So lieb' ich Sie – vielleicht auch mehr.
Sie dürfen ohne Groll mir glauben:
Wie sich mit neuem Grün belauben
In jedem Lenze Busch und Baum,
So löst im Mädchenherz ein Traum
Den andern ab mit bunten Flügeln.
So war's von je. Auch Ihr Gefühl
Entdeckt sich bald ein neues Ziel ...
Nur lernen Sie Ihr Herz zu zügeln:
Nicht jeder achtet es wie ich –
Wer Schaden fürchtet, hüte sich.«
XVII
So klang die Predigt aus. Sie hörte
Mit tränenfeuchtem Angesicht
Verhaltnen Atems zu, doch wehrte
Sie seinen strengen Worten nicht.
Dann bot er ihr den Arm entgegen;
Sie nahm, wie wir zu sagen pflegen,
Mechanisch an; und stumm gebeugt,
Das Köpfchen tief herabgeneigt,
So schlich sie heim mit müden Schritten.
Selbander kamen sie nach Haus,
Und niemand machte Wesen draus:
Das Land hat schöne, freie Sitten,
Die es mit gleichem Recht bewahrt,
Wie Moskau seine Großstadtart.
XVIII
Ihr werdet anerkennen müssen,
Daß unser Held sich ritterlich
Des rücksichtsvollsten Takts beflissen.
Nicht hier bloß, glaubt mir, zeigte sich
Sein Herz von dieser zarten Seite,
Wenn auch die Mißgunst andrer Leute
An ihm kein gutes Härchen ließ.
Bei Freunden (die, wie sich erwies,
Oft mehr zu fürchten) wie bei Feinden
War er gewöhnlich übel dran.
Nun, Feinde hat ja jedermann,
Doch Gott bewahr uns vor den Freunden!
Ich kannte selber ehedem
Von dieser Sippschaft – trau, schau, wem.
XIX
Wieso? Nun so. Doch keine Klagen,
Ich will nicht unnütz bitter sein
Und nur in Parenthese sagen:
Es gibt kein Schmähwort, erzgemein,
Von Buben euch zum Schimpf ersonnen
Und von den Schwätzern fortgesponnen,
Kein unverschämtes Spottgedicht,
Kein noch so übles Schandgerücht,
Das nicht der Freund (dazu unendlich
Durch Klatsch vermehrt) höchst wohlgelaunt
Vor euren Gönnern ausposaunt –
In aller Unschuld, selbstverständlich!
Denn sonst liebt euch der Ehrenmann,
Wie nur – Verwandtschaft lieben kann.
XX
Hm, hm! Sind deine Vettern alle,
Geneigter Leser, hübsch gesund?
Dann hörst du auch in diesem Falle
Gewiß sehr gern durch ihren Mund,
Was so Verwandtschaft meist bedeute: Verwandte sind die biedern Leute,
Die man in Herzensüberfluß
Verehren, lieben, hätscheln muß
Und denen man aus reinstem Triebe
Zum Wiegenfeste sehr gerührt
Selbst oder schriftlich gratuliert,
Damit uns ihre Nächstenliebe
(Gott soll sie segnen!) für den Rest
Des Jahres – ungeschoren läßt.
XXI
Da ist man doch bei hübschen Kindern,
Was Liebe angeht, besser dran,
Weil kein Zerwürfnis uns behindern,
Die zarten Rechte schmälern kann.
Gewiß, doch wenn die Moden wandeln,
Die Launen nach Belieben handeln,
Der Eigensinn sein Ziel erreicht –
Ach, Weiberart ist federleicht!
Zudem, weil ehelich verbunden,
Ein keusches Täubchen vorsichtsvoll
Des Gatten Ehre hüten soll.
Ist auf versprochene Schäferstunden
Für uns mitunter kein Verlaß ...
Mit Liebe scherzt ja Satanas.
XXII
Wen also lieben? Wem vertrauen?
Gibt's einen, der verläßlich ist?
Der, ohne rechts und links zu schauen,
Die Welt nach unsrem Zollstock mißt?
Uns hinterm Rücken nicht beleidigt,
Vielmehr herausstreicht, lobt, verteidigt,
Nachsichtig urteilt, wenn man irrt,
Und niemals unausstehlich wird?
Nein, solche Engel, wie beschrieben,
Gibt's nirgendwo; drum geb' ich dir,
Mein hochverehrter Leser, hier
Den klugen Rat: dich selbst zu lieben,
Und dies Objekt wird obendrein
Dir zweifellos das liebste sein!
XXIII
Und jener tränenreichen Stunde
Ergebnis? Ach, ihr ahnt es, hört:
Des armen Kindes Herzenswunde
Brennt heißer nur, Verzweiflung mehrt
Den Aufruhr aller jungen Triebe;
Die stumme Qual verschmähter Liebe
Verdoppelt nur die Leidenschaft.
Der Schlummer flieht, ihr sinkt die Kraft;
Und Anmut, Lebensfrische, Güte,
Ihr Lächeln, ihr gesunder Sinn,
Sie sind wie leerer Schall dahin;
Es welkt Tatjanens Jugendblüte.
So hüllt sich, wenn ein Wetter droht,
In Schwarz das schönste Morgenrot.
XXIV
Ach, grausam ward ihr Herz getroffen,
Bleich irrt sie, teilnahmslos umher;
Ihr Mädchentraum, ihr selig Hoffen
Zerrann ... Sie spricht kein Wörtchen mehr.
Die Nachbarn schaun sich wechselweise
Kopfschüttelnd an und flüstern leise:
»Wenn doch nur bald ein Freier käm'!« ...
Genug. Ich möchte außerdem
Euch wieder heitre Bilder gönnen
Von junger Liebe Lust und Glück.
Aus Mitleid kann sich oft mein Blick
Nur schwer von Gram und Kummer trennen;
Verzeiht mir: denn ihr alle wißt,
Wie lieb mir meine Tanja ist!
XXV
Von Tag zu Tage mehr umsponnen
Vom Liebreiz seiner Schäferin,
Gab Lenski sich den süßen Wonnen
Der Neigung vollen Herzens hin.
Stets weilt er bei ihr. Treuverbunden
Durchplaudern sie die Dämmerstunden:
Und jeder Morgen, gottgesandt,
Sieht sie im Garten, Hand in Hand.
Und wie berauscht von Hochgefühlen,
Wagt er's mitunter, heiß vor Glück,
Ermutigt durch der Holden Blick,
Mit ihrem Lockenhaar zu spielen,
Wonach er schamhaft sich vermißt
Und ihres Kleides Zipfel küßt.
XXVI
Oft liest er ihr zu Nutz und Frommen
Romane vor (von Qualität),
Wo leider manchmal Dinge kommen,
Die kaum Chateaubriand verrät.
Weshalb er dann gewisse Seiten
Voll unerwünschter Deutlichkeiten
(Für keusche Ohren ein Verdruß)
Errötend überschlagen muß.
Auch sitzen sie zurückgezogen
Für sich allein und spielen Schach
Und denken tief und gründlich nach
Bei aufgestützten Ellenbogen,
Bis Lenski, der zu träumen pflegt,
Zerstreut die eignen Türme schlägt.
XXVII
Sogar daheim in seinen Wänden
Schafft er für Olga stillbeglückt,
Wobei er ihr mit fleiß'gen Händen
Die Blätter ihres Albums schmückt:
Und zeichnet hier ein Dorf am Weiher,
Dort Tempel, Urnen, eine Leier,
Durch die ein Taubenpärchen huscht,
Nett ausgeführt und angetuscht.
Auf andern widmungsstolzen Seiten
Entwirft er mit bescheidnem Sinn
Ein schlichtes Verschen untenhin,
Als stummes Denkmal sel'ger Zeiten,
Als zarte Spur der Träumerei,
Die ewig zeugt: ich bin dir treu.
XXVIII
Ihr kennt ja wohl aus kleinen Städtchen
Solch Backfischalbum Blatt für Blatt,
Worin die Feder aller Mädchen