Auch Petuschkow hat abziehn müssen;
Hernach erschien Pychtin im Haus,
Der Herr Husar; du meine Güte,
Wie stramm sich der um sie bemühte!
Schon dacht' ich: Topp, das hat genützt;
Ja, Possen – wieder abgeblitzt!« –
»Ei, Nachbarin, weshalb Euch quälen,
Ihr solltet, um Erfolg zu sehn,
Nach Moskau auf den Brautmarkt gehn.« –
»Ach, Beste, wenn die Mittel fehlen ...« –
»Gott, über Winter langt's dafür,
Wenn nicht, na ja, dann borgen wir.«
XXVII
Das schien der Alten einzuleuchten,
Der Plan erwies sich wohlbedacht,
Sie überschlug: die Groschen reichten,
Und mit der Fahrt war's abgemacht.
Tatjana hört es, tiefbetroffen:
Nach Moskau gehn? Um dort sich offen
In scheuer Unbeholfenheit,
In provinzialem Putz und Kleid
Auf eleganten Großstadtbällen
Vor Dünkeltum mit Band und Stern,
Koketten Damen, Modeherrn
Und ihrem Spott zur Schau zu stellen?
Entsetzlich! Lieber hier allein,
Im tiefen Wald verborgen sein!
XXVIII
Jetzt zieht beim ersten Tagesgrauen
Der Kummer sie hinaus ins Feld,
Noch einmal scheidend hinzuschauen
Auf ihre traute Heimatswelt:
»Lebt wohl, ihr Höhn, ihr goldnen Wogen,
Und du, mein blauer Himmelsbogen,
Du schöner Wald, du grünes Tal,
Lebt wohl! O laß zum letztenmal,
Beglückte Schöpfung, dich umfassen!
Bald muß ich, ach, um eitlen Tand,
Um Schein und Prunk dich, stilles Land,
Und dich, geliebte Freiheit, lassen!
In welche Zukunft, ach wofür
Treibt mich das Schicksal fort von hier?«
XXIX
So macht sie täglich weite Gänge:
Hier lädt der Bach, der Wiesenrain,
Dort laden schattig grüne Hänge
Zu andachtsvollem Rasten ein.
Vorm Abschied will sie Grüße tauschen
Mit Blumen, Quell und Waldesrauschen,
Mit allem, was ihr teuer ist.
Doch kurz nur währt des Sommers Frist.
Der bleiche Herbst erscheint, und klagend,
Mit letztem Gold von Hain und Flur
Geschmückt als Opfer, stirbt Natur ...
Schon faucht und wettert, Wolken jagend,
Der Nordwind – bis auf eis'gem Pfad
Im Zauberkleid der Winter naht.
XXX
Er kommt und streut im Flockentanze
Sein glitzernd Weiß auf Busch und Baum,
Deckt rings die Höhn in lichtem Kranze,
Die Flur mit wellig weichem Flaum
Und wandelt Wiesengrund und Bäche
In eine spiegelglatte Fläche;
Es blinkt der Frost. O Winterszeit,
Wir freun uns deiner Herrlichkeit!
Nur Tanjas Herz, statt mitzufühlen,
Verschließt sich diesmal all der Lust,
Sie lockt es nicht, sich Stirn und Brust
Beim Morgenbad im Schnee zu kühlen,
Wie sonst nach frisch gesunder Art:
Es bangt ihr vor der Winterfahrt.
XXXI
Für diese, lang hinausgefristet,
Rückt nun der letzte Tag heran.
Der alte Schlitten wird gerüstet
Und repariert, so gut man kann.
Drei Fachkibitken läßt man kommen,
Denn auch Gepäck wird mitgenommen:
Bratpfannen, Koffer, Bettzeug, Öl,
Saftkruken, Stühle, Salz und Mehl,
Verschläge mit lebend'gen Hühnern,
Geschirr und Kram et cetera –
Viel Plunder, doch man braucht ihn ja.
Das Hausgesinde nebst den Dienern
Hantiert und flennt; ringsum Rumor.
Drauf führt man achtzehn Klepper vor
XXXII
Und schirrt sie an die Schlittenstränge.
Die Köche packen Zehrung ein,
Man staut die Lasten im Gedränge,
Die Kutscher fluchen, Weiber schrein;
Auf dürrem Gaul, voran als Leiter
Thront stolz im Bart der Spitzenreiter,
Die ganze Dorfschaft strömt zuletzt
Zum Ausgang, alles winkt – und jetzt,
Jetzt endlich rutscht die Kavalkade
Mit Ach und Krach zum Tor hinaus.
»Leb wohl, mein teures Elternhaus,
Lebt wohl, ihr trauten Heimatspfade!
Gibt's je ein Wiedersehn für mich?«
Und unser Kind weint bitterlich.
XXXIII
Geht Rußland einst aus Finsternissen
Zur Zivilisation voran
(Was etwa, nach gelehrten Schlüssen,
Ein halb Jahrtausend dauern kann),
Dann wird sich künftig auch daneben
Der Zustand unsrer Straßen heben:
Chausseen ziehn dann kreuz und quer
Verbindend durch die Ferne her,
Gewalt'ge Eisenbrücken thronen,
Man sprengt die Felsen, ebnet Land,
Bohrt Tunnels durch der Berge Wand,
Und rings auf allen Poststationen
Stellt orthodoxer Christensinn
Uns ein Büfett zur Stärkung hin.
XXXIV
Einstweilen sind die Wege greulich,
Die Brücken morsch, der Dreck verflucht;
Im Gasthaus wird man nachts abscheulich
Von Floh und Wanze heimgesucht;
Mit Kostversorgung steht's noch schlimmer.
Und während sich im kalten Zimmer
Ein Preiskurant erbärmlich spreizt
Und zwecklos unsern Magen reizt,
Ist drauß im Hof mit Schmiedebeilen
Der Dorfzyklop auf frischer Tat,
Europas leichtes Fabrikat
Echt russisch plump zurechtzukeilen,
Und schwitzt und segnet still erfreut
Der Heimat Unergründlichkeit.
XXXV
Hat's aber Frost und Schnee gegeben,
Dann fährt sich's leicht und angenehm,
Dann sind die Bahnen flach und eben,
Wie manch modernes Verspoem,
Die Rosselenker frisch und friedlich,
Die strammen Troiken unermüdlich,
Und einem Zaun gleich saust die Reih'
Der Meilenstangen jäh vorbei.
Mit Larins abgetriebnen Pferden
Ging's ohne Vorspann so geschwind
Nun leider nicht, und unser Kind
Genoß drum alle Fahrtbeschwerden
Vollauf bei solchem Schneckengang:
Man kutschte sieben Tage lang.
XXXVI
Doch endlich winkt das Zieclass="underline" im Schimmer
Der weißen Mauern leuchtend nah,
In goldner Kreuzeskuppeln Flimmer
Liegt groß und herrlich Moskau da!
Ach, wie ich doch vor Freude bebte,
Als dies betürmte, glanzbelebte,
Buntfarbne Stadtbild imposant
Auf einmal wieder vor mir stand!
Wie oft in meinem tiefsten Grame,
In meines Wanderschicksals Nacht,
O Moskau, hab' ich dein gedacht!
Moskau ... Wie packt doch dieser Name
Das Russenherz mit Ungestüm!
Was spricht nicht alles, klingt aus ihm!
XXXVII
Schon grüßt aus einem Wald von Eichen
Zar Peters düstres Schloß herauf
Als heldisch ernstes Ruhmeszeichen.
Hier harrte, stolz vom Siegeslauf,
Napoleon umsonst der Stunde,
Daß mit des Kremls Schlüsselbunde
Sich Moskau beuge seinem Fuß.
Nein, Moskau bot ihm nicht den Gruß,
Tat keinen Schritt zum Triumphator!
Und nicht mit Hymnen noch Tribut –
Nein, nur mit Brand und Feuersglut
Empfing's den harten Imperator!
Von hier aus sah er grausig schön
Sein Glück in Flammen untergehn ...
XXXVIII
Leb wohl, du Spur aus großen Tagen,