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Gesellschaftlich den Stab zu brechen.

Doch seinen Gegner töten – nein,

Kann nimmermehr vergnüglich sein.

XXXIV

Wie dann, wenn schwer von euch getroffen,

Ein Freund dahinsank, todesbleich,

Nur weil er sorglos, allzu offen

Im Übermut sich gegen euch

Beim Wein ein keckes Wort erlaubte,

Vielleicht sich selbst beleidigt glaubte

Und blind vor Zorn euch fordern ließ?

Sagt, könnte eure Seele dies

Verwinden, wenn, die Brust durchschossen,

Er daliegt, ihr ihn sterben seht,

Sein letzter Atemzug verweht,

Und nun, die Lippen fest geschlossen,

Er starr und taub vor euch sich streckt,

Kein Schmerzensschrei ihn auferweckt?

XXXV

Zerknirscht, die Waffe stumm in Händen,

Vermag Eugen in seiner Not

Vom Freunde keinen Blick zu wenden.

Sarezki murmelt: »Also tot.«

Tot! ... Aufgepeitscht von diesem Worte

Entflieht Eugen dem Schreckensorte

Und ruft zum Beistand Leute her.

Sarezki läßt behutsam schwer

Den Körper in den Schlitten tragen

Und führt sie heim, die kalte Last:

Die Pferde wittern graunerfaßt

Den blut'gen Leichnam, schnauben, jagen

Und netzen ihr Gebiß mit Schaum –

Sie hemmt kein Zügel, hält kein Zaum.

XXXVI

Der Ärmste dauert euch, der eben

Noch voll von Glück und Poesie,

Bevor sich kaum sein schönes Streben

Entfalten durfte, ach, zu früh,

Den Tod empfing! Und Jugendfülle,

Sein Wissenstrieb und hoher Wille,

Gelenkt von keuschem, edlem Sinn,

Sein glühend' Herz – wo sind sie hin?

Wohin sein Drang nach Licht und Klarheit,

Der Liebesreichtum seiner Brust,

Sein Abscheu vor gemeiner Lust,

Und du, Begeistrung, Quell der Wahrheit,

Die seiner Träume Schöpferflug

Zu himmlisch reinen Sphären trug?

XXXVII

Er war vielleicht zu großen Dingen,

Zum Heil der Menschheit ausersehn,

Um auf der Leier goldnen Schwingen,

Die nun zerbarst, in lichten Höhn

Unsterblich durch sein Lied zu werden.

Er hätte wohl schon hier auf Erden

Des Dichterruhms Zenit erreicht.

Sein blut'ger Schatten nahm vielleicht

Der Offenbarung schönste Gabe

Ins Jenseits mit hinweg, entflohn

Ist seines Mundes süßer Ton,

Und nimmer steigt von seinem Grabe

Als tausendfält'ger Jubelchor

Der Nachwelt Dank zu ihm empor.

XXXVIII/XXXIX

Ihm konnte freilich auch im Leben

Ein Alltagslos beschieden sein:

Er hätte Frische, Lust und Streben

Gemach verloren, hinterdrein

Enttäuscht die Musen satt bekommen,

Im Dorf gehockt, ein Weib genommen

Und sich als Hahnrei, stillvergnügt,

Im Schlafrock dieser Welt gefügt;

Geschmaust, geschnarcht und, hoch an Jahren,

Dann endlich, mürb vor Gicht und Fett,

Als Biedergreis im Sterbebett,

Umheult von Weib und Kinderscharen

Und von der Ärzte Kunst mißbraucht,

Den letzten Seufzer ausgehaucht.

XL

Sei dem nun schließlich, wie ihm wolle:

Der Sänger, der so rein empfand,

Der liebeswarme, seelenvolle –

Er starb dahin durch Freundeshand!

Gleich links beim Dörflein, wo in Zeiten

Des Musenglücks er schwärmte, breiten

Zwei Kiefern stumm ihr Zwillingsdach;

Aus deren Fuß, hinab zum Bach,

Entspringen, rieseln frische Quellen.

Dort lockt's zur Rast den Landmann hin,

Und mittags taucht die Schnitterin

Den blanken Krug in ihre Wellen.

Im Schatten dort, für sich allein,

Gedenkt ein schlichtes Grabmal sein.

XLI

Und wenn des Frühlings milder Segen

In Schauern durch die Fluren zieht,

Birgt hier der Hirt sich vor dem Regen,

Flicht bastne Schuh' und singt sein Lied.

Und manchmal, wenn von Lust getrieben

Die junge Städterin, die drüben

Im Dorf zur Sommerfrische weilt,

Beim Morgenritt vorübereilt,

Bemerkt sie wohl am Trauerorte

Den Grabstein, hemmt des Zelters Lauf,

Lenkt näher, hebt den Schleier auf,

Sucht, überfliegt die kurzen Worte

Der frommen Inschrift mitleidsvoll

Und spendet ihren Tränenzoll.

XLII

Dann wieder reitet sie vom Hange

Nachdenklich ernst im Schritt herab,

Und ihre Seele weilt noch lange

Bei Lenskis Los und frühem Grab;

Und sinnt: »Ob Olga für die Wunden

Wohl später Balsam, Trost gefunden?

Ergab ihr Herz sich bald darein?

Und wo mag jetzt die Schwester sein?

Und er, der längst uns fremd geworden,

Der Menschenfeind, Salonpedant

Und Damenspötter, dessen Hand

Gewagt, den Dichter hinzumorden?«

Ich will von allem, was geschehn,

Ein andermal euch Rede stehn,

XLIII

Nicht jetzt. Zwar bin ich meinem Helden

Sehr zugetan, und mein Gedicht

Soll auch noch weiter von ihm melden,

Allein für heut vermag ich's nicht;

Denn meine reifern Jahre neigen

Zur trocknen Prosa, sind dem Reigen

Des Versgetändels – ungewollt,

Doch seufzend fühl' ich's – wenig hold.

Die Feder, sonst beim Spiel der Reime

So keck zur Hand, versagt sich nun;

Die Pflicht zu andrem, ernstrem Tun

Heischt Nüchternheit, statt loser Träume,

Und gönnt mir in des Tages Hast

Wie auch im Schlummer keine Rast.

XLIV

Es wuchs in mir ein neu' Verlangen,

Wobei es nicht an Leid gebrach;

Vor jenem fühlt' ich leises Bangen –

Und traure altem Kummer nach.

Wo seid ihr stürmisch süßen Triebe?

Wo du (ihr ew'ges Reimwort), Liebe?

Ist euer Blütenkranz hinfort

Für immerdar verwelkt, verdorrt?

Ruft kein elegisch banges Klagen

Den Lenz der Jugend mir zurück?

Ist's wahr, daß all das einst'ge Glück

(Wie ich im Scherz oft vorgetragen)

Nun ohne Wiederkehr dahin?

Und daß ich selbst bald Dreißig bin?

XLV

So ist's. Mein Tag ist halb vollendet,

Ich seh' es wohl und bin bereit.

Nun also, da mein Pfad sich wendet,

Fahr wohl, du goldne Jugendzeit!

Hab Dank für deine tausend Wonnen,

Für Lust und Schmerz aus tiefstem Bronnen,

Für Not und Glück! Ich danke dir

Für alles, alles, was du mir

Geschenkt hast. Hab' ich dich genossen

Im Rausch der Sinne Zug um Zug

Bis auf den Grund – so sei's genug!

Fahr wohl! Geklärt und ernst entschlossen

Auf neuen Bahnen zieh' ich nun,

Vom frühern Leben auszuruhn.

XLVI

Ein letzter Gruß noch, eh' ich scheide,

Euch Stätten, wo ich hold im Bann

Von Leidenschaften, Spiel und Freude

Der Dichtung schönste Träume spann ...

Und nun, Begeistrung, ewig rege,

Beflügle meines Herzens Schläge,

Entzünde meine Phantasie,

Sei meine Zuflucht spät und früh,

Hilf, daß ich nicht verzweifeln müsse,

Nicht untergehe stumpf und schal

Vor Ekel, Scham und Seelenqual

Im Strudel dieser Weltgenüsse,

In diesem Pfuhl, drin alle wir

Uns wälzen, Freunde, ich und ihr.