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»Klappe halten«, sagte Ahmed schroff.

»Wann war denn nun der Weckruf?«, fragte Bonner Ahmed.

»Es gab gar keinen«, sagte Ahmed.

»Wenn es keinen Weckruf gab, was hat uns dann geweckt?«

Ahmed zuckte die Achseln. »Vielleicht hat die Grube eine automatische Zeitschaltung. Oder wir sind durch einen technischen Defekt geweckt worden.«

Bonner war ein gut aussehender junger Mann, obwohl er durch eine der gentechnisch fabrizierten Seuchen die gesamte Körperbehaarung verloren hatte. Er strich sich mit der Hand über den kahlen Kopf. Er hatte einen leichten walisischen Akzent. »Vielleicht haben wir es auch übertrieben. Die Grube war eigentlich als Cryolager für Samen, Tierembryos und solchen Kram vorgesehen. Als Rückversicherung gegen das Massensterben. Aber nicht für Menschen…«

»Und schon gar nicht für Menschen wie dich, Bonner«, sagte Snowy. »Vielleicht hast du mit deinen Fürzen die Dichtungen zerfetzt.«

Dieser derbe Humor schien die Gruppe zu entspannen, wie Snowy gehofft hatte.

»Diese Grube war ursprünglich für Elefantenembryos oder was auch immer erbaut worden, aber sie war auch für die Benutzung durch Menschen zugelassen. Wir alle haben uns doch die Vorträge über die Sicherheitsparameter und Zuverlässigkeit der Systeme angehört.«

»Sicher«, sagte Sidewise. »Aber jedes System wird einmal versagen, egal wie gut es gebaut wurde. Das ist nur eine Frage der Zeit.« Das brachte sie zum Schweigen. »Hat jemand auf die Uhr geschaut?«, fragte Sidewise.

Die meisten Instrumente der Grube waren tot. Aber es hatte auch noch eine mechanische Uhr gegeben, die von der thermischen Energie der tief verwurzelten Pflanzen angetrieben wurde. Bevor sie in den Kälteschlaf gefallen waren, hatten sie sich alle mit der Arbeitsweise der Uhr vertraut gemacht – die Zähne bestanden aus Diamant, der praktisch unverwüstlich war, das Ziffernblatt umspannte den gewaltigen Zeitraum von fünfzig Jahren und so weiter. Mit dieser nicht allzu subtilen psychologischen Maßnahme hatte man sie vergewissert, dass – wie lange sie auch hier draußen in der Erde lagen, was auch immer aus der Außenwelt werden würde, was auch immer sonst in der Grube versagen würde – sie immer wissen würden, wie spät es war.

Doch nun sah Snowy, dass die Uhrzeiger vom Anschlag blockiert wurden.

Snowy dachte an seine Frau Clara. Sie war schwanger gewesen, als er sich in den Kälteschlaf hatte versetzen lassen. Fünfzig Jahre? Das Kind wäre längst geboren, aufgewachsen und hatte schon eigene Kinder. Vielleicht sogar schon Enkelkinder. Nein. Er wies diesen Gedanken von sich. Das ergab keinen Sinn; man vermochte kein menschliches Leben zu führen, wenn eine Lücke von fünfzig Jahren darin klaffte.

Und Sidewise redete immer noch. »Mindestens fünfzig Jahre«, sagte er gnadenlos. »Was glaubt ihr wohl, wie lange es gedauert hat, bis Barkings Körper so mumifiziert wurde und unsere ganze Kleidung verrottet ist?« Das war das Problem mit Sidewise, sagte Snowy sich. Er hatte keine Hemmungen, das zu sagen, woran alle anderen nicht einmal zu denken wagten.

»Genug«, blaffte Ahmed. Er war ein kleiner, kräftiger und kompakter Mann. »Barking ist tot. Nun übernehme ich als Dienstältester hier das Kommando.« Er schaute sie finster an. »Hat jemand ein Problem damit?«

Moon und Bonner schienen sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen zu haben. Sidewise lächelte eigentümlich, als würde er ein Geheimnis hüten, das er nicht mit ihnen teilen wollte.

Snowy zuckte die Achseln. Er wusste, dass Ahmed als ein watch chief gedient hatte, das Marine-Äquivalent eines Stabsfeldwebels. Snowy hielt ihn für kompetent, auch für klug, aber für unerfahren. Und er war sogar so unbeliebt, dass man ihm nicht einmal einen Spitznamen verpasst hatte. Aber es gab niemanden, der besser qualifiziert gewesen wäre, unabhängig von seinem Rang. »Ich schlage vor, dass Sie den Laden übernehmen, Sir.«

Ahmed schaute ihn dankbar an. »In Ordnung. Die Lage ist die: Wir sind nicht geweckt worden. Es besteht überhaupt kein Kontakt zur Außenwelt. Ich vermag nicht einmal zu sagen, wann wir überhaupt zum letzten Mal Kontakt hatten. Dazu sind zu viele Systeme heruntergefahren.«

»Dann wissen wir also nicht, was draußen vorgeht«, sagte Moon.

»Sagen Sie uns, was wir tun sollen«, sagte Snowy.

»Wir werden von hier verschwinden. Wir brauchen keine Schutzausrüstung. Es sind noch genügend Außensensoren intakt, um uns das zu sagen.«

Das war eine Erleichterung, sagte Snowy sich. Er hätte sich nämlich sehr ungern auf den Schutz durch seinen ABC-Anzug verlassen – atomar-biologisch-chemisch –, falls er dem gleichen massiven Alterungsprozess unterlegen wäre wie ihre andere Bekleidung.

Ahmed zog einen Stahlbehälter unter jeder Koje hervor. Darin befanden sich Pistolen, Walther PPKs, die in mit Öl gefüllten Plastikbeuteln verpackt waren. »Ich habe schon eine überprüft. Wir können sie draußen testen.« Dann gab er die Waffen aus.

Snowy riss den Beutel auf, wischte die Pistole an den zerfallenden Laken ab und steckte sie sich in den Gürtel. Die Masse hatte etwas Beruhigendes. Dann durchsuchte er die Überlebens-Ausrüstung: Helm, Rettungsweste, kugelsichere Weste – eine Pilotenausrüstung. Die Kunststoffbauteile schienen unversehrt, aber die Textil- und Gummiteile waren marode. Er suchte sich das aus, was er glaubte brauchen zu können. Schweren Herzens ließ er seinen Helm zurück, den bewährten Kopfschutz, auch wenn es ein Blauhelm der Vereinten Nationen war. Er bezweifelte aber, dass er heute in ein Flugzeug steigen würde.

Sie versammelten sich am Ausgang. Die Bunkertür war schwer, hatte abgerundete Kanten, war luftdicht und wurde mit einem Stellrad bedient; sie glich einem U-Boot-Schott. Ahmed erbrach die Dichtung.

Sie haben alle die Hosen voll, erkannte Snowy, auch wenn keiner es vor den anderen zeigen wollte.

»Was glaubt ihr, was wir draußen vorfinden werden?«, flüsterte Sidewise. »Russen? Chinesen? Bombenkrater, Kinder mit zwei Köpfen? Leute mit Affenmasken wie beim Planeten der Affen?«

»Halt die Schnauze, Side, du Spinner!«

Mit Brachialgewalt drehte Ahmed das Rad. Die letzte Dichtung zerbrach mit einem Knacken. Die Tür schwang zurück. Grünes Licht flutete herein.

Cryobiologie war inzwischen eine etablierte Branche.

Der Schlüssel zu ihrer Nutzung bestand darin, dass tief unterhalb des Gefrierpunkts von Wasser Moleküle die hohe Geschwindigkeit verringerten, die chemische Reaktion überhaupt erst ermöglichte. So vermochte man Blutkonserven für ein Jahrzehnt und länger zu lagern. Man vermochte Hornhaut, Organ- und Nervengewebe einzufrieren, aufzutauen und wieder zu verwenden. Man vermochte sogar Embryonen einzufrieren. Doch die Kälte war ein zweischneidiges Schwert; sich ausdehnende Eiskristalle hatten nämlich die unangenehme Eigenschaft, Zellwände zu zerstören. Deshalb injizierten die Medicos Frostschutzmittel wie Glycerol und Dimethyl-Sulfoxid ins Gewebe.

Das Einfrieren und die Wiederbelebung von einem komplexen und ausdifferenzierten Organismus – zum Beispiel eines hundert Kilogramm schweren blasphemischen Marinefliegers – stellte freilich eine ganz andere Hausforderung dar. In Snowys Körper gab es viele unterschiedliche Zellarten, von denen jede ein anderes Einfrier-Auftau-Profil erforderte. Schließlich hatte man es mit einem gentechnischen Kniff hinbekommen. Snowys Zellen waren in die Lage versetzt worden, einen natürlichen Frostschutz zu produzieren – Glykoproteine. Diesen Trick hatte man den Kaltwasserfischen abgeschaut, sodass das Einfrieren auf der Ebene der Zellen selbst reguliert wurde.