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Doch das focht den Wal nicht an. Er war nicht einmal durch den Wind beeinträchtigt worden; er war in großer Höhe geflogen und hatte sogar noch Nahrung aufzunehmen vermocht, während tief unter ihm bunte Luftschlieren über den Erdboden huschten. Ferne Lichter am Himmel und Chaos am Boden – wie etwa die cremig gequirlten Wetterfronten, die Land und Meer überquerten – bedeuteten einer Kreatur nichts, die an der Grenze zum Weltall entlang flog. Solang das feine Plankton, von dem sie sich ernährte, vom Land aufstieg, vermochte sie es in ihrer kleinen Nische gut auszuhalten.

Aber dieser Sturm war anders.

Der Luftwal war den Anblick von Meteoren gewohnt. Sie waren nur Lichtstreifen am purpurblauen Himmel. Fast alle der nach Milliarden zählenden kosmischen Trümmerstücke, die zur Erde hinab fielen, verglühten schon hoch über der Stratosphäre, dem Reich des Luftwals.

Doch nun stachen ein paar dieser Spuren in die dichtere Lufthülle der Erde hinein und zogen sich tief unter ihm dahin. Der Wal hatte kein Gehör – das brauchte er nicht in der Stille der dünnen Luft, in die kein Räuber jemals vorstieß –, aber wenn er eins gehabt hätte, dann hätte er vielleicht das pfeifende Heulen der Meteore gehört, mit dem sie auf den Planeten zurückfielen, der sie gerade erst von sich geschleudert hatte. Er sah sogar, wo die ersten Brocken des Meeresbodens einschlugen: Auf der Erde tief unter ihm zuckten in schneller Folge Lichtblitze auf wie winzige Blumen. Es war wie die Aussicht aus einem in großer Höhe fliegenden Bomber.

Zum ersten Mal, seit er ein Jungtier gewesen war, verspürte der Wal wieder Furcht. Plötzlich verwandelte diese ätherische Lichtshow sich in einen Regen aus Licht und Feuer. Es war ein Regen, der um ihn herum niederging – und er wurde immer stärker. Schließlich wendete er und flog mit langsamen Schlägen der gewaltigen Schwingen nordwärts.

Licht pulsierte.

Der weiß glühende Gesteinsbrocken war nur klein. Nach dem Zusammentreffen mit dem Wal setzte er den Abstieg zu den dichten Kreidezeit-Wäldern fort. Es war auch nur ein Bruchteil der kinetischen Energie aufgezehrt worden. Aber das komplexe Nervensystem des Wals hatte dem kleinen Hirn qualvolle Schmerzbotschaften übermittelt. Er drehte den mächtigen Kopf nach rechts und sah, dass die Oberfläche des Flügels aufgerissen und versengt war.

Wenn der Meteor den Flügel in der Mitte durchschlagen hätte, dann wäre vielleicht nur ein Loch zurückgeblieben, und der Wal hätte noch etwas länger gelebt. Aber er hatte Pech gehabt. Der Meteor hatte nämlich ein Gelenk des langen, zerbrechlichen Flugfingers zertrümmert. Der Flügel faltete sich schon großflächig um den gebrochenen Knochen zusammen.

Die blau-graue Erde drehte sich um den Wal. Obwohl er verzweifelt mit dem unversehrten Flügel ruderte, bekam der Wal Schlagseite – er verlor die Kontrolle und stürzte vom Himmel. Bei vollem Bewusstsein verzog er sich langsam und zerknitterte wie ein Spielzeugdrachen. Und der Meteorhagel verdichtete sich. Meteore schossen wie Kugeln durch die Körperhöhlen, rissen Luftsäcke auf, zertrümmerten das filigrane, ätherisch leichte Skelett und perforierten die majestätischen Flügel.

Er wurde von Schmerz überwältigt. Das Bewusstsein wurde mit tröstlichen, weich gezeichneten Erinnerungen erfüllt, wie er hoch über einer friedvollen Erde dahin geglitten war. Er war lang tot, bevor die Lunge von der dichten Luft zerquetscht wurde und die Überreste des Torsos den Boden erreichten.

Riese rappelte sich wieder auf.

Vor ihm torkelte ein verwirrter Stegoceras umher. Die scharlachrote Kappe aus Knochen und Fleisch auf dem Kopf mutete geradezu absurd an. Weil es sich zufällig in ein dichtes Araukarienwäldchen geflüchtet hatte, hatte dieses junge Männchen den Wirbelsturm überlebt. Er hatte keine schlimmere Verletzung davongetragen als eine gebrochene Rippe. Aber sein Rudel war verschwunden, buchstäblich vom Winde verweht. Er hob den Kopf und stieß ein trauriges Heulen aus. Es war wie der Klagelaut eines einsamen und verlassenen Jungtiers.

Es war aber nicht seine Mutter, die antwortete, sondern zwei große Fleischfresser: Gigantosaurier, die mit wackelnden Köpfen auf ihn zukamen und die Augen auf ihn geheftet hatten. Selbst jetzt wurde das Räuber-und-Beute-Spiel noch gespielt.

Ein Adrenalinstoß durchfuhr ihn, und kreatürliche Angst ergriff von ihm Besitz. Dennoch bemerkte der Stegoceras etwas Seltsames. Ein dritter Gigantosaurier, so groß und stark wie die anderen beiden, zeigte keinerlei Interesse an ihm. Das dritte Ungeheuer wackelte drohend mit dem Kopf – es reagierte auf etwas, das vom Himmel kam. Verwirrt und verängstigt drehte der Stegoceras sich gen Süden, wo ein unheimliches Orange die dahinrasenden schwarzen Wolken durchdrang.

Der erste Meteor überflog sie kreischend wie eine glühende Hornisse. Im Tiefflug fegte er über den Wald hinweg und schlug in einem Hügel ein. Junges Vulkangestein explodierte. Ein Sekundärhagel dampfender Bruchstücke prasselte auf den ohnehin schon mit Schutt übersäten Boden. Alle Dinosaurier drehten sich erschrocken in diese Richtung und vergaßen für einen Moment ihre angeborene Feindschaft.

Der zweite Meteor durchschlug den Leib des Stegoceras wie ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss. Einen Sekundenbruchteil später traf der Meteor auf den undurchdringlichen Boden und gab die Restenergie ans Gestein ab. Der Körper des Stegoceras wurde von der Explosion zerrissen, ehe er noch Zeit zum Umfallen hatte.

Nun schlugen die Meteore in den Resten des vernichteten Waldes ein. Feuer brach aus.

Riese und seine Brüder gerieten in Panik und flohen. Und der Meteorhagel wurde ständig dichter. Die Meteore pflügten den Boden um die Gigantosaurier um, schlugen flache Krater und setzten das Unterholz in Brand. Es war, als ob die Saurier-Brüder durch Artilleriesperrfeuer rannten.

Purga roch den Rauch auch.

Die Primaten vermochten einen Waldbrand in den tief ins kühle Erdreich gegrabenen Bauten zu überstehen. Wenn sie dann wieder an die Oberfläche kamen, war der Wald verkohlt und zerstört. Doch diesmal war es anders, sagte der Instinkt Purga. Sie schob sich an ihrem zusammengekauerten Gefährten, den Jungen und dem grässlich verstümmelten Kopf des Troodons vorbei und wurde in Tageslicht getaucht. Sie wurde geblendet, weil die empfindlichen nachtadaptierten Augen mit der ungewohnten Lichtflut überfordert waren. Dennoch vermochte sie das Unheil dieses apokalyptischen Tags in groben Zügen zu erkennen: die sich ausbreitenden Brände im zertrümmerten Wald und den unaufhörlichen, unbegreiflichen Meteorhagel.

Hier konnte sie nicht bleiben. Aber wohin sollte sie gehen?

Die meisten Bäume, die ihr die Sicht verstellt hatten, waren vom Sturmwind gefällt worden. So hatte sie einen freien Blick auf die Rocky Mountains, deren Gipfel von Vulkanrauch eingehüllt wurden. Und wo die Kometenwinde warme, feuchte Bodenluft die Flanken des Bergmassivs hinaufgedrückt hatten, hingen nun dicke Haufenwolken an den oberen Berghängen.

Schatten. Dunkelheit. Vielleicht würde es dort sogar Regen geben.

Mit zuckenden Schnurrhaaren machte sie einen zweiten Schritt ins Freie. Sie bewegte sich ruckartig, hielt alle paar Schritte inne und drückte sich flach auf den Boden.

Sie schaute zurück. Hinter dem abgetrennten Kopf des Troodons sah sie ihren Gefährten und die Jungen – drei große Augenpaare, die ihr nachschauten. In hundert Millionen Jahren geschärfte Instinkte drängten sie, in die kühle Erde zurückzukehren oder auf einen Baum zu klettern, um sich in Sicherheit zu bringen. Denn sonst würden die furchtbaren Klauen, Zähne und Füße dieses Riesen sie mit Sicherheit erwischen. Aber die Bäume waren geknickt und zersplittert, und der Bau war nun ungeschützt.