XXIII
Ich sah noch andre stolze Schönen,
Umringt von der Trabanten Schar,
An deren Hochmut Liebessehnen
Und Schmeichelei vergeudet war.
Doch was bemerkt' ich mit Erstaunen?
Erst wiesen sie durch spröde Launen
Den brünst'gen Sklaven rauh zurück,
Um hinterher mit süßem Blick
Das Närrchen wieder anzulocken;
Zumal im Klang der Worte schien
So täuschend echte Gunst zu glühn,
Daß jener, eben noch erschrocken,
Aufs neu vertrauensvoll naiv
Nach seinem holden Irrlicht lief.
XXIV
Ist Tanjas Schuld nun wirklich schlimmer?
Wenn sie, des klaren Blicks beraubt,
Umgaukelt von der Täuschung Schimmer,
An goldne Ideale glaubt?
Wenn sie, beseelt von reinem Triebe,
In ungekünstelt echter Liebe
Sich hingibt dem erträumten Ziel?
Weil Gott ihr Sinnen, ihr Gefühl
Zur Zärtlichkeit, zur Güte lenkte,
Sie mit Verstand und Willenskraft,
Beglückend warmer Leidenschaft
Und einem starken Herz beschenkte?
Soll, was die Unschuld gläubig rein
Zur Irrung führte, Sünde sein?
XXV
Kokette Mädchen ziehen Schranken,
Tatjana liebt naiv und blind
Und überläßt sich ohne Wanken
Der Neigung, wie ein holdes Kind.
Sie sagt nicht: hübsch behutsam, leise,
Das steigert unsre Gunst im Preise,
Fängt auch den Freier sichrer ein;
Erst lassen wir ihn selig sein,
Im Glücksrausch eitler Hoffnung gleiten,
Und stürzen dann sein Herz in Nacht,
Bis Eifersucht ihn rasend macht;
Weil sonst, verwöhnt durch Zärtlichkeiten,
Ein launenhafter junger Mann
Leicht unversehns entwischen kann.
XXVI
Nun kommt mir eins noch ungelegen:
Daß ich Tatjanas Brieferguß
Der nationalen Ehre wegen
Erst förmlich übersetzen muß.
Ihr Russisch konnte wenig gelten,
Journale las sie auch nur selten,
Und schrieb drum, weil sie offenbar,
Des Heimatlauts nicht mächtig war,
Französisch ... Nun, dergleichen Sitten
Sind schuld, wenn unsre Damenwelt
Noch immer nicht für schicklich hält,
Ihr Herz auf russisch auszuschütten:
Die eigne Sprache, stolz und tief,
Ist noch verpönt beim Liebesbrief.
XXVII
Ich weiß, daß man zum Russischlesen
Die Damen drängt. O Unverstand!
Man denke sich ein holdes Wesen,
Den »Wohlgesinnten« in der Hand!
Nein, ihr Poeten sollt mir sagen,
Die ihr in lockren Jugendtagen
Dem Gegenstand der Zärtlichkeit
Manch heimlich süßes Lied geweiht:
War's nicht das reizend ungeschickte,
Halbrussisch-wirre Kunterbunt!
Das, einem roten Mädchenmund
Entsprudelnd, uns so hoch beglückte?
Was fragte unser Herz danach,
Wenn solcher Mund Französisch sprach?
XXVIII
Daß Gott mich bloß davor bewahre,
Auf Bällen mich umringt zu sehn
Von Löckchen, die zum Seminare,
Und Zöpfen, die studieren gehn!
Gleich roten Lippen ohne Lachen,
Sind Mädchen, die nicht Fehler machen
Beim Russischsprechen, mir verhaßt.
Zwar wird ja bald, ich fürcht' es fast,
Ein neuer Nachwuchs junger Schönen,
Vom Pädagogenwitz belehrt
(Und mit poet'scher Kost genährt!)
Uns an korrekten Stil gewöhnen ...
Ich aber – ja, wie sollt' ich auch? –
Ich schwöre auf den alten Brauch.
XXIX
Dies hold verlegne Radebrechen,
Der schalkhaft regellose Bach
Der Worte läßt Erinnerung sprechen,
Ruft alte Wonnen in mir wach.
Drum bleib' ich, sei's auch ungezogen,
Den Gallizismen wohlgewogen,
Wie meinem sünd'gen Lebensmai,
Wie Bogdanowitschs Reimerei.
Doch still – wir haben nachzutragen:
Tatjanens Brief versprech' ich euch;
Ich gab mein Wort zum Pfand, obgleich
Entschlossen fast, mich loszusagen.
Der Ton Parnys liegt uns zu fern;
Gefühlvoll sein ist unmodern.
XXX
Wärst du, schwermüt'ger Freund und Sänger,
Der du die »Feste« schufst, noch hier,
Dann trüg' ich meine Last nicht länger
Und bäte dich, das Briefchen mir
Melodisch zart zu übertragen,
Das Tanja, um ihr Leid zu klagen,
In fremden, wirren Lauten schrieb.
Wo bist du? Hilf mir – dir zulieb
Begeb' ich mich der eignen Rechte ...
Doch fern, im felsig-rauhen Nord
Vereinsamt, taub dem Freundeswort,
Irrt er durch Finnlands stumme Nächte,
Und seine Seele hört es nicht,
Wie bang zu ihr die meine spricht.
XXXI
Hier leg' ich denn mein Kleinod nieder:
Tatjanens lieben, holden Brief.
Ich les' ihn oft – und immer wieder
Bewegt er mich so seltsam tief.
Wer lehrte sie die süßen Worte,
So frei, und doch am rechten Orte,
Wer dieser Sprache schlichte Kraft,
Den Herzenston der Leidenschaft,
So kühn, so rührend überschwenglich?
Ich weiß es nicht – und bringe nur
Statt lebenswarmer Vollnatur
Ein Nachbild, matt und unzulänglich,
Wie wenn ein Stümper, der nicht fühlt,
Den »Freischütz« euch herunterspielt.
Tatjanens Brief an Onegin
»Ich bin so kühn, an Sie zu schreiben –
Ach, braucht es mehr als dies allein?
Nun wird gewiß – was soll mir bleiben? –
Verachtung meine Strafe sein!
Doch wenn, wo Angst und Qual mich treiben,
Ein Fünkchen Mitleid für mich spricht –
O dann verwerfen Sie mich nicht!
Erst wollt' ich schweigen, hätte nimmer,
Was nun zu Schmach und Schande ward,
Dem strengen Auge offenbart,
Ach, bliebe nur ein winz'ger Schimmer
Von Hoffnung, Sie von Zeit zu Zeit
In unsrer Abgeschiedenheit
Zu sehn, zu grüßen, im geheimen
Mich ihres klugen Worts zu freun,
Um selig-froh für mich allein
Vom nächsten Wiedersehn zu träumen ...
Doch heißt's, Ihr Stolz vertrüge nicht,
In niedren Hütten einzukehren;
Und wir – sind klein, gering und schlicht,
Nur dankbar, einen Gast zu ehren.
Ach, warum kamen Sie aufs Land,
Wo wir so still verborgen waren?
Ich hätte nimmer Sie gekannt
Und nie solch Herzeleid erfahren.
Ich hätte, klüger mit den Jahren,
Vielleicht ein ander Ziel erstrebt
Und, einem andern treu verbunden,
Ein friedlich Glück bei ihm gefunden
Und frommer Mutterpflicht gelebt.
Ein andrer ... Nein! Es kann auf Erden
Mein Herz sich keinem andern weihn!
So ließ des Schöpfers Hand mich werden,
So will's der Himmeclass="underline" ich bin Dein.
Dich zu gewinnen, war mein Leben
Ein einzig' Pfand nur, fort und fort;
Gott selber hat Dich mir gegeben,
Bis an das Grab bist Du mein Hort ...
Du warst's, der mich im Traum beglückte,
Längst liebt' ich Dich, eh' ich Dich sah;
Dein Antlitz strahlte mir so nah,
Und Deiner Stimme Klang entzückte