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Und es war auch noch nicht vorbei.

Mit einem Sprung, der für ein Geschöpf seiner Größe geradezu elegant anmutete, sprang Solo auf den Kaiser. Er setzte sich dem älteren Männchen auf die Brust und drückte dem Kaiser die Rippen zusammen. Der Kaiser schrie auf. Er schnaufte und keuchte und schlug Solo auf den Rücken. Mit vollem Krafteinsatz hätte er den anderen vielleicht abgeschüttelt. Jemanden zu verletzen ging ihm jedoch gegen den Instinkt, und deshalb setzte er sich nur halbherzig zur Wehr.

Damit hatte er seine Chance vertan.

Solo beugte sich nach vorn und stieß dem Kaiser die Schnauze in die Genitalien. Er schob das Fell beiseite, das noch steif war vom Samen und der Vaginalflüssigkeit einiger Weibchen. Mit einer schnellen Bewegung biss er dem Kaiser in den Hodensack und riss einen Hoden heraus.

Der Kaiser heulte auf und schlug um sich. Blut schoss hervor und vermischte sich mit den anderen Flüssigkeiten im Fell.

Solo löste sich vom Kaiser und beförderte ihn mit einem gezielten Tritt vom Ast hinunter. Der Körper des älteren Männchens brach durch die unteren Laubschichten und fiel auf den Boden. Dann spie Solo den blutigen Hoden aus und ließ ihn auf den Waldboden fallen.

Solo machte sich über Rechts her, Noths Schwester. Sie war noch eins der jüngsten Weibchen. Er befingerte seinen schnell anschwellenden Penis und schickte sich an, sie zu nehmen.

Und plötzlich fiel Noth – jung, kraftvoll und geil – aus der Luft und landete vor Solos Füßen. Solo drehte sich wie ein Geschützturm zum neuen Herausforderer um.

Noth hatte nicht gewusst, dass Solo hier war. Aber er erinnerte sich an ihn. Er hatte weder eine Vorstellung von gestern und morgen noch eine zusammenhängende Erinnerung; sie war eher wie eine Galerie lebendiger Bilder auf der Grundlage visueller und Geruchs-Eindrücke. Jedoch löste Solos intensiver Gestank eine Bilderflut in ihm aus – bruchstückhafte und streiflichtartige Impressionen jenes schrecklichen Tages in einem anderen Teil des Waldes, des verzweifelten Geheuls seiner Mutter, als sie in eine Grube aus Zähnen stürzte.

Widerstreitende Impulse wallten in ihm auf. Er sollte sich in Positur werfen und kräftig stinken – oder er sollte dieser starken Kreatur eine Demutsgeste zeigen, wie Rivale sich ihm unterworfen hatte.

Doch keine der Alternativen schien auf Solo anwendbar zu sein. Er befolgte keine der ungeschriebenen Regeln, die die Gesellschaft der Notharctus zusammenhielt. Soeben hatte er das dominierende Männchen der Sippe verstümmelt. Solo würde sich mit einem symbolischen Sieg sicher nicht zufrieden geben. Solo würde ihn verwunden, wenn nicht gar töten wollen.

Und hier war Rechts, Noths einzige Verwandte, die im Laub zu Solos Füßen kauerte. Hier waren die Weibchen, mit denen er ein halbes Jahr zusammengelebt hatte und deren angeschwollene Vaginas ihn seit Tagen und Wochen voller Vorfreude mit Lust erfüllt hatten – und hier war dieses Ungeheuer, Solo, der alles zerstört hatte, mit dem er aufgewachsen war.

Er richtete sich auf und stieß ein Heulen aus.

Solo hielt erschrocken inne.

Noths Handgelenke und Genitalien juckten vor Moschus. Er warf sich für eine Sekunde in Positur, eine verkürzte Demonstration seiner Kraft und Jugend. Dann senkte er blindlings und ohne zu wissen, was er tat, den Kopf und stieß ihn Solo in den Bauch. Mit einem erstickten Schrei wurde Solo zurückgeworfen und fiel rücklings auf einen Blätterhaufen.

Wenn er sofort nachgesetzt hätte, dann hätte Noth mit diesem Überraschungsangriff vielleicht Erfolg gehabt. Aber er hatte noch nie in seinem Leben einen körperlichen Kampf ausgetragen. Und dann warf Solo sich mit den Instinkten eines erfahrenen Kämpfers herum und stieß Noth das Knie gegen die Schläfe. Noth fiel um und suchte instinktiv nach einem Halt. Eine schwere Masse krachte ihm auf den Rücken und drückte ihn gegen die Rinde. Und dann spürte North, wie Solos Schneidezähne sich ins weiche Fleisch im Nacken gruben. Er schrie auf vor Schmerz, krümmte sich und schlug um sich. Er vermochte Solo nicht abzuschütteln – aber durch die heftigen Bewegungen fielen beide vom Ast.

Schreiend brach Noth durch Schichten aus Blättern und Zweigen, während Solo ihm noch immer die Zähne in den Nacken geschlagen hatte.

Sie krachten auf den Boden, wobei der Fall durch die Schicht aus vermodertem Laub kaum gedämpft wurde. Immerhin wurde Noth Solo los, nachdem der ihm noch einmal in die Schulter gebissen hatte. Dann erging Solo sich seinerseits in Drohgebärden. Er stieß ein drohendes Knurren aus, richtete sich auf und schlug mit den kleinen Fäusten auf den Kompost zu seinen Füßen. Laubreste stoben auf und hüllten ihn in einer losen Wolke ein.

Es war ein Kampf zweier kleiner Kreaturen. Doch selbst viel größere Tiere, die furchtsam zuschauten, schreckten vor Solos Wildheit zurück.

Und es war ein ungleicher Kampf. Solo stapfte durch die sich herabsenkenden Laubreste auf Noth zu. Noth warf sich nicht in Positur, sondern sah Solo nur wie hypnotisiert an. Dann schaute er entsetzt auf seine Schulter. Die Haut hing in Fetzen, und das Fell war blutgetränkt.

Doch nun kam Solo ein massiger Leib entgegen geflogen. Es war der Kaiser. Obwohl ihm noch das Blut aus dem zerfetzten Hodensack floss, trat der große Notharctus Solo im Flug in den Rücken und schleuderte ihn bäuchlings zu Boden.

Diesmal zögerte Noth nicht. Er stürzte sich auf Solo und bearbeitete Rücken und Schultern mit Füßen, Händen und Schnauze. Der Kaiser schloss sich ihm an, und es kamen immer mehr Männchen herbei, bis Solo unter einer Schicht schreiender und unerfahrener Angreifer begraben war. Jedem Einzelnen von ihnen wäre Solo überlegen gewesen – nicht aber allen zusammen. Unter dem Hagel ungezielter Schläge vermochte er sich nicht einmal aufzurichten.

Schließlich wühlte er sich wie ein Taeniodont durch den Mulch auf dem Waldboden und entzog sich dem Zugriff der wütenden Meute. Als sie schließlich bemerkten, dass ihre Schläge und Tritte nur den Dreck oder die anderen trafen, hatte Solo sich schon davon geschleppt.

Zerschlagen und unter Schmerzen kletterte Noth wieder auf den Baum. Oben angekommen sah er, dass die Weibchen sich ungerührt kämmten und eingetrockneten Samen aus dem Haar um die Genitalien zupften, als ob der Kampf dort unten nie stattgefunden hätte. Der Kaiser saß still neben dem Weibchen Größte. Der Blutfluss war versiegt, aber mit dem Kopulieren hatte es nun ein Ende.

Und hier war Rivale, der Rechts deckte. Noth sah, dass seine Schwester das Gesicht im Brusthaar verborgen hatte und hörte, dass leise Lustschreie sich ihrer Kehle entrangen. Noth verspürte ein eigenartiges warmes Glühen. Er war nicht eifersüchtig auf die anderen Männchen wegen seiner Schwester; nicht einmal auf dieses Männchen, das er besiegt und das sich anscheinend sehr schnell wieder erholt hatte. Auf einer tiefen biochemischen Ebene begriff er, dass durch die Schwangerschaft seiner Schwester die Linie fortbestehen würde: der leuchtende ununterbrochene molekulare Strang, der – von Purga ausgehend – diesen von der polaren Sonne beschienenen Moment durchlief und sich in unvorstellbare Zukünfte erstrecken sollte.

In der Ferne hörte er ein Träten. Es war der Ruf eines Moeritheriums, der Matriarchin einer Herde, die langsam von Süden sich näherte. Mit der Rückkehr der Herden war es endlich wieder Sommer geworden. Im ganzen Wald ertönten hohe Stimmen: Das war der Gesang der Notharctus, ein Lied der Einsamkeit und des Wunders.

In ein paar Jahren würde Noths Leben vorbei sein. Bald würde auch seine Art verschwunden sein, und ihre Nachfahren würden eine neue Gestalt angenommen haben. Und bald, während die Erde sich nach dieser Mittsommer-Warmphase abkühlte, würde sogar der Polarwald schrumpfen und absterben. Doch fürs erste genoss Noth – blutig, keuchend und mit verschmutztem Fell – seinen Triumph, seinen Tag im Licht.