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Doch der Kaiser drohte schon schlappzumachen. Dabei war dieser Harem nur einer von mehreren im großen Territorium, über das er herrschte.

An diesem Ort, der so stark jahreszeitlichen Einflüssen unterworfen war, musste die Aufzucht der Jungen in einem sehr kurzen Zeitraum erfolgen. Deshalb wurde Nachwuchs gezeugt, wenn reichlich Nahrung vorhanden war und die werdenden Mütter genug Futter bekamen, um genügend Milch zu produzieren. Einem Weibchen, das sich außerhalb der Paarungszeit paarte, wäre es kaum vergönnt zu erleben, wie sein Nachwuchs den Eintritt ins Erwachsenenalter erlebte. Und ein Männchen, das die Gelegenheit verpasste, sich mit einem fruchtbaren Weibchen zu paaren, würde ein ganzes Jahr der Entbehrungen, Gefahren und des Mangels aushalten müssen, ehe es eine neue Chance bekam.

Für die Notharctus dauerte die Paarungszeit gerade einmal achtundvierzig Stunden. Und in dieser kurzen Zeit ging der Punk ab.

An diesen beiden Tagen, beim gleichzeitigen Eisprung aller Weibchen, war die Luft mit einer Pheromonwolke geschwängert und überall wimmelte es von Männchen, die einem schier unwiderstehlichen Drang folgten. Erektionen stachen aus dem Fell. Die Männchen hatten sich seit der Rückkehr der Sonne auf diesen Moment vorbereitet. Sie hatten ordentlich gefressen, um sich zu stärken, hatten spektakuläre Sprünge vollführt und Scheinkämpfe geführt – wie Athleten, die sich auf ein Turnier vorbereiteten. Der Kaiser vermochte sie sich unmöglich alle vom Leib zu halten, und die Konkurrenz wurde immer stärker. Heute stand die Hierarchie der Männchen auf der Kippe.

Der Stress für die Weibchen würde später kommen, bei der Schwangerschaft, wenn die schnell wachsenden Föten, und beim Stillen, wenn die Neugeborenen es der Mutter permanent abverlangten, energiereiche Nahrung zu suchen – und das zu einer Zeit, wo fast jedes ausgewachsene Weibchen stillte. Es war der hohe Preis der Reproduktion, der zur generellen Dominanz der Weibchen über die Männchen geführt hatte, und das war auch der Grund, weshalb die Weibchen immer das beste Futter bekamen.

Im ganzen Wald war es das Gleiche. Bei den Notharctus-Sippen fand die Paarungszeit gleichzeitig statt, wobei der Zeitpunkt von den chemischen Düften bestimmt wurde, die die Luft kilometerweit durchzogen. An den beiden Tagen war der Wald eine einzige Orgie, erfüllt vom Kreischen kämpfender Männchen, mit pheromongeladenen Weibchen und von heftigem Rammeln.

Noth verfolgte ein anderes junges Männchen, das er sich als Rivale vorstellte, und schnellte sich durch ein lichtes Koniferenwäldchen. Mit einem Arm schwang er an den dürren Ästen. Bei jedem Abschwung kam die Erde wie eine riesige Schüssel auf ihn zu, und totes Laub, frischer grüner Farn und die unansehnlichen Gestalten schnüffelnder Bodenbewohner stoben unter ihm davon.

Sein Kopf war vom Östrogengeruch benebelt. Er hatte schon eine Erektion, seit er heute Morgen aufgewacht war. Auch jetzt, während er sich von Baum zu Baum schwang, stach der Penis rosig und steif hervor. Er musste sich erst noch durch die dicht gedrängten Männchen kämpfen, um zu einem empfängnisbereiten Weibchen zu gelangen, und er hatte das Gefühl, dass ihm der Bauch platzen würde, wenn er nicht bald Erfolg hatte. Obwohl er sich vor Lust schier verzehrte, genoss er es, sich mit dem geschmeidigen Körper kraftvoll durch den Wald zu schwingen, an den er so gut angepasst war.

Nie zuvor hatte Noth sich so lebendig gefühlt.

Noth landete punktgenau auf dem Baum des Rivalen und packte die Äste mit exakt koordinierten Händen und Füßen. Doch sofort fiel Rivale über ihn her.

Sie standen sich aufrecht gegenüber. Die Penisse wiesen wie Spieße aufeinander. Noth ging mit aufgestelltem Schwanz auf den Rivalen zu, wobei er keckernd und belfernd die Genitalien an der Baumrinde rieb. Rivale erwiderte die Gesten. Das war ein ritualisiertes Aufeinandertreffen, bei dem jeder in einer Art Tanz auf die Bewegungen des jeweils anderen reagierte: Die ›Choreographie‹ umfasste Schwanz aufstellen, Genitalien reiben, Arme ausbreiten und sich mit Blicken töten.

Bald war die Luft von ihrem Gestank erfüllt. Sie kamen sich so nahe, dass Noth die Spitzen des gesträubten Fells des anderen spürte. Sein Gesicht wurde vom Speichel des Rivalen benetzt.

Rivale war etwa im gleichen Alter wie Noth und hatte die gleiche Größe. Er hatte sich der Sippe etwas früher als Noth und seine Schwester angeschlossen. Für ihn war Noth ein Eindringling in eine Sippe gewesen, die er schon als ›seine‹ betrachtete. Noth und Rivale waren sich – wie Brüder – zu ähnlich und zu nah, um etwas anderes zu sein als Rivalen.

Rivale war geringfügig größer und schwerer als Noth, weil er bei der Nahrungssuche im Frühling erfolgreicher gewesen war. Doch Noth hatte in diesem schwierigen Jahr eine innere Kraft entwickelt und hielt ihm stand.

Schließlich gab die Psychologie den Ausschlag. Rivale wurde plötzlich der Schneid abgekauft, und er gab die Drohgebärden auf. Er drehte Noth den Rücken zu und bot ihm in einer kurzen symbolischen Geste der Unterwerfung das rosige Hinterteil dar.

Noth stieß einen triumphierenden Ruf aus. Kurz rieb er die Handgelenke am Rücken des Rivalen, markierte den Sieg mit seinem Geruch und urinierte in einem Schwall auf ihn. Dann ließ er zu, dass Rivale sich auf dem Ast in Richtung eines Beerenfruchtstands trollte.

Rivale war dabei nicht zu Schaden gekommen. Er würde für eine Weile auf seinem Baum schmollen, vielleicht etwas fressen und sich für eine Weile aus dem Paarungs-Treiben heraushalten. Seine Chancen hatten sich aber nur für ein paar Stunden verschlechtert. Noths Urin hatte ihn kurzzeitig sterilisiert und sogar die Fähigkeit beeinträchtigt, die speziellen trillernden Rufe auszustoßen, mit denen die Männchen Weibchen anlockten.

Für Noth war das eine folgerichtige Strategie. Es war heute unmöglich für ein Männchen, alle Weibchen zu decken – und wenn es sich noch so sehr anstrengte. Er vermochte jedoch die Anzahl der konkurrierenden Männchen durch diese sensorische Einschüchterung zu verringern.

Nach der Niederlage des Rivalen zuckte Noths Penis von neuem; bald würde er die Befriedigung finden, nach der er sich sehnte. Mit schnellen, kräftigen Sprüngen bewegte er sich von Ast zu Ast durch den Wald zu der Stelle, wo die Weibchen sich versammelt hatten.

Aber er wusste noch nichts von dem wilden Kampf, der dort stattfand.

Der Kaiser ging noch immer im Harem um und beendete eine weitere Paarung. Mit wundem, schlaffem Penis streifte er zwischen den Weibchen umher und hieb und schnappte nach jedem Männchen, das in seine Reichweite kam.

Und plötzlich sah er sich Solo gegenüber.

Der alternde Kaiser richtete sich auf und fletschte die Zähne. Die Drüsen steigerten die Produktion seines starken Duftstoffs. Mit dem gesträubten Fell und der zuckenden Schnauze bot er einen beeindruckenden Anblick, mit dem er jedes andere Männchen eingeschüchtert hätte.

Jeden außer Solo.

Solo hatte in einer nicht weit entfernten Höhle einen lauschigen Winter mit einer Schar Weibchen verbracht. Gleich nachdem das Licht zurückgekehrt war, hatte er sich auf Futtersuche begeben und sich schnell so viel Masse angefressen, bis er wieder so stark war wie letztes Jahr zu seinen besten Zeiten.

Und er hatte die Streifzüge wieder aufgenommen. Allein heute hatte er schon im ganzen Wald ein halbes Dutzend Weibchen begattet. Und ihm stand der Sinn nach mehr – doch dazu musste er erst die Konkurrenz ausschalten.

Solo sprang den Kaiser an und rammte ihm die vernarbte Schnauze in den Bauch.

Der Kaiser fiel rücklings auf den Ast. Er wand sich und wäre vielleicht vom Baum gefallen, wenn die beweglichen Primaten-Hände nicht an der Rinde Halt gefunden hätten. Er war durch den plötzlichen körperlichen Angriff genauso schockiert wie verwundet. Außer Knüffen und Püffen von Weibchen, die ihren Anspruch auf die beste Nahrung geltend machten und gelegentlichen unbeabsichtigten Schlägen von anderen Männchen war er in seinem ganzen Leben noch von niemandem verletzt worden.