So daß, wenn ganz in Lethargie
Versunken am Kamin er lehnte,
Pantoffel bald und bald Journal
Ins Feuer warf und tief in Qual
Dazwischen »Benedetta« stöhnte
Nebst »Idol' mio, tröste mich« –
Er täuschend einem Dichter glich.
XXXIX
Die Zeit verrann; schon blies im Norden
Der Tauwind durch das Land. Und doch:
Eugen war kein Poet geworden,
Auch nicht verrückt – und lebte noch.
Der Lenz entreißt ihn seinen Träumen:
Und eines Morgens im geheimen
Verläßt er plötzlich sein Quartier,
Darin er wie ein Murmeltier
Gewintert unter müdem Grollen;
Sein Schlitten saust in scharfem Gang
Am Eis des Newastroms entlang.
Schon bricht's und schmilzt in blauen Schollen, Auf allen Straßen schwimmt Morast ...
Doch was bedeutet diese Hast?
XL
Wo stürmt er hin? Aus welchen Gründen?
Ihr ahnt es: Sie, die er verlor,
Tatjana will er wiederfinden,
Der unverbesserliche Tor!
Schon springt er leichenblaß vom Schlitten;
Das Haus scheint leer – mit raschen Schritten Durcheilt er Flur und Saaclass="underline" auch hier
Kein Mensch ... er öffnet eine Tür –
Was ist's? Was hält ihn jäh gefangen?
Dort, dicht vor ihm, sitzt stumm gebeugt,
Das Haupt auf einen Brief geneigt,
Allein für sich, mit bleichen Wangen,
Die Fürstin, allen Schmucks entblößt,
Und ist in Tränen aufgelöst.
XLI
Wer hätte jetzt das milde Wesen
Der frühern Tanja nicht erkannt?
In diesen Zügen nicht gelesen,
Welch Leid darin geschrieben stand?
Und während ihre Tränen fließen,
Stürzt er sich jammernd ihr zu Füßen ...
Sie zittert, aber wehrt ihm nicht;
Ihr mitleidvolles Angesicht
Neigt ohne Groll zu ihm sich nieder ...
Was sein erloschnes Auge sagt,
In stummem Vorwurf fleht und klagt,
Sie weiß, sie fühlt es ... ist nun wieder
Das schlichte Mädchen, treu und klar,
Die Sanftmut, die sie früher war.
XLII
Und voll zu ihm, der schmerzzerrissen
Sich kniend beugt, den Blick gewandt,
Gewährt sie seinen heißen Küssen
Fast willenlos die matte Hand.
Wie mochte jetzt ihr Herz wohl bluten?
In stummer Pein vergehn Minuten.
Gefaßter endlich, spricht sie stilclass="underline"
»Genug denn; stehn Sie auf; ich will
Jetzt ohne Rückhalt mich erklären.
Onegin, denken Sie der Zeit,
Als damals ich voll Schüchternheit
Im Garten dort mich Ihren Lehren,
Den bittren, schweigend unterwarf?
Nun, heut bin ich's, die sprechen darf.
XLIII
Onegin, einst in jüngern Tagen
Hab' offen, in der Jugend Zier,
Mein Herz ich Ihnen angetragen;
Doch welche Antwort wurde mir?
Sie zogen vor, mich abzulehnen.
Ach, scheuer Mädchen Liebessehnen,
Sie kannten es ja längst zu gut.
Noch heute, Gott! erstarrt mein Blut,
Denk' ich des Worts aus Ihrem Munde
Und Ihres kalten Blicks! – Allein,
Das soll für Sie kein Vorwurf sein:
Sie zeigten mir in schwerer Stunde
Wahrhaftigkeit und edlen Sinn –
Wofür ich heut noch dankbar bin ...
XLIV
Damals, nicht wahr? in dürft'ger Lage,
Noch fern von Prunk und Üppigkeit,
Gefiel ich Ihnen nicht ... Ich frage:
Weshalb verfolgen Sie mich heut,
Bedrängen mich mit Gunstbeweisen?
Doch nur, weil zu den höchsten Kreisen
Mir heut die Pforten offenstehn,
Sie mich geehrt, beneidet sehn,
Mein Gatte Narben trägt vom Kriege,
Wofür der Hof uns höher stellt –
Doch nur, weil heut mich alle Welt,
Sobald ich einen Makel trüge,
Gleich lästern, aber Sie, den Mann,
Noch um Triumphe neiden kann!
XLV
Ich weine ... Wenn Ihr Herz in Treue
Noch Ihrer Tanja Bild bewahrt,
So hören Sie: die Scham, die Reue,
Ja, Ihre kränkend rauhe Art,
Dies alles wollt' ich lieber tragen
Als jetzt die Leidenschaft, die Klagen,
Die Tränen, diese Briefe hier.
Denn damals haben Sie mit mir,
Dem Kind, doch Mitgefühl besessen,
An meine Unschuld nicht gerührt ...
Und heut? Was hat Sie hergeführt?
Wie klein gedacht, wie ehrvergessen!
Gibt denn Ihr Herz, Ihr hoher Sinn
Sich solchen niedren Trieben hin?
XLVI
Und mir, Onegin, was bedeuten
Mir Glanz und Reichtum, Prunk und Schein,
Die Gunst des Hofs, die Festlichkeiten,
Der Fürstenrang, das Vornehmsein,
Dies ganze Maskeradenleben?
Wie wär' ich froh, es hinzugeben
Für meine liebe Bücherschar,
Den Garten, der mein Obdach war,
Das Elternhaus, so lang gemieden,
Für jenes stille Heimatstal,
Wo ich Sie sah zum erstenmal,
Ja für des Kirchhofs ernsten Frieden,
Wo unterm Kreuz in Gottes Hut
Die alte treue Amme ruht ...
XLVII
Und ach, wir konnten glücklich werden,
Das Glück war uns so nah gebracht! ...
Mir fiel ein andres Los auf Erden.
Ich tat auch selbst wohl unbedacht,
Doch Mutters Tränen, Mutters Bitten –
Da blieb, wie schwer sie auch gelitten,
Der armen Tanja keine Wahl ...
Ich ward vermählt. Zum letztenmal,
Eugen: Sie müssen mir entsagen:
Ich weiß auch, daß Ihr Edelmut,
Ihr Stolz von selbst das Rechte tut.
Ich liebe Sie – heut darf ich's klagen –
Doch hat ein andrer mich gefreit:
Ihm bleib' ich treu in Ewigkeit!«
XLVIII
So geht sie. Wie vom Blitz getroffen,
Zerschmettert bleibt Onegin stehn
Und sieht verzweifelt all sein Hoffen
Unwiederbringlich untergehn.
Horch: Schritte, Sporenklang – im Zimmer
Erscheint der Fürst ... Und hier für immer,
In diesem Augenblick der Not,
Da ihm Gefahr und Schrecken droht,
Entziehn wir uns dem Freund und scheiden
Für immer ... Unsre Dauerfahrt
Auf seiner Spur, o Leser, ward
Schon recht zur Last uns müden beiden.
Der Hafen ist erreicht, hurra!
Der lang ersehnte Schluß ist da!
XLIX
Ob du mein Freund, mein Feind gewesen,
Laß, lieber Leser, mich von dir
Zum Guten scheiden, nicht im Bösen.
Leb wohl! Was immer auch du hier
Gesucht im Strudel meiner Reime:
Nachklänge bunter Jugendträume,
Zerstreuung nach des Tages Müh',
Sarkasmen oder Poesie,
Nebst Schnitzern, die so unterfließen –
Wenn's glückte, fandest du darin
Zum Zeitvertreib für Herz und Sinn
Und, um es kritisch aufzuspießen,
Ein Körnchen, wenn auch noch so klein.
Und nun, leb wohl, gedenke mein!
L
Auch du leb wohl, mein Trautgefährte,
Und du, mein holdes Ideal!
Leb wohl, gewohnte, nun entbehrte,
Geliebte Arbeit! Euch zumal
Verdank' ich höchste Dichterfreuden:
Vergessenheit im Sturm der Leiden