Kreis ergibt: geben und nehmen... fliegen.