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Du Peterschloß! Die Stunde drängt,

Rasch vorwärts: weiße Säulen ragen

Als Tor empor, der Schlitten schwenkt

Und holpert durch die Twersche Straße.

Gleich flimmert's, wogt's im Übermaße:

Volk, Bauern, Weiber, Bettelei,

Bucharen, Trödler, Polizei,

Kosaken, Schlitten aller Sorten,

Laternen, Buden, Frachtenschwall,

Kaufläden, Klöster, Turm und Wall,

Paläste, Gärten, Löwenpforten,

Balkons, Kapellen nebst Altar

Und hoch ums Kreuz die Dohlenschar.

XXXIX/XL

Nachdem man zwei geschlagne Stunden

In diesem Strom umhergeirrt,

Hat man sich endlich durchgewunden:

In einem Seitengäßchen wird

Am Haus der Tante vorgefahren,

Der alten Dame, die seit Jahren

Brustleidend war. Die Klingel schrillt;

Dienstfertig öffnet, stier bebrillt,

Im Kaftan mit zerschlißner Kante,

Den Strickstrumpf zwirbelnd, ein Kalmück.

Herein! Im selben Augenblick

Ertönt der Willkommschrei der Tante

Vom Diwan her – Umarmung, Kuß

Und freud'ger Tränenüberfluß:

XLI

»Comtesse, mon ange!« – »Pachette!« – »Aline!« –

»Welch seltnes Glück!« – »So ist's denn wahr?« –

»Ihr bleibt doch?« – »Tausend Dank, Kusine!« –

»Nimm Platz! Mein Gott, wie wunderbar!

Ein Wiedersehn wie im Romane!« –

»Und hier mein Töchterchen Tatjane.« –

»O Herzchen, komm in meinen Arm!

Kusine, hast du deinen Schwarm,

Den Grandison, noch nicht vergessen?« –

»Wie, Grandison ... Ach, der, ja, ja;

Wie geht's ihm?« – »Gut, wohnt hier ganz nah, War Samstag erst bei mir zum Essen,

Scharmant wie sonst, hat viel erzählt,

Auch hat sein Sohn sich jüngst vermählt.«

XLII

»Und der ... Doch erst zu unsern Sachen,

Nicht wahr? Und morgen mußt du hier

Mit Tanja gleich Visiten machen.

Ich, leider, darf nicht vor die Tür,

Bin ganz von Kräften, schlimmerweise!

Doch ihr seid müde von der Reise,

Wir gehn wohl besser gleich zur Ruh'.

Oh, meine Brust ... es schnürt mich zu ...

Nicht bloß der Kummer, meine Liebe,

Selbst Freude drückt mich jetzt so schwer;

Ich tauge schon zu gar nichts mehr!

Ach, wenn man altert, wird es trübe ...«

Und unter Tränen hub sie dann,

Total erschöpft, zu husten an.

XLIII

Die warme Zärtlichkeit der Kranken

Rührt Tanja tief, nur fühlt sie sich

Bedrückt und fremd hier, wie in Schranken;

Im ungewohnten, wunderlich

Geschmückten, reichen Kabinette,

Dem dicht mit Samt verhangnen Bette

Verbringt sie schlaflos lange Zeit,

Um schon beim Glocken-Frühgeläut

Aus halbem Schlummer aufzufahren.

Es dämmert, rings wird Leben wach;

Sie eilt ans Fenster – aber, ach,

Was muß ihr Blick enttäuscht gewahren:

Statt ihrer Felder sieht sie nur

Hof, Küche, Stall und Treppenflur.

XLIV

Jetzt wird sie täglich bei Verwandten

Zur Mittagstafel präsentiert

Und einem Schwarm von Onkeln, Tanten

Als scheues Nichtchen vorgeführt,

Auch allenthalben froh willkommen

Und äußerst liebreich aufgenommen,

Bestaunt, geherzt und abgeküßt:

»Nun sag mir eins, wie groß du bist!

Und hab' dich noch getauft, mein Kindchen!« –

»Und ich das Pätschchen dir gedrückt!« –

»Und ich das Öhrchen dir gezwickt!« –

»Bonbons gestopft ins Zuckermündchen!«

Und alles wunderwerkt und kräht:

»Gott, nein, wie doch die Zeit vergeht!«

XLV

Man selber nur in trockner Schöne

Blieb unverändert wie zuvor:

Die alte Exzellenz Helene

Trägt immer noch den Spitzenflor,

Noch geht geschminkt Lukerja Lwowna,

Noch immer lügt Ljubow Petrowna,

Noch ist Iwan der biedre Tropf,

Semjon der geiz'ge Rappelkopf.

Frau Bas' Pelagia scherzt noch täglich

Mit Herrn Finemouche, dem Hausgalan,

Hat noch den Spitz, den tauben Mann,

Und der ist immer noch verträglich,

Hat seinen Klub und sein Gemüt

Und seinen Bärenappetit.

XLVI

Der Grazienflor der Stadtkusinen

Erwidert zierlich Tanjas Gruß

Und mustert sie mit Gönnermienen

Erst lange stumm von Kopf zu Fuß,

Worauf man findet, daß die Kleine

Zwar linkisch provinzial erscheine,

Auch etwas blaß und wenig frei,

Doch immerhin ganz niedlich sei.

So knüpft sich denn, nach kurzem Stocken,

Naturgemäß das Freundschaftsband,

Man küßt sich, drückt sich warm die Hand,

Frisiert dem Bäschen Modelocken

Und kramt der süßen kleinen Maus

Kokett sein klein' Geheimnis aus:

XLVII

Schwarm, Späßchen, Balleroberungen,

Kabalen, Wünsche, Herzbeschwer –

Geschwätz naiver Mädchenzungen,

Ein Quentchen Bosheit nebenher.

Und dann wird Tanja trotz Erröten

Allseits bestürmt und heiß gebeten,

Zu Lohn und Dank für solch Vertraun

Auch endlich selber aufzutaun

Und ihre Beichte herzusagen.

Sie aber starrt in ihren Schoß,

Sitzt stillverträumt und teilnahmslos,

Birgt ihren Schatz an Glück und Klagen,

Wahrt unverbrüchlich, was sie litt,

Und schweigt und teilt sich keiner mit.

XLVIII

Sie sucht nun im Gesellschaftskreise

Belehrungsstoff und lauscht gespannt:

Allein auch dort wird gleicherweise

Nichts vorgebracht als bloßer Tand;

Gehaltlos, nüchtern fließt die Rede,

Sogar der Klatsch wirkt flach und öde;

Geplapper ohne Sinn und Witz

Tagaus, tagein; kein Geistesblitz,

Kein kleinstes Wort, das treffend wäre

Durch Zufall, aufs Geratewohl.

O große Welt, wie bist du hohl,

Wie frostig ist's in deiner Sphäre,

Wo nicht einmal ein Scherz gelingt,

Selbst Dummheit nicht zum Lachen zwingt!

XLIX

Die stolzen jungen Adelssprossen

Begaffen Tanja spöttisch kühl

Und machen heimlich ihre Glossen

Mit dünkelhaftem Selbstgefühl.

Ein scheuer Taps nur bringt verlegen

Im stillen ihr sein Herz entgegen

Und dichtet sie, so süß er kann,

Elegisch aus der Ferne an.

Ein Schöngeist nimmt aus Langerweile

Mit ihr vorlieb, bezeigt Humor

Und schwätzt ihr blaue Wunder vor,

Worauf ein alter Geck in Eile

Vorm Spiegel seine Löckchen streicht

Und voller Neugier näher schleicht.

L

Dort freilich, wo im Schaugepränge

Melpomene mit Leidenschaft

Vor einer stumpfen Hörermenge

Den flittergoldnen Mantel rafft,

Thaliens hehre Kunst entschwindet

Und kaum noch lauen Beifall findet,

Dieweil der jungen Lebewelt

Bloß Terpsichorens Tanz gefällt

(Wie das, ihr Leser, schon zur meinen,

Nicht erst zu eurer Zeit so war),

Dort wandte sich aus all der Schar

Kein Blick nach unsrer schlichten Kleinen,