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Snowy setzte sich auf. Er schaute durch einen leeren Fensterrahmen in der Kirchenmauer. Aber er sah nichts. Das Land lag in völliger Dunkelheit, und es leuchtete kein einziges Licht. Vielleicht war es überall so dunkel wie hier. Vielleicht war ihr Feuer das einzige Licht in ganz England – oder auf dem ganzen verdammten Planeten. Das war eine erschreckende, unglaubliche und zugleich unakzeptable Vorstellung. Vielleicht kam Sidewise damit klar, Snowy bestimmt nicht.

Irgendein Tier heulte draußen in der Nacht.

Er warf noch etwas Holz ins Feuer und grub sich tiefer in seinen Blätterhaufen.

Sidewise hatte Recht gehabt. Der Mars war nicht mehr da.

Die Replikatoren, Ian Maughans Robotsonden hatten überlebt. Das Programm war eine Vorstufe zur menschlichen Kolonisierung des Planeten. Die replizierenden Roboter hätten die Anweisung erhalten sollen, Unterkünfte für menschliche Astronauten zu bauen, Fahrzeuge und Computer, Luft und Wasser zu synthetisieren und Nahrungsmittel für sie anzubauen.

Doch die Menschen kamen nicht. Sie erteilten nicht einmal mehr Befehle.

Damit hatten die replizierenden Roboter allerdings kein Problem. Wie sollten sie auch? Solange man ihnen nichts anderes sagte, bestand ihr einziger Zweck im Replizieren. Nichts anders zählte, nicht einmal das seltsame Schweigen von der blauen Welt am Himmel.

Und sie replizierten auf Teufel komm raus.

Viele Modifikationen wurden erprobt, integriert und auch verworfen. Es dauerte nicht lang, bis eine durchgreifend bessere Konstruktion entstand.

Die Replikatoren integrierten die Fertigungskomponenten nun in ihre Körper. Die neue Art sah aus wie führerlose Zugmaschinen, die sich durch den roten Staub wälzten. Jede wog ungefähr eine Tonne. Und jede brauchte ein Jahr, um eine Kopie von sich anzufertigen – eine viel kürzere Reproduktionszeit als zuvor, weil sie nun dorthin zu fahren vermochten, wo die Ressourcen waren.

Nach einem Jahr hatte die Anzahl des neuen Replikator-Typs sich verdoppelt. Und ein Jahr später hatte wieder jede Maschine eine Kopie von sich produziert, sodass die ursprüngliche Anzahl sich bereits vervierfacht hatte. Und im darauf folgenden Jahr waren es schon achtmal so viele. Und so weiter.

Das Wachstum verlief exponentiell. Und das Resultat war vorhersehbar.

Innerhalb eines Jahrhunderts hatten die Fabrikroboter sich über den gesamten Mars ausgebreitet, vom Äquator bis zu den Polen, vom Gipfel des Mons Olympus bis in die Tiefen des Hellas-Kraters. Ein paar von ihnen wurden in Konflikte wegen Ressourcen verwickelt: Es wurden langsame, logische und mechanische Kriege geführt. Andere legten Gruben an, um die tieferen Bodenschätze des Mars auszubeuten. Wenn man in die Tiefe ging, waren noch immer viele Ressourcen vorhanden – zumindest für eine Weile.

Die Minen wurden immer tiefer vorgetrieben. An manchen Stellen brach sogar schon die Kruste ein. Aber sie gruben immer weiter. Der Mars war eine kalte, harte Welt, deren Inneres vorwiegend aus Gestein bestand. Das unterstützte das Vortreiben von Stollen und Schächten. Jedoch stießen die immer tiefer grabenden Replikatoren auch auf neue Bedingungen, an die sich anpassen mussten. Dazu waren sie natürlich in der Lage.

Trotzdem stellte die Penetration des Mantels sie vor gewisse technische Herausforderungen. Der Vorstoß in den Kern war ebenfalls nicht unproblematisch.

Der Mars wog hundert Trillionen mal so viel wie ein Selbstfahr-Replikator. Dennoch war es eine geringe Masse angesichts der Formel ›Verdopplung-pro-Generation‹. Wegen der ständigen Konflikte war die Wachstumsrate suboptimal. Nichtsdestoweniger war der Mars schon nach ein paar hundert Generation von der Bildfläche verschwunden, und seine ganze Substanz steckte nun in den glitzernden Leibern der Replikatoren.

Nachdem sie den ganzen Planeten in Kopien ihrer selbst umgewandelt hatten, schwärmten die Replikatoren mit Sonnensegeln, Fusionstriebwerken und sogar mit primitiven Antimaterie-Triebwerken auf der Suche nach Rohstoffen im Sonnensystem aus.

Am nächsten Tag durchstreifen sie die Landschaft um die Stadt. Snowy sah Vögel, Eichhörnchen, Mäuse, Kaninchen und Ratten. Das war aber auch fast schon alles. Vögel schien es auch nicht mehr allzu viele zu geben. Das Land war still, als ob alle Lebewesen aufgesammelt und weggeschafft worden wären.

Aber die Ratten waren zum Teil große Brocken. Und dann waren da noch die Ratten-Wölfe, die er jedenfalls gesehen zu haben glaubte. Was auch immer sie waren, sie flohen bei seiner Annäherung.

Nagetiere hatten immer schon mit Primaten konkurriert, sagte Sidewise sich. Selbst auf dem Gipfel der technischen Zivilisation war es den Menschen lediglich gelungen, die Nagetiere einigermaßen außer Sichtweite und von der Nahrung fern zu halten. Und wo die Menschen nun von der Bildfläche verschwunden waren, erlebten die Ratten offensichtlich eine Blütezeit.

Die Jagd war aber einfach. Snowy legte versuchsweise ein paar Schlingen aus. Und es funktionierte. Die Hasen und Mäuse waren richtig zutraulich. Das war aber auch ein schlechtes Zeichen, denn bei näherer Überlegung bedeutete es, dass sie schon seit einiger Zeit keine Menschen mehr gesehen hatten.

Am Ende des zweiten Tages sagte Ahmed ihnen, dass sie sich in der Kirchenruine im Kreis auf verwitterte schwarze Steinblöcke setzen sollten.

Snowy war sich der subtilen Veränderungen bewusst, die in der Gruppe stattgefunden hatten. Moon senkte den Blick und vermied es, den anderen in die Augen zu schauen. Bonner, Ahmed und Sidewise musterten sich gegenseitig und Snowy mit Berechnung.

Ahmed hielt ein leeres Rationspäckchen in die Höhe. »Hier können wir nicht bleiben. Wir brauchen einen Plan.«

Bonner schüttelte den Kopf. »Das Wichtigste ist, dass wir andere Menschen finden.«

»Wir müssen uns der Realität stellen«, sagte Sidewise. »Es gibt keine anderen Menschen mehr – wir sind auf uns allein gestellt. Wir haben bisher niemanden gesehen. Und wir haben auch keinerlei Anzeichen dafür gesehen, dass irgendjemand sich in letzter Zeit in dieser Gegend aufgehalten hätte.«

»Keine Kondensstreifen«, sagte Ahmed und wies zum Himmel. »Das Funkgerät ist tot, auf allen Frequenzen. Die Satelliten sind ausgefallen. Irgendetwas Schlimmes ist passiert.«

Moon lachte humorlos. »Das kannst du laut sagen.«

»Wir wissen nicht, was letztlich passiert ist. Als es zu Ende ging, muss aber das Chaos ausgebrochen sein. Wir haben keinen Kampfauftrag erhalten. Man hat uns vermutlich ganz vergessen. Bis wir durch einen Zufall wieder belebt wurden.«

»Wie lang, Sidewise?« Snowy musste sich förmlich zu dieser Frage zwingen.

Sidewise rieb sich die Nase. »Schwer zu sagen. Wenn wir eine Sternkarte hätten, dann könnten wir es an Hand der veränderten Position der Sterne ermitteln. In Ermangelung einer solchen müssen wir uns am Reifegrad des Eichenwaldes orientieren.«

»Du bist doch wirklich ein verdammtes Arschloch«, blaffte Bonner. »Wie verdammt lang? Fünfzig Jahre, sechzig…«

»Nicht weniger als tausend Jahre«, sagte Sidewise mit gepresster Stimme. »Vielleicht noch mehr. Wahrscheinlich sogar mehr.«

Sie schwiegen. Das mussten sie erst einmal verdauen. Und Snowy schloss die Augen und stellte sich vor, dass er vom Deck eines Flugzeugträgers in die Dunkelheit fiel.

Tausend Jahre. Und doch bedeutete es auch nicht mehr als die Kluft von fünfzig Jahren, die ihn, wie er gedacht hatte, von seiner Frau trennte. Vielleicht sogar noch weniger, denn es war einfach unvorstellbar.

»Das ist vielleicht eine schöne Zukunft«, sagte Bonner mürrisch. »Keine Autos mit Düsenantrieb. Keine Sternen-Schiffe, keine Städte auf dem Mond. Nur diesen Scheiß.«

»Wir müssen davon ausgehen«, sagte Ahmed, »dass wir hier niemanden mehr finden werden. Dass wir allein sind. Auf dieser Grundlage müssen wir planen.«

»Die Zivilisation ist zusammengebrochen, alle sind tot, und wir sind tausend Jahre in der Zukunft gestrandet«, sagte Sidewise schnaubend. »Wozu brauchen wir da noch einen Plan7