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Und als die natürlichen Grundlagen des Planeten zusammenbrachen, mussten die Menschen feststellen, dass sie noch immer nur in ein Ökosystem eingebettete Tiere waren; und als es starb, starben auch sie.

Derweil arbeiteten auf dem Mars die Roboter weiter. Geduldig verwandelten sie das trübe Sonnenlicht und den roten Staub und die Kohlendioxid-Luft in Fabriken, die ihrerseits Kopien der Roboter selbst produzierten, mit gelenkigen Beinen, Solarzellen-Panzern und Silizium-Gehirnen.

Die Roboter übermittelten den Arbeitsfortschritt an ihre Schöpfer auf der Erde. Es kam keine Antwort. Aber sie arbeiteten trotzdem weiter.

Unter dem blutorangefarbenen Himmel des Mars kamen und vergingen die Generationen in schneller Folge. Natürlich war keine Replikation, ob biologisch oder mechanisch, jemals perfekt. Manche Varianten arbeiteten besser als andere. Und die Roboter waren aufs Lernen programmiert – sie sollten übernehmen, was funktionierte und eliminieren, was nicht funktionierte. Die Schwachen starben aus. Die Starken überlebten und gaben die konstruktiven Neuerungen an die nächste mechanische Generation weiter.

So hatten Variation und Selektion sich etabliert.

Und die Roboter arbeiteten weiter und weiter, bis die alten Meeresböden und Schluchten mit glänzenden insektenartigen Metallpanzern bedeckt waren.

DREI

Nachfahren

KAPITEL 17

Ein langer Schatten

Ort und Zeit unbekannt

I

Aus einem Kälteschlaf zu erwachen war etwas ganz anders, als wenn man im eigenen Bett neben seiner Frau aufwachte. Es war eher so, als sei man in einen großen Bottich mit einer klebrigen Flüssigkeit geworfen worden und würde allmählich wieder auftauchen.

Doch nun riss der Nebel auf, und ein sich vergrößernder Kreis aus Licht zentrierte sich um ein verschwommenes Gesicht. Das Gesicht gehörte zu Ahmed, dem Splot – dem Chefpiloten – und nicht dem Kommandierenden Offizier. Das war für Snowy das erste Anzeichen, dass etwas nicht stimmte.

»Alles in Ordnung? Bist du in Ordnung?«, fragte Ahmed. Bevor er die Injektion bekam, hatte Snowy verschiedene Reaktionen auf den Weckruf geprobt. Er lächelte und hob den Mittelfinger der rechten Hand. »Jede Landung, nach der man noch auf eigenen Beinen zu gehen vermag, ist eine gute Landung.« Seine Stimme klang wie ein Reibeisen; sein Mund war völlig ausgedörrt.

»Noch gehst du aber nicht, Klugscheißer«, sagte Ahmed grimmig.

»Wo ist Barking?« Robert Madd, der mit einem der weniger originellen Spitznamen der Royal Navy gesegnet war, war der Kommandierende Offizier der Einheit.

»Später«, sagte Ahmed. Er trat zurück und gab Snowy den Blick auf die Metallwände der Grube frei. Dann warf er ein Proviantpäckchen aufs Bett. »Stehen Sie auf. Helfen sie mir bei den anderen.«

Snowy – Robert Wayne Snow, Alter einunddreißig Jahre – war ein Leutnant in der British Royal Navy, wodurch er zumindest geneigt war, den seltsamen Befehl zu befolgen. Also setzte er sich mühsam auf.

Die Grube war ein schlachtschiffgrauer Zylinder; die Wände waren kahl bis auf die Instrumente und Sensorkonsolen. Das Licht kam von Strom sparenden Leuchtkörpern, die alles in ein fahles Licht tauchten. Die Instrumente waren alle tot, die Bildschirme schwarz. Es war wie im Innern eines Öltanks. Der Raum war mit Kojen angefüllt, mit zwanzig aufeinander gestellten Pritschen. Kunststoffpanzer lagen auf den Betten. Ahmed ging im Raum umher, öffnete die Panzer der Reihe nach und schloss die meisten wieder.

Snowy war splitternackt, aber er fror nicht. Er nahm das Proviantpäckchen an sich. Es war ein durchsichtiger Beutel mit vakuumverpackten Bananen, Schokolade und anderen Leckereien. Er riss ihn mit dem einzigen Werkzeug auf, das er hatte: mit den Zähnen. Der Beutel platzte auf, und die Luft entwich. Er ließ den Inhalt aufs Bett fallen und stopfte sich eine Banane in den Mund. Er fühlte sich, als hätte er gerade einen Marathonlauf absolviert. Er hatte schon zweimal zu Ausbildungsund Auswertungszwecken im Kälteschlaf gelegen; jeweils eine Woche lang. Es war eine Besonderheit des Vorgangs, dass man dabei nicht fror, sondern nur mit einem Heißhunger aufwachte: Das lag daran, dass der Körper langsam seine Speicher leerte, um sich am Leben zu erhalten; das sagten jedenfalls die Medicos.

Doch etwas stimmte nicht mit der Koje. Er sah die Stelle, wo er gelegen hatte – sein Körper hatte einen deutlichen Abdruck hinterlassen, wie die grässliche Szene in Psycho, wo die tote Mutter im Bett gelegen hatte. Er drückte auf die Matratze. Sie war klumpig und hart. Und die Laken, auf denen er gelegen hatte, zerfielen schon bei der ersten Berührung – als seien sie Bandagierungen einer Mumie.

Furcht stieg in ihm auf.

Ahmed half gerade einem Mädchen aus einer der oberen Kojen. Ihr Name war June, was ihr natürlich den Spitznamen Mond eingetragen hatte. Sie war hübsch, ob sie nun Kleider anhatte oder nicht; doch wo sie nun nackt war, wirkte sie zerbrechlich, sogar kränklich, und Snowy verspürte nur noch den Impuls, ihr zu helfen, als sie unbeholfen aus der Koje stieg. Sie zuckte zurück, als ihr nackter Körper das Metall streifte.

Wo Moon nun wach war, wurde Snowy verlegen. Er griff unter seine Koje und suchte nach den Kleidern.

… Doch der Boden schien geneigt sein. Er richtete sich auf und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, aber der kahle Boden schien noch immer geneigt, und die eigentlich senkrecht stehenden Kojen standen schräg. Nicht gut, sagte Snowy sich. Dass dieser Hundert-Tonnen-Bunker gekippt war, verhieß nichts Gutes.

Er griff wieder unters Bett. Der Pappkarton, der seine Kleidung enthalten hatte, war verschwunden. Die Kleidung war noch da und lag auf einem Haufen. Doch als er nach ihnen griff, zerfielen die Kleidungsstücke genauso wie die Laken auf dem Bett.

»Vergiss es«, rief Ahmed. »Zieh die Fliegerkombi an. Sie scheinen überdauert zu haben.«

»Überdauert?«

»Es wird wohl daran liegen, dass sie aus Synthetik sind.«

Snowy tat wie geheißen. Die Stiefel waren ebenfalls noch unversehrt, wie sich herausstellte; sie bestanden nämlich aus einem unverwüstlichen Kunststoff. Aber er hatte keine Strümpfe mehr, was vielleicht zu einem Problem werden würde.

Snowy fütterte Mond mit dem Inhalt ihres Proviant-Päckchens, während Ahmed den Rundgang fortsetzte.

Die Erwachten versammelten sich im Kreis und setzten sich auf die untersten Kojen. Aber es waren nur fünf von ihnen, fünf von zwanzig, die hier eingelagert worden waren. Die fünf waren Snowy, Ahmed, Sidewise, das Mädchen Moon und ein junger Pilot namens Bonner.

Zuerst futterten sie schweigend Bananen und Schokolade und tranken Wasser. Snowy wusste, dass das eine gute Idee war. Wenn man sich unversehens in einer neuen Situation befand, empfahl es sich, sich erst einmal hinzusetzen, zuzuhören und nachzudenken und sich dann an die neue Lage anzupassen.

Snowy hatte Ahmed erneut nach dem Kommandierenden Offizier gefragt. Ahmed zeigte ihn ihm. Barking Maddens Körper war geschrumpft und verschrumpelt, buchstäblich mumifiziert; das Skelett war nur noch mit zähem Fleisch bespannt. Der Rest, die anderen vierzehn, sahen genauso aus.

Sidewise konnte natürlich den Mund nicht halten. Sidewise war ein Luftwaffenoffizier. Er war ein dünner Mann mit einer intensiven Ausstrahlung und verdankte seinen Spitznamen der Angewohnheit, sich im Krebsgang zu bewegen, wann immer er auf eine Tanzfläche gelangte. Nun ließ er den Blick über die kleine Gruppe schweifen. »Verdammter Mist«, sagte er zu Snowy. »So viel zu den Sicherheitstoleranzen.«