Mit seinem Schlittchen vor der Tür;
Der Hofhund spielt den Passagier
Und er das Pferdchen, macht Grimassen
Und friert und jauchzt, die Wangen rot,
Und merkt kaum, wie ihm Mutter droht.
III
Nun wird euch zwar an solchen Bildern
Wahrscheinlich nichts gelegen sein:
Die schlichte Wirklichkeit zu schildern
Gilt für prosaisch, für gemein.
Auch hat mich längst in diesen Stoffen
Ein andrer Dichter übertroffen
Und uns, von Poesie verklärt,
Den Sang vom ersten Schnee beschert.
Was er so reich an Winterfreuden,
Von Schlittenfahrten singt und sagt,
Hat euch gewiß viel mehr behagt.
Drum will ich mich vor ihm bescheiden,
Wie auch vor dir, Freund, dessen Lied
Für Finnlands schönstes Mädchen glüht.
IV
Tatjana schwärmte (weil sie eben,
Zwar unbewußt, ganz Russin war)
Für unser frisches Winterleben,
Den Eisesglanz, die wunderbar
Vom Rauhreif überhauchten Wälder,
Die Schlittenfahrt durch weiße Felder,
Der Morgenröte Farbenpracht,
Das Dunkel der Dreikönigsnacht.
Die war zu Haus seit alten Tagen
Als hocherwünschtes Fest bekannt:
Die Mägde kamen dann gerannt,
Um ihren Fräulein wahrzusagen,
Und stets war Geld und, hocherfreut,
Ein schmucker Krieger prophezeit.
V
Solch alten, dunklen Volksgebräuchen
Galt Tanjas scheue Sympathie:
An Mondeszauber, Wunderzeichen
Und Kartenlegen glaubte sie,
Auch daß die Träume Aufschluß bringen,
Daß in den unscheinbarsten Dingen
Geheime Vorbedeutung steckt –
Und ward von Ahnungen erschreckt.
Sobald der Kater auf dem Herde
Sich schnurrend übers Näschen strich,
Dann war's ein Wink, daß sicherlich
Noch heut Besuch erscheinen werde.
Erblickte sie den Silberrand
Des jungen Monds zur linken Hand,
VI
Dann überkam sie leises Bangen.
Wenn sich in dunkler Mitternacht
Sternschnuppen leuchtend niederschwangen,
War Tanja stets darauf bedacht,
Geschwind den Blick hinaufzulenken
Und an den liebsten Wunsch zu denken,
Bevor der kurze Glanz verblich.
Kam ihr im Feld gelegentlich
Ein schwarz vermummter Mönch entgegen,
Sprang unvermutet aus der Saat
Ein Häschen über ihren Pfad,
Dann schlug ihr Herz mit stärkren Schlägen,
Und sorgend eilte sie zurück:
Ihr ahnte künft'ges Mißgeschick.
VII
Es war der Reiz des Schauerlichen,
Den sie geheimnisvoll empfand:
So schuf uns, reich an Widersprüchen,
Natur mit rätselhafter Hand.
Es nahn die heiligen zwölf Nächte;
Da werden nun die Schicksalsmächte
Vom jungen Völkchen, das noch blüht
Und sorglos froh ins Leben sieht,
Befragt, was sein für Lose warten,
Und selbst das Alter, das gebeugt
Sich langsam schon zum Grabe neigt,
Legt sich noch einmal still die Karten.
Ob jung, ob alt – der gläub'ge Sinn
Gibt sich so gern der Täuschung hin.
VIII
Am Herd wird abends Wachs gegossen:
Seltsam sich formend tut es kund,
Was in der Zukunft Rat beschlossen;
Man fischt auf eines Eimers Grund
Nach eingeworfnen Fingerringen,
Wobei die Mädchen Lieder singen.
Kaum zieht man Tanjas Ring hervor,
Ertönt der alte Sang im Chor:
»Dort hausen eitel reiche Bauern,
Die scharren Silber Hauf um Hauf;
Und wen es trifft, und dem Glückauf!«
Doch in den dunklen Worten lauern
Gefahr und Harm ... ein zart Gemüt
Verspricht sich mehr vom Kätzchenlied.
IX
Es fror zur Nacht; am klaren Himmel
Zog schweigend seine ew'ge Bahn
Das diamantne Sterngewimmel ...
Da kommt, ganz leicht nur angetan,
Tatjana auf den Hof gegangen,
Den Mond im Spiegel aufzufangen:
Allein es zittert traurig blaß
Nur Lunas Bild im dunklen Glas ...
Da horch, es knarren Männerschritte
Im harten Schnee – auf Zehen schwebt
Sie rasch dahin, ihr Stimmchen bebt
Und haucht im Flötenton die Bitte:
»Dein Name, schnell!« Der will davon Und glotzt und stottert: »Agathon«.
X
Wie ihr die Amme vorgeschlagen,
Läßt Tanja nachts zur Zauberei
Ins Bad sich leis ein Tischchen tragen,
Geheimnisvoll gedeckt für zwei.
So harrt sie ... plötzlich graust's Tatjana –
Und beim Gedanken an Swetlana
Graust's mir noch mehr; drum schweig' ich still, Weil ich von Spuk nichts wissen will.
Nun löst sie Seidengurt und Mieder,
Entkleidet sich, steckt mit Bedacht
Den kleinen Spiegel für die Nacht
Noch unters Pfühl und legt sich nieder ...
Kupido naht im Zauberschein –
Rings wird es still. Sie schlummert ein.
XI
Und wundersame Träume schwirren
Durch ihren Geist: sie sieht sich weit
Auf schneebedeckten Feldern irren,
Umhüllt von tiefer Dunkelheit.
Ein Wildbach kommt mit finstren Wogen
Durch Klüfte Schnees herangezogen
Und wälzt in ungehemmter Wut
Dumpfbrausend seine schwarze Flut.
Ein paar vereiste dünne Stangen
Verbinden sich zu schwankem Steg:
Ihr Fuß kann nur auf diesem Weg
Zum andern Ufer hingelangen –
Und drunten tobt des Stroms Gewalt ...
Entsetzt und ratlos macht sie halt.
XII
Und schaudernd vor dem tiefen Schlunde
Klagt jammernd sie ihr Schicksal an,
Und späht verzweifelt in die Runde,
Ob ihr nicht Rettung werden kann.
Da plötzlich wird's im Schnee lebendig:
Was kriecht hervor? ein Bär, unbändig,
Groß, schwarz und zottig ... Sie erbleicht,
Schreit auf – er brummt sie an und reicht
Ihr seine Tatze mit den Klauen;
Und sie in ihrer Angst und Not
Erfaßt die Stütze, die er bot,
Und überschreitet so mit Grauen
Den Abgrund ... Wildnis um sie her.
Rasch eilt sie fort, ihr nach der Bär.
XIII
Sie wagt nicht hinter sich zu sehen,
Beflügelt ihren bangen Schritt:
Umsonst, sie kann ihm nicht entgehen,
Der rauhe Diener trottet mit,
Der Bär bleibt schnaufend ihr zur Seite;
Ein Wald erhebt sich; düstre, breite,
Turmhohe Fichten, Ast um Ast
Herabgebeugt von weißer Last;
Gewirr von Espen, Birken, Linden;
Durch kahle Wipfel blinkt die Pracht
Des Sternenheers der Winternacht;
Und nirgendwo ein Weg zu finden –
Gebüsch und Grund, wohin sie späht,
Sind rings vom Schneesturm zugeweht.
XIV
Sie läuft hinein – gefolgt vom Bären.
Im tiefen Schnee versinkt ihr Knie;
Des Dickichts dunkle Massen wehren
Der Flucht; Geäst verwundet sie,
Zerrt ihr die Ringe von den Ohren;
Ein Schuh bleibt stecken, geht verloren,
Die armen Füßchen tun ihr weh;