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Eine Herde andersartiger Ziegen-Abkömmlinge stand knietief im Wasser. Die Tiere hatten Schwimmhäute zwischen den Hufen, die ein Einsinken im weichen Schlick und Sand verhinderten. Sie hatten breite Schnäbel aus Horn, mit denen sie die Pflanzen am Seeufer abgrasten. Diese Ziegen, die friedlich an der Vegetation des Seeufers knabberten, hatten große Ähnlichkeit mit den Hadrosauriern, den lang verschwundenen entengeschnäbelten Dinosaurieren.

Und genauso wie die Hadrosaurier die vielgestaltigste Gruppe von Dinosauriern gewesen waren, bevor der Komet einschlug, so ermöglichte diese Wiederentdeckung einer uralten Strategie eine neue Ausstrahlung. Es tummelten sich schon viele Spezies der entengeschnäbelten Ziegen, die sich nur durch Nuancen in der Form der Hörner, Größe und Nahrungsvorlieben unterschieden, an den Wasserläufen der tropischen Regionen der Welt und andernorts.

Zugleich wurde diese Szene, wo verhältnismäßig friedliche Pflanzenfresser den Durst löschten, von Räubern belauert, die die Vegetarier gierig beäugten – das war alles schon einmal da gewesen.

Hätte man diese Szene mit halb geschlossenen Augen betrachtet, wäre die Vorstellung gar nicht einmal abwegig gewesen, dass die von Menschen ausgerotteten Tiere wiederauferstanden wären. In dieser neuen Savanne waren die altbekannten Rollen jedoch von neuen Darstellern übernommen worden, die von Wesen abstammten, die das menschliche Ausrottungs-Ereignis überlebt hatten, und von denjenigen, die allen menschlichen Ausrottungs-Versuchen widerstanden hatten: Kleintiere, vor allem die Generalisten – Stare, Finken, Kaninchen – und Nagetiere wie Ratten und Mäuse. Nur dass Kaninchen sich in Gazellen und Ratten sich in Leoparden verwandelt hatten. Die Veränderungen waren subticlass="underline" eine nervöse Unruhe bei den Kaninchen und ruckartige, eckige Bewegungen bei den Ratten, denen die geschmeidige Eleganz der Katzen fehlte.

Plötzlich kam Unruhe auf, und es ertönte ein Krachen wie von splitternden Knochen. Zwei der großen Ziegen-Elefantenbullen waren aneinander geraten. Ihre Köpfe wackelten und schwankten auf langen giraffenartigen Hälsen, und die vor den Gesichtern gekrümmten Hörner wurden gekreuzt wie bizarre Krummschwerter.

Erinnerung kauerte sich in den Schatten der Akazien. Als die durch den Kampf beunruhigten Pflanzenfresser sich um sie herum in Bewegung setzten, war sie hier nicht mehr sicher. Es bestand die Gefahr, dass dieser Baum in kurzer Zeit zertrümmert und gefressen wurde.

Und nun machten die aufmerksamen Räuber sich die Verwirrung zunutze.

Ein Rudel von ihnen brach aus der Deckung. Die schlanken, fuchsartigen Geschöpfe mit langen, kräftigen Schenkeln und dick gepolsterten Füßen glichen eher noch Ratten. Sie blieben dicht zusammen und bewegten sich in einer keilförmigen Formation, um einen älteren Ziegen-Elefanten vom Rest der Herde zu trennen. Der große Bulle, dessen mächtige Stoßzähne von lebenslangen Kämpfen gesplittert und verschrammt waren, bellte zornig und ängstlich zugleich und rannte los. Die Ratten nahmen im engen Verbund die Verfolgung auf.

Diese Ratten-Derivate waren wie Hunde, aber sie waren keine Hunde. Die charakteristischen Nagetier-Schneidezähne waren von Zähnen, die für die Zerkleinerung von Samen und Insekten ausgelegt waren, in spitze Klingen umgewandelt worden. Die hinteren Mahlzähne glichen Scheren und waren gut zum Zerkleinern von Fleisch geeignet. Und sie blieben enger zusammen, als ein Hunderudel es je getan hätte – sie wirkten eher wie eine fließende, kraftvolle Einheit. Doch wie bei einem Hunderudel bestand ihre Strategie darin, den Ziegen-Elefanten bis zur Erschöpfung zu hetzen.

Bald waren die Beute und ihre Jäger außer Sicht. Die Ziegen-Elefanten widmeten sich wieder dem Saufen und Kämpfen. Obwohl ein paar von ihnen den Kopf zu der Stelle drehten, wo der alte Bulle gestanden hatte: Sie waren sich bewusst, dass er fehlte.

Erinnerung nutzte die Gelegenheit und kroch vorwärts.

Das Wasser war von einer Schaumschicht überzogen. Aber sie schöpfte es trotzdem mit den Händen und ließ es sich in den Mund laufen; Handflächen und Finger wurden mit einer feinen grünen Schleimschicht überzogen.

Im Wasser beobachteten zwei gelbe Augen sie mit kühler Berechnung. Es war natürlich ein Krokodil. Diese uralten Überlebenskünstler hatten die menschliche Apokalypse abgeritten, wie sie schon so viele zuvor überstanden hatten: Sie hatten von der ekligen braunen Nahrungskette des sterbenden Landes gelebt und während der Trockenheit sich in den Schlamm eingegraben. Bisher war es keinem Tier – weder Schweinen noch Kaninchen oder Primaten, weder Fischen noch Vögeln, weder Reptilien noch Amphibien und noch nicht einmal den Nagetieren – gelungen, die Krokodile aus ihrem nassen Reich zu vertreiben.

Erinnerung schauderte und zog sich von der Wasserlinie zurück.

Und nun kam ein neuer Räuber über die Klippe auf den See zu. Wieder ging Erinnerung in Deckung und wurde von den mächtigen, trägen Leibern einer Herde Entenschnabel-Ziegen abgeschirmt.

Dieser Räuber glich eher einem Nagetier, einer Art Maus. Ähnlichkeit mit einem Hund oder einer Katze hatte er jedenfalls nicht. Er kam zur Wasserlinie und richte sich auf den kräftigen Hinterbeinen auf. Die Pflanzenfresser am Wasser wichen ängstlich zurück. Aber der Maus-Jäger hatte gar kein Interesse an den Kreaturen, die sich vor ihm tummelten. Mit einer geradezu huldvollen Geste tauchte er das Furcht erregende Maul ins Wasser und trank. Dann ging er wieder aufs trockene Land zurück und zupfte mit kleinen, filigran wirkenden Händen am Gras, als ob er seine Festigkeit prüfen wollte.

Er sah aus wie die Fleisch fressenden Dinosaurier der Kreidezeit. Er hatte kurze Ärmchen, einen kräftigen Schwanz, mit dem er auch das Gleichgewicht hielt, und die Hinterbeine waren Hochleistungs-Maschinen aus Muskeln und Knochen. Die Schneidezähne hatten sich in lange Dolche verwandelt, die durch Stöße des schweren Kopfes zu gefährlichen Waffen wurden. Der Maus-Raptor war ein Landhai – wie ein Tyrannosaurier – mit einem neu entdeckten und zu tödlicher Perfektion fortentwickelten Körperbauplan. Zugleich hatte diese überhebliche Kreatur jedoch die kleinen Ohren und den braunen Pelz der kleinen Nagetiere beibehalten, von denen es abstammte.

Der Maus-Raptor schien mit dem Wasser und dem Gras zufrieden. Er quiekte, spie aus und schlug mit dem Schwanz auf den Boden. In der Ferne ertönt als Antwort eine Reihe von Rufen, trommelnden Schlägen und Schreien.

Noch mehr Maus-Raptoren näherten sich dem See. Sie schwärmten übers Terrain aus und sogen die Luft ein. Ein paar Junge rannten den Erwachsenen zwischen den Füßen herum, balgten sich und knabberten sich mit der uralten, spielerischen Neugier von Räubern an.

Als sie sich versammelt hatten, drehten die erwachsenen Maus-Raptoren sich um, rissen die Mäuler auf und stießen ein synchronisiertes Heulen aus. Als Antwort trottete eine Herde andersartiger Tiere zum Wasser.

Es waren große Geschöpfe, so groß wie Ziegen-Elefanten. Sie drängten sich nervös zusammen und rempelten sich gegenseitig an. Und während sie anscheinend unter der Führung der Mäuse-Raptoren zum Wasser stolperten, fraßen sie noch schnell das Gras zu ihren Füßen ab.

Ihre Körper waren mit einem schütteren Fell bedeckt. Die Köpfe hatten Kämme und die Schädel waren so geformt, dass sie als Verankerung für die mächtigen Wangenmuskeln dienten, die wiederum die starken Unterkiefer betätigten. Die Köpfe sahen aus wie die von robusten Pithecinen. Die eng an den massigen Schädeln anliegenden Ohren waren groß und geädert und glichen Kühlrippen. Sie dienten dem Zweck, überschüssige Hitze von den großen Körpern abzuführen. Und die kräftigen Hinterbeine, auf denen sie sich aufzurichten vermochten, hatten zugleich die eigentümliche Krümmung der Kaninchen-Gazellen: Beine, die allzeit fluchtbereit waren.