Er malte seinen Helden immer
Als Muster der Vollkommenheit.
Der Liebling mußte tausend Plagen,
Verfolgung, Haß und Pein ertragen,
War stets an Geist ein Phänomen,
Gefühlvoll und bezaubernd schön.
Im Vollbesitz solch reicher Mittel
Vergießt er, groß an Opfermut,
In stetem Kampf sein edles Blut,
Bis endlich dann im Schlußkapitel
Das schwarze Laster unterliegt
Und, Gott sei Dank, die Tugend siegt.
XII
Doch heut ist unser Sinn umnebelt,
Moral ein überwundner Wahn;
Das Laster, früher fest geknebelt,
Nun triumphiert es im Roman.
Was Englands Musen wild gebären,
Kommt dräuend, unsern Schlaf zu stören:
Der jüngste Backfisch sieht zumal
Im Vampir heut sein Ideal,
In allen Köpfen spukt's gigantisch
Vom ew'gen Juden, vom Korsar,
Vom düstren Melmoth, vom Sbogar.
Lord Byron kam uns hochromantisch
Und hob, der Willkür Ebenbild,
Den Egoismus auf den Schild.
XIII
Wohin, o Freunde, soll das führen?
Kann sein, daß bald ein Gott mich zwingt,
Mein Ränzel als Poet zu schnüren
Und, ob auch Phöbus zürnend winkt
(Ein neuer Dämon wird mich lenken),
Zur schlichten Prosa abzuschwenken.
Dann kehr' ich friedlich im Roman
Zurück zur alten, biedren Bahn,
Und werde keine Spukgeschichten
Von schwarzen Sündern, Gift und Blut,
Nein, nur was harmlos, brav und gut
Am stillen Herd sich spinnt, berichten:
Getreue Lieb' und Herzeleid
Und alte, fromme Redlichkeit;
XIV
Ich bring' vergeßne schlichte Worte,
Vom Vater und vom Ohm gehört,
Erzähl', wie an verborgnem Orte
Sich traf das Pärchen ungestört,
Und führ' es sacht durch Kuß und Freuden,
Durch Eifersucht und Harm und Leiden
Zum frohen Ende Hand in Hand
Beseligt in den Ehestand ...
Und schwelge wieder in den süßen,
Glutvollen Worten, wunderbar,
An denen ich so reich einst war,
Da ich, ein Jüngling noch, zu Füßen
Des heißgeliebten Mädchens saß,
Und die ich, ach, so lang vergaß.
XV
Tatjana, holdes, teures Wesen!
Nun wein' ich mit dir, weil du blind
An den Tyrannen, ach, den bösen,
Dein Schicksal hingabst, armes Kind!
Du gehst zugrunde, liebe Kleine,
Und wirst zuvor dich noch im Scheine
Trügrischer Hoffnung süß ergehn,
Des Lebens Wonnen vor dir sehn,
Den Giftkelch des Verlangens trinken,
In Träumen schweben für und für,
Und allerorten werden dir
Verstecke sel'gen Kosens winken;
Wohin auch deine Schritte fliehn,
Wird dein Versucher mit dir ziehn.
XVI
Nun ist's um Tanjas Ruh' geschehen;
Sie irrt im Garten trüb umher
Und bangt und seufzt, bleibt sinnend stehen,
Starrt vor sich hin und atmet schwer:
Ihr Busen wogt, die Wangen flammen,
Der Kummer preßt ihr Herz zusammen,
Es rauscht und hämmert ihr im Ohr,
Den Blick verhüllt ein Tränenflor ...
Schon breitet Nacht die dunklen Schwingen;
Von droben schaut mit mildem Schein
Der Mond herab; im Fliederhain
Beginnt die Nachtigall zu singen.
Nur Tanja findet keine Ruh'
Und flüstert ihrer Amme zu:
XVII
»Wie schwül ... kein Schlummer will mir kommen!
Das Fenster auf – mich drückt's so schwer.« –
»Was ist dir, Schatz?« – »Nichts – nur beklommen; Erzähl mir etwas, setz dich her.« –
»Ja, was denn, Kind? In Jüngern Tagen,
Da freilich wußt' ich viele Sagen
Aus alten Zeiten, wunderschön,
Von bösen Geistern, guten Feen;
Doch jetzt ist's alle, ich behalte
Rein gar nichts mehr, der Kopf wird dumm,
Die bessern Jährchen sind herum,
Es geht bergab ...« – »Ach, gute Alte,
Besinn dich, was es sonst noch gibt –
Sag, warst du selber mal verliebt?«
XVIII
»Ei Kind! Man hat in unsern Jahren
Nicht erst nach Liebe viel gefragt;
Sonst hätte, wenn sie das erfahren,
Mich auch die Schwieger schön geplagt.« –
»Wie wurdest du denn Braut?« – »Ach, Tanja,
Das kam, wie's Gott so fügt. Mein Wanja
War jünger noch als ich, das Ding
Von dreizehn Jahr. Die Muhme ging
Zwei Wochen lang bei beiden Teilen
Mit Werbung um; zuletzt in Ruh'
Gab Vater seinen Segen zu,
Und ich bekam vor Schreck das Heulen.
Mit Tränen löste man mein Haar,
Und mit Gesang ging's zum Altar.
XIX
So lernt' ich denn die Fremde kennen ...
Ja, hast du denn auch zugehört?« –
»Ach, Amme, meine Schläfen brennen,
Und diese Angst, die mich verzehrt –
Ich könnte weinen ohne Ende! ...« –
»Kind, du bist krank, so heiße Hände –
Allmächt'ger Gott, erbarme dich!
Schnell, schnell, was soll ich holen, sprich ...
Weihwasser wird das Fieber stillen;
Du glühst, bist krank ...« – »Nicht krank – betrübt; Ach, Amme ... hör ... ich bin verliebt.« –
»Gott steh dir bei, um Christi willen!«
Die Alte hebt, vor Schreck gebannt,
Bekreuzigend die greise Hand.
XX
»Ich liebe ...«, seufzt Tatjana wieder
Und birgt ihr fiebernd Angesicht.
»O Kind, du leidest, leg dich nieder.« –
»Ich liebe – laß mich, stör mich nicht.«
Und still und stiller wird's im Zimmer ...
Der Mond läßt seinen sanften Schimmer
Um Tanjas aufgelöstes Haar,
Ihr kummerbleiches Wangenpaar,
Um ihre feuchten Wimpern fließen
Und um die alte, schlichte Frau
In Wams und Häubchen, müd und grau,
Auf niedrem Schemel ihr zu Füßen;
Sein Zauber webt im stillen Raum,
Und alles schweigt und ruht im Traum.
XXI
Und sinnend schaut die Sehnsuchtkranke
Zum Vollmond auf – ihr ist so weh ...
Da kommt ihr plötzlich ein Gedanke:
»Ich will allein sein, Amme, geh.
Erst Feder noch und Tinte, schiebe
Das Tischchen her ... und nun, du Liebe,
Gut Nacht, schlaf wohl.« Sie ist allein.
Das Haupt gestützt, vom Mondenschein
Beleuchtet, schreibt sie, schreibt mit Schmerzen, Im Geist bei seinem teuren Bild,
Und was die krausen Zeilen füllt,
Es strömt aus keuschem Mädchenherzen.
Sie ist am Schluß; nun seufzt sie tief ...
Tatjana, sprich! wem gilt der Brief?
XXII
Ich kannte schöne Weiblichkeiten,
Keusch, unerbittlich, kalt wie Eis,
Unangreifbar, nicht auszudeuten,
Durch nichts gerührt, um keinen Preis.
Bewundernd sah ich ihre Jugend,
Die makellose, strenge Tugend
Und – lief entsetzt von ihnen fort;
Mir schien, als ob das Höllenwort
Auf ihrer Stirn geschrieben stünde:
»Laß alle Hoffnung weit zurück.«
Abstoßend sein heißt ihnen – Glück,
Und Herzen an sich ziehen – Sünde.
Vielleicht sind euch am Newastrand
Solch edler Damen mehr bekannt.