Ein Schall doch von mir Kunde bringt,
XL
Um da und dort ein Herz zu rühren;
Daß, vom Geschick bewahrt, fortan
Mein Lied im Strom sich nicht verlieren,
In Lethes Nacht versinken kann;
Ja, daß vielleicht (o schönstes Hoffen!)
Einst noch der dümmste Narr betroffen
Vor meinem Bilde stille steht
Und staunend ausruft: »Welch Poet!«
Dir aber sag' ich treuverbunden,
O Freund der Musen, wärmsten Dank,
Wenn mein bescheidner, flücht'ger Sang
In deiner Brust Asyl gefunden
Und gönnerhaft dein Finger rührt
Den Lorbeer, der das Haupt mir ziert.
Drittes Buch
Elle était fille, elle était amoureuse.
Malfilâtre
I
»Schon fort? Ein Kreuz mit euch Poeten!« –
»Leb wohl, Onegin, höchste Zeit!« –
»Schön, schön, ich will dich nicht verspäten; Doch wohin eilst du? Gib Bescheid.« –
»Zu Larins.« – »Hm ... Gesteh mal ehrlich:
Ist's auf die Dauer nicht beschwerlich,
Dies Hocken in Familie, sprich?« –
»Durchaus nicht.« – »Traun, das wundert mich; Man malt sich solche Dorfgeschichte –
So ist's doch? – schon von weitem aus:
Ein russisch-philiströses Haus,
Sehr gastfrei, eingemachte Früchte,
Nebst ewig gleichem Redeschwall
Von Wetter, Flachs und Rinderstall ...« –
II
»Das läßt sich immer noch ertragen.« –
»Man stirbt vor Langerweile, Freund.« –
»Dir mag die große Welt behagen,
Mich lockt ein Heim, wo traut vereint
Zwei Herzen ...« – »Himmelst du schon wieder?
Freund, bitte, keine Schäferlieder!
Du fährst nun, schade. Noch ein Wort:
Hör, Lenski, könnt' ich wohl mal dort
Die Phyllis sehn, die all dein Dichten
Begeistert, stets im Traum dir nah,
Und Harm und Schwarm et cetera? ...
Stell mich doch vor.« – »Du scherzt.« – »Mitnichten!« –
»Dann gern.« – »Wann also?« – »Gleich, steig ein, Wir werden sehr willkommen sein.« –
III
»Wohlan!« – Sie fahren los, gelangen
Ans Ziel und sehn sich allbereit
Behaglich-würdevoll empfangen
Mit umstandsreicher Gastlichkeit.
Hier ist die alte Zeit zu spüren:
Auf kleinen Tellern Konfitüren,
Gastfreundlich wird herangeschafft
In hohem Kruge Beerensaft.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV
Der Abend kommt, die Freunde scheiden
Und kutschen heim bei Dämmerlicht.
Nun laßt uns hören, was die beiden
Zu reden haben. Lenski spricht:
»Du gähnst, Onegin?« – »Laß das Fragen,
Gewohnheit, Freund, hat nichts zu sagen.« –
»Doch mehr als sonst.« – »Ach was, egal!
Wie schnell es dunkelt, schau doch mal!
Andrjuschka, zugefahren! Scheußlich,
Dies öde Feld ... Na, tut mir leid:
Mama wirkt etwas bäurisch breit,
Scheint aber sonst ganz brav und häuslich ...
Daß der verdammte Beerensaft
Mir nur keine Beschwerden schafft!
V
Hm ja, die Töchter ... wer von beiden
War Tanja?« – »Jene, die so trüb
Und schweigsam, wie um uns zu meiden,
Ans Fenster trat und abseits blieb.« –
»Dich reizt die Jüngre?« – »Ja – weswegen?« –
»Mir wär' an jener mehr gelegen,
Wär' ich, wie du, apollbeseelt:
Den Augen deiner Olga fehlt,
Gleichwie van Dycks Madonnen, Leben;
Ihr Rosenlärvchen, prallgesund,
Gleicht dort dem Mond, der dumm und rund
Sich anschickt, uns Geleit zu geben.«
Wladimir wich der Antwort aus
Und schwieg verdrossen bis nach Haus.
VI
Bei Larins hatte mittlerweile
Eugens Besuch sehr vorteilhaft
Und tief gewirkt. Mit Windeseile
Drang dies Gerücht zur Nachbarschaft:
Die Neuigkeit ward flugs verbreitet,
Es ward geklatscht, geraunt, gedeutet,
Und man verriet sich mitteilsam
Tatjanens künft'gen Bräutigam.
Ja, ganz Erfahrne wollten wissen,
Die Heirat sei perfekt, jedoch
Verschoben, denn man habe noch
Um neue Ringe schreiben müssen.
Daß Olga Lenski zugedacht,
Galt allen längst als ausgemacht.
VII
Tatjana nahm Geschwätz und Fragen
Unwillig auf, doch insgeheim
Empfand sie leises Wohlbehagen –
Unmerklich wuchs der Neigung Keim;
Bis endlich, was den Blick noch trübte,
Der klaren Sonne wich: sie liebte ...
So aus dem Schoß der Erde sprießt
Die Saat, sobald der Frühling grüßt.
Längst trieb ein scheues Glücksverlangen
Sie ruhelos durch Qual und Lust,
Längst sehnte sich die junge Brust
Aus tiefem Wirrsal, stetem Bangen
In keuschen Wonnen aufzugehn:
Das Seelchen suchte – irgendwen
VIII
Und harrte ... Endlich kam der Rechte.
»Der ist es!« rief ihr Herz befreit.
Ach, nun ist alles, Tag und Nächte,
Der stille Traum der Einsamkeit
Von ihm erfüllt, und all ihr Denken,
Ihr Hoffen, Fühlen, Sichversenken
Gilt einzig ihm! Sie weicht im Haus
Dem heitren Wort der Ihren aus,
Entzieht sich treubesorgten Fragen.
Sie wandelt wie verstört umher
Und kann nun kaum die Gäste mehr
Mit ihrem Alltagsklatsch ertragen,
Die stets im Kommen so geschwind
Und zum Verzweifeln seßhaft sind.
IX
Wie jetzt Romane sie beglücken,
Wie eifrig sie nun liest und liest,
Mit immer steigendem Entzücken
Der holden Täuschung Reiz genießt!
Der Phantasie geschäftig Walten
Haucht Leben in die Traumgestalten,
Der Freund der Julia Volmar,
Malek-Adhel und de Linar
Und Werther, dieses Herz in Flammen,
Selbst Grandison in seiner Pracht
(Der mich gewöhnlich schläfern macht),
Sie fließen all in eins zusammen,
In eines einz'gen herrlich Bild:
Eugen, dem ihre Sehnsucht gilt.
X
Sie malt sich aus, die Heroine
Der Lieblingsdichtungen zu sein,
Clarissa, Julia, Delphine;
Durchstreift mit ihrem Buch allein
Den stillen Wald, um dort zu träumen;
Was sie bekümmert, im geheimen
Ihr Herz beseligt, Harm und Glück,
Es spiegelt ihr das Buch zurück.
Und während sie mit allen Sinnen
Bei fremdem Leid und fremder Lust,
Beginnt ihr Geist, halb unbewußt,
An ihn ein Briefchen auszuspinnen ...
Allein, was sonst mein Held auch war –
Ein Grandison doch nimmerdar.
XI
Ein idealisch reiner Schimmer
Umfloß den Dichter alter Zeit: