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Der kurzen Täuschung jetzt schon rauben?

Das tut die Zeit ja später doch.

Mag denn dies Herz einstweilen noch

Ans Paradies der Erde glauben,

Und Nachsicht drum dem jungen Blut,

Dem jungen Wahn, der jungen Glut!

XVI

Sie stritten über jede Frage,

Die Stoff zum Disputieren bot:

Das Völkerschicksal grauer Tage,

Das Leben vor und nach dem Tod,

Das Vorurteil, an dem wir kranken,

Und unsrer Weisheit enge Schranken,

Ja, oft sogar ward Gott und Welt

Noch ernster Prüfung unterstellt.

Wenn dann sein Dichterherz ihm pochte,

Trug Lenski, der sich gern verlor,

Fragmente seiner Lyrik vor,

Und Freund Eugen, der lächeln mochte,

Ergab sich mit Geduld darein

Und ließ ihn hochpathetisch sein.

XVII

Ihr liebstes Thema war daneben

Der Leidenschaften Tyrannei.

Eugen, schon mehr gereift im Leben,

Beschränkte sich zumeist dabei

Auf melancholisch ernste Glossen.

Wohl dem, der Liebe tief genossen

Und ihr zuletzt sich doch entwand;

Noch besser, wer sie nie gekannt,

Der Lockung durch Verzicht begegnet,

Dem Haß durch Spott; im warmen Nest

Bei Weib und Freund sich wohl sein läßt,

Von Argwohn frei sein Schicksal segnet

Und nie sein hübsch ererbtes Geld

Dem Spieltisch zur Verfügung stellt!

XVIII

Sobald wir in der Weisheit Hafen

Nach manchem Sturm gelandet sind,

Begierden, Wunsch und Triebe schlafen,

Und nun dies ganze Labyrinth

Durchkämpfter Qual, verfehlter Ziele,

Der Nachhall einst'ger Hochgefühle,

Die mühsam wir zur Ruh' gebracht –

Uns nur noch leise lächeln macht,

Dann lauschen wir mit Wohlbehagen

Der heißen Jugend Herzenswahn.

Hört doch der blinde Veteran,

Der einst im Feld sich brav geschlagen,

Noch gern in seiner Altersruh'

Berichten jüngrer Krieger zu.

XIX

Wogegen, immer überschwenglich,

Die Jugend nicht zu schweigen weiß:

Ihr rascher Mund gibt unbedenklich

Haß, Liebe, Glück und Kummer preis.

Sich selbst als Veteranen fühlend,

Vernahm Eugen, den Ernsten spielend,

Wie sein Poet so nach und nach

Das Siegel seines Herzens brach

Und sein Geheimnis zarter Triebe

Dahingab an des Freundes Schoß.

Und so empfing er mühelos,

Die scheue Beichte erster Liebe,

Ein bunt Gewirr von Schwärmerei,

Das alte Lied, doch ewig neu.

XX

Er liebte, ach, wie heutzutage,

Kein einz'ger mehr in Lieb' entflammt,

Und wie vom Los zur Liebesplage

Nur der Poet ist noch verdammt:

In steter Sehnsucht, steter Trauer,

In ewig gleichem Wonneschauer,

In ungemindert heißem Brand!

Kein Aufenthalt in fremdem Land,

Kein hold Getändel mit den Musen,

Nicht Studium, nicht Trennungszeit,

Nicht Freundschaft noch Geselligkeit

Noch andrer schöner Mädchen Busen –

Nichts hatte je das Band, gesprengt,

Den Trieb des Herzens abgelenkt.

XXI

Er hatte früh schon aus der Ferne

Sich an Klein-Olgas Reiz erbaut

Und unschuldsvoll, ein Knabe, gerne

Dem Spiel der Kleinen zugeschaut,

Es oft im Garten selbst geleitet

Und so die Neigung vorbereitet,

Bis hier Mama und dort Papa

Im Geist das künft'ge Pärchen sah.

Auf diesem stillen Erdenfleckchen

War sie erblüht zu keuscher Pracht,

Von Elternaugen treu bewacht,

Wie ein verborgnes Maienglöckchen,

Im Grün versteckt, das holde Ding,

Vor Bienchen wie vor Schmetterling.

XXII

Sie schenkte ihm zu stiller Feier

Den ersten Traum der Seligkeit;

Der erste Seufzer seiner Leier

War ihrem süßen Bild geweiht.

Ade, ihr goldnen Jugendspiele!

Nun zog es ihn zur Waldeskühle,

Wo Einsamkeit und Schweigen wohnt,

Zur dunklen Nacht, zu Stern und Mond,

Dem guten Mond, der Himmelsleuchte,

Die uns auf jungem Liebespfad

So oft ein treuer Kamerad,

So oft ein Trost in Tränen deuchte ...

Und die man später nur noch kennt,

Wenn sonstwo kein Laternchen brennt.

XXIII

Stets artig, folgsam, sanft, bescheiden,

Stets heiter wie das Morgenrot,

Unschuldig wie des Dichters Freuden,

Gleich einem Kuß, den Liebe bot,

Die Augen blau, die blonden Zöpfchen,

Der Gang, der Wuchs, das feine Köpfchen,

Dies alles zwang in Olgas Bann.

Jedoch in jedem Schundroman –

Man liest ihn wohl in Mußestunden –

Wird euch ihr Konterfei beschert.

Ich selber hab' es einst verehrt,

Doch später recht banal gefunden.

Drum laßt uns, ohne umzusehn,

Zur ältren Schwester übergehn.

XXIV

Sie hieß Tatjana ... Solcherweise

Bin ich's zuerst, der unverzagt

Euch diesen Namen niedrer Kreise

Gar im Roman zu bieten wagt.

Warum auch nicht? Er klingt poetisch,

Obschon, ich weiß es, zart ästhetisch

Geschulten Ohren sehr trivial,

Vulgär. Nun, in der Namenwahl

(Von unsern Versen ganz zu schweigen)

Vermögen wir trotz Bildungslack,

Wir alle, weder viel Geschmack

Noch eben viel Kultur zu zeigen;

Uns blieb vom Segen höhern Lichts

Nur Affektiertheit – weiter nichts.

XXV

Kurzum: Tatjana hieß sie eben.

Mit jener frischen Wangenpracht,

Der Schönheit und dem quicken Leben

Der Schwester war sie nicht bedacht.

Schwermütig, wortkarg, ernst und eigen,

Scheu wie ein Reh im Waldesschweigen,

Erschien sie im Familienkreis

Wie ein verpflanztes, fremdes Reis.

Den Eltern zärtlich anzuhängen

Verstand sie nicht; als Kind sogar

Vermied sie schon, sich in die Schar

Der Spielgenossen einzumengen,

Und hockte lieber ganz allein

Am Fenster, um für sich zu sein.

XXVI

Solch stundenlanges Träumespinnen,

Von Kindheit auf ihr liebster Hang,

Verklärte ihren weichen Sinnen

Den dörflich stillen Alltagsgang.

Zum Nähen wie zu Handarbeiten

Gelang es nicht sie anzuleiten,

Dergleichen häuslich frohe Pflicht

Geriet den zarten Händchen nicht.

Den Trieb zum Herrschen offenbaren

Sonst Mädchen zeitig: schon das Kind

Erzieht sein Püppchen, lernt geschwind

Die spätre Kunst in jungen Jahren

Und wiederholt mit strengem Ton

Dem kleinen Balg Mamas Lektion.

XXVII

Doch selbst in diesen Kindestagen

Ließ Tanja derlei Spielzeug ruhn,

Sie mochte nie die Püppchen tragen,

Mit ihnen schwatzen, zärtlich tun,

Auch nichts von Kinderspäßen hören.

Allein bei schönen Schauermären

Am warmen Herd zur Winterzeit

Ward ihr das Herzchen wohlig weit.

Selbst wenn die Amme Spielgenossen

Zum Fangball auf die Wiese rief

Und Olga fröhlich sprang und lief,

Tat sie nicht mit und schien verdrossen,