Kein Opernglas und kein Lorgnon
Aus Logen, Sperrsitz noch Balkon.
LI
Nun wird sie ausgeführt auf Bälle:
Der Andrang hier, der Kerzenglanz,
Der schwüle Saal, die Menschenwelle,
Der Wirbel von Musik und Tanz,
Das reiche Bild, die stolzen Namen,
Die Fülle junger schöner Damen
Zur Brautwahl rings in Galerie,
All dies betäubt, bewältigt sie.
Hier macht in Musterexemplaren
Geziertes Geckentum sich breit
Mit Augenglas und Albernheit;
Hier wird von flotten Tanzhusaren
Im Flug der Urlaub ausgenützt,
Geklirrt, scharmiert – und fortgeflitzt.
LII
An Sternen ist der nächt'ge Himmel,
An schönen Mädchen Moskau reich;
Doch keines aus dem Glanzgewimmel
Kommt Lunas vollem Wunder gleich.
So leuchtet sie, mir ewig teuer,
Der doch zu nahn sich meine Leier
Nicht anmaßt, aus der Anmut Chor
Gleich sieghaft wie der Mond hervor.
Wie sie den Schimmer rings verdunkelt,
Wenn göttlich stolz sie niederschwebt,
Wie sich ihr Busen herrlich hebt,
Ihr tiefes Auge zaubrisch funkelt! ...
Poet, du schwärmst, halt ein, halt ein,
Des Wahnsinns muß ein Ende sein!
LIII
Scherz, Komplimente, Rauschen, Wehen,
Galopp, Masurka – Drang und Glut ...
Derweil sitzt abseits, ungesehen,
In zweier alter Tanten Hut
Tatjana, scheu zurückgezogen,
Und schaut verwirrt in Lärm und Wogen.
Ihr ist so schwül hier, Herz und Sinn
Zieht's heimlich in die Ferne hin,
Zum stillen Dorf, den schlichten Räumen,
Dem trauten Obdach, zur Natur,
Mit Quell und Blumen, Wald und Flur,
Zu ihren Büchern, ihren Träumen,
Zum schattig dunklen Lindenpfad,
Dorthin, wo er einst vor sie trat.
LIV
So schwebt ihr Geist hinaus ins Weite,
Gelöst von allem um sich her ...
Derweil fixiert sie von der Seite
Ein ernster hoher Militär.
Die Muhmen tauschen wechselweise
Zufriedne Blicke, zupfen leise
Tatjanens Arm und flüstern: »Kind,
Sieh rasch nach links, geschwind, geschwind!«
»Links? Wo? Was soll's denn, meine Lieben?« –
»Ei, Närrchen, kannst du denn nicht sehn:
Dort, wo die Herrn in Gruppe stehn,
In Uniform der Große drüben –
Jetzt wendet, kommt er, schau doch mal ...«
»Wer? Dort der dicke General?«
LV
Und damit wünschen wir Tatjanen
Von Herzen zum Erfolge Glück
Und kehren auf verlaßnen Bahnen
Zum Helden unsres Lieds zurück.
Um eins zuvor noch anzubringen:
»Vom jungen Freunde will ich singen,
Will seiner Launen Künder sein.
O Muse, geuß den Segen drein
Und kröne meine Dichtermühen!
Leih huldreich deinen Stab mir her,
Sonst geh' ich fehl die Kreuz und Quer'.«
So! Endlich ist er doch gediehen,
Der Anruf, den ich langehin
Dem Klassizismus schuldig bin.
Achtes Buch
Fare thee well, and if for ever,
Still for ever fare thee well.
Byron
I
Als ich in froher Schulzeit Tagen
Noch im Lyzeumsgarten saß
Und Apulejus mit Behagen,
Doch Cicero nur ungern las,
Damals im Lenz – die Knospen sprangen,
Die Wasser rauschten, Schwäne sangen –
Erschien im goldnen Frühlingsstrahl
Die Muse mir zum erstenmal.
Da füllte sich mit Himmelssonne
Mein enges Stübchen: freudig-hell
Erschloß sich mir der Dichtung Quell,
Ich sang von meiner Kindheit Wonne,
Von Kampf und Sieg der Väterzeit
Und meines Herzens erstem Leid.
II
Der Beifall kam mir froh entgegen,
Mich hob der jung erstrittne Preis:
Dershawin gab mir seinen Segen,
Der grabesmüde Dichtergreis.
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III
Allein ich frönte heißbegehrend
Nur zaumlos wilder Leidenschaft
Und tollte, Geist und Herz entehrend,
Mit meiner Muse lasterhaft,
Bei Trinkgelagen, wüsten Feiern,
Nächtlichen Straßenabenteuern:
Und dort im Rausch verstreute sie
Die Gaben, die einst Gott ihr lieh,
Sang lüstern vor den Zechgenossen
Und führte sich bacchantisch auf,
Und unsre Jugend zog zuhauf
Ihr lärmend nach durch alle Gassen ...
Wobei ich Frechling selber gar
Noch stolz auf ihren Leichtsinn war!
IV
Dann trieb das Schicksal hart und feindlich
Mich weit hinweg ... Sie blieb mir treu:
Wie oftmals hat sie sanft und freundlich
In meiner Irrfahrt Ödenei
Durch Trost im Liede mich erhoben,
Mit mir im Kaukasus da droben,
Lenoren gleich, in Vollmondnacht
Zu Roß den wilden Ritt gemacht!
Wie oft mich, wenn des Pontus Rauschen
An Tauris' Strande nächtlich schwoll,
Zum Meer geführt, um andachtsvoll
Der Nereiden Sang zu lauschen,
Der Wogen ew'gem Donnerton,
Dem Hymnus vor des Schöpfers Thron!
V
Und ferne von der Hauptstadt Freuden,
Entrückt dem Strom der großen Welt,
Gewöhnte sie auf dürren Heiden
Der Moldau im Zigeunerzelt
Sich an nomadisch rauhes Leben,
Vergaß, von niedrem Volk umgeben,
Der Göttersprache hehren Laut
Und schwärmte, fremder Art vertraut,
Für feurig-wilde Steppenweisen ...
Dann riß ein Wirbel jäh mich um –
Worauf ich sie bedrückt und stumm
Als Fräulein aus Landadelskreisen
In meinem Garten auf dem Land
Französisch lesend wiederfand.
VI
Heut stell' ich sie zum ersten Male
Auf einem Rout dem Adel vor
Und weide mich im vollen Saale
An ihrem frischen Jugendflor.
Sie schlüpft behend durch Diplomaten,
Vornehme Fraun, Aristokraten
Und elegantes Militär,
Nimmt sittsam Platz und schaut umher,
Entzückt vom Toilettenreigen,
Dem Stimmgewirr, dem edlen Prunk,
Dem Takt, mit welchem alt und jung
Sich grüßend vor der Hausfrau neigen,
Und all den Schönen, Stern an Stern,
Umrahmt von schwarzbefrackten Herrn.
VII
Das oligarchisch sichre Wesen,
Die noble Art, die Harmonie
Von Rang und Alter, auserlesen