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Jetzt fällt der Mantel in den Schnee,

Fort, fort! Allein sie fühlt mit Beben:

Der Bär verfolgt sie immer noch!

Sie strauchelt schon, und schämt sich doch,

Den Saum des Kleides aufzuheben.

So rennt sie, hinter ihr das Tier ...

Die letzten Kräfte schwinden ihr –

XV

Sie stürzt. Der Riese hebt die Bange

Behutsam auf und trägt sie fort;

Sie fügt sich willenlos dem Zwange,

Ihr Atem stockt ... An düstrem Ort,

In schaurig öder Waldesmitte

Steht einsam eine morsche Hütte,

Bis an den Giebel eingeschneit;

Schwach flimmert durch die Dunkelheit

Ein dünner Lichtstrahl; wüstes Lärmen

Und schrilles Kreischen tobt durchs Haus.

Der Zottel brummt: »Hier ruh dich aus,

Komm, mein Gevatter wird dich wärmen!«

Er trägt sie rasch zum Flur hinein

Und setzt sie ab. Sie ist allein.

XVI

Verängstet schaut sie auf, will fragen:

Der Bär ist fort! Ihr wird so bang ...

Und drinnen schallt, wie bei Gelagen,

Getös und lauter Becherklang.

Was geht hier vor? Sie schleicht zur Schwelle, Lugt durch den Türspalt in die Helle –

O Graus! Ein widerlich Gemisch

Von Ungeheuern zecht am Tisch:

Ein Hexenweib mit bärt'ger Lippe,

Ein krummgehörnter Hundekopf,

Ein dürrer Hahn mit rotem Schopf,

Ein süßlich grinsendes Gerippe,

Dort ein geschwänzter Zwerg, und hier

Ein langgeschnäbelt Katertier.

XVII

Es kommt noch toller: rittlings gaukelt

Ein Krebs auf ekler Spinnenbrut,

Auf langem Gänsehalse schaukelt

Ein Totenkopf mit rotem Hut;

Dazwischen klappert eine Mühle

Im Wirbeltanz um Tisch und Stühle –

Das heult und lacht und kräht und bellt

Und trampelt, daß die Stube gellt!

Doch welch Entsetzen faßt die Arme:

In diesem Pfuhl von Scheußlichkeit

Erkennt sie – ach, ihr Glück und Leid,

Ihn, ihn, Eugen! Im Höllenschwarme

Sitzt er leibhaftig mittendrin

Und blinzelt nach der Türe hin.

XVIII

Sein Blick macht jedes Haupt sich neigen,

Er hebt den Becher – alles trinkt,

Er schaut verdrossen – alle schweigen,

Er lacht – und alles johlt und springt.

Er kommandiert hier, ohne Frage.

Nun schreckt Tatjana dies Gelage

Nicht mehr so arg, die Wißbegier

Verleitet sie, sie klinkt die Tür –

Da faucht ein Windstoß durchs Gemäuer,

Die Lichter löschen sämtlich aus,

Ein toller Wirrwarr tobt im Haus,

Onegins Augen glühn wie Feuer,

Jäh springt er von der Tafel auf

Und stürmt zur Tür – ihm nach der Hauf'.

XIX

Vor Schrecken will die arme Seele

Entfliehn – umsonst! Um Hilfe flehn –

Auch das vergebens! – in der Kehle

Erstickt der Schrei: schon reißt Eugen

Die Tür weit auf – vor aller Blicken,

Vor dieser Brut voll Teufelstücken

Steht Tanja wehrlos! Laut ertönt

Gelächter, alles geifert, höhnt,

Und Hörner, Krallen, Rüssel, Schöpfe,

Geschwänztes Pack und Bocksgesicht,

Gewürm, Geschmeiß und Nachtgezücht,

Blutrote Lefzen, Totenköpfe,

Sie dringen wütend auf sie ein

Und kreischen gierig: »Mein, mein, mein!«

XX

»Mein!« ruft Eugen mit Zornesfunkeln.

Im Nu zerstiebt der grause Schwarm.

Sie steht mit ihm allein im Dunkeln ...

Er führt sie rücksichtsvoll am Arm

Zu einer Bank – dort sinkt sie nieder;

Noch zittern ihr vor Angst die Glieder.

Sie fühlt nur, wie er still versöhnt

Das Haupt an ihre Schulter lehnt.

Da blitzt ein Strahl – und sieh: verwegen

Tritt Lenski ein an Olgas Hand ...

Eugen springt auf, reckt wutentbrannt

Den Lauschern seine Faust entgegen

Und weist sie fluchend aus der Tür;

Tatjana wankt, es schwindelt ihr.

XXI

Der Streit wird ärger; Messer blinken –

Eugen sticht zu – und grauenvoll

Durchbohrt fällt Lenski ... Schatten sinken,

Nacht wird's umher; ein Schrei erscholl

So gellend, daß die Hütte krachte –

Und Tanja schreckensbleich erwachte ...

Verwundert schaut sie: helles Licht –

Durch frostbehauchte Scheiben bricht

Des frühen Morgens goldner Schimmer.

Die Tür geht auf: in ros'gem Duft,

Gleich einem Schwälbchen aus der Luft

Fliegt Olga frisch und froh ins Zimmer:

»Nun, Schwesterherz, verrate mir,

Von welchem Freier träumte dir?«

XXII

Doch die läßt sich im Bett nicht stören,

Bemerkt kaum ihren Frühbesuch

Und blättert, ohne hinzuhören,

Gedankenvoll in einem Buch.

Obschon dies freilich weder Sprüche

Der Lebenskunst noch bunte Stiche

Noch Poesie zu bergen schien –

So stand doch weder Scott, Racine

Noch Byron ihrem Herzen näher,

Kein neustes Modenblatt sogar

Bot jemals stärkre Reize dar

Als dies Geheimbuch vom »Chaldäer«,

Martin Sadeka, jenem Mann,

Der alle Träume deuten kann.

XXIII

Ihr hatte diesen Schatz vor Jahren

Ein Wandertrödler zugeführt

Und ihn als Perle seiner Waren,

Nachdem er lang erst lamentiert,

Doch endlich nebst »Malwinens Leben«

Um vierthalb Rubel hergegeben,

Entschädigt durch den dritten Band

Von Marmontel, verschiednen Tand,

Zwei stark vergilbte Petriaden

Und ein zerfetztes Diktionär.

Martin Sadeka blieb seither

Ihr Trost und Freund auf allen Pfaden

Und mußte selbst im Kämmerlein

Nachtsüber immer bei ihr sein.

XXIV

Nun macht der Traum ihr Angst und Sorgen.

Sie möchte gern den Sinn verstehn,

Das Grause, das in ihm verborgen,

Durch ihren Freund gedeutet sehn.

Zwar all die Schrecken, die sie plagen,

Sind im Register eingetragen:

Bär, Brücke, Dickicht, Hexe, Mord,

Nacht, Schädel, Schneesturm und so fort.

Doch ach, der Rätsel schwere Fülle,

Martin Sadeka löst sie nicht,

Das drohend wirre Traumgesicht

Blieb nach wie vor in dunkler Hülle,

So daß die Ärmste bang und trüb

Noch tagelang in Sorge blieb.

XXV

Doch sieh, schon führt mit Purpurhänden

Aurora, vor der Sonne Lauf

Vorangeeilt, aus Traumgeländen

Den heitren Namenstag herauf.

Von früh an herrscht Tumult und Wesen

In Larins Haus; in Kutschen, Chaisen

Und Schlitten traf mit groß und klein

Der Nachbarn ganze Sippschaft ein.

Im Vorhaus prallt die Flut zusammen;

Man zwängt sie durch den Korridor,

Grüßt, küßt, umarmt sich, stellt sich vor;

Dazwischen Lärm, Gekreisch von Ammen,

Getrampel, Lachen rauh und hell,

Babygeplärr und Mopsgebell.

XXVI

Nebst Gattin, an Gewicht nicht minder,

Erschien der Dickwanst Pustjakow;