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Und dann versuchte er, sie zum Waldrand zu führen. Er ging zurück, schüttelte Äste und lief hin und her.

Sie starrten ihn nur an. Plötzlich verhielt er sich wie ein unterwürfiges junges Männchen. Also setzte er sich noch mal in Szene, trommelte, sprang und schrie, und dann bedeutete er ihnen erneut, ihm zu folgen.

Schließlich regte sich einer von ihnen. Es war Wedel, das dürre junge Männchen. Er machte ein paar zögerliche Schritte auf den Knöcheln. Capo reagierte mit einem frohen Schrei, warf sich auf Wedel und belohnte ihn mit einem intensiven Kämmen. Nun kamen noch mehr herbei: Finger und ein paar ›Jungmannen‹, die auch gern gekämmt werden wollten. Capo bemerkte jedoch, dass Felsbrocken Wedel unauffällig in den Hintern trat.

Und dann kam zu Capos großer Erleichterung Blatt mit ihrem Kind auf dem Rücken an. Sie lief gemessen, wenn auch etwas steif auf den Knöcheln. Nachdem dieses hochrangige Weibchen den Anfang gemacht hatte, kamen weitere, darunter Heulen, das fast geschlechtsreife Weibchen.

Doch nicht alle Weibchen folgten ihr – und auch nicht alle Männchen. Felsbrocken blieb unter einem Baum sitzen; die Beine hatte er ostentativ unter sich verschränkt. Andere Männchen scharten sich um ihn. Capo machte ihnen eine fürchterliche Szene. Doch sie drängten sich zusammen und kämmten sich gegenseitig, als ob Capo überhaupt nicht mehr existierte. Das war ein bewusster Affront. Wenn er seine Position aufrechterhalten wollte, musste Capo diese rebellische Rotte zerstreuen und vielleicht noch einmal gegen Felsbrocken antreten.

Doch dann gab er, fast zu seiner eigenen Verwunderung, den Versuch auf und trat keuchend zurück.

Im Herzen wusste er nämlich, dass er sie verloren hatte, dass er sie zu hart ran genommen hatte und dass die Sippe sich auflöste. Diejenigen, die ihm folgten, würden mit ihm ihrem Schicksal entgegengehen – ein Schicksal, von dem er nicht die geringste Vorstellung hatte. Diejenigen, die zurückblieben, mussten auf ihr Glück vertrauen.

Ohne sich umzudrehen, lief er schnell aus der Mitte des Waldes dem Tageslicht entgegen; allerdings vermochte er der Versuchung nicht zu widerstehen, sich mit einem letzten feuchten Furz in Richtung der Rebellen zu verabschieden.

Schließlich blieben etwa die Hälfte der Männchen und der größere Teil der Weibchen zurück. Damit hatte Capo einen Großteil seiner Macht eingebüßt. Als er dem hellen Licht der Ebene entgegenging, hörte er den Jubel und das Geheul der Männchen. Der Kampf um die neue Hierarchie hatte bereits begonnen.

Am Waldrand, am Rand der Leere, machte Capo eine Pause.

Wie am Vortag fraßen Gomphotheria an den beschädigten, halb ertrunkenen Bäumen. Im Norden erstreckte sich die grasbedeckte, mit schimmernden Seen und Marschen durchsetzte Ebene bis zum diesigen Horizont. Pflanzenfresser-Herden zogen wie Schemen dahin. Im Süden, in einer Entfernung von etwa einem Kilometer, schimmerte der Boden weiß wie Knochen. Die Durchquerung der Salzpfanne würde sich schwierig gestalten. Capo sah aber, dass das Land zu einem grünen Plateau anstieg, wo – so schien es jedenfalls für seine schlechten Augen, die an die kurzen Entfernungen des Waldes angepasst waren – ein dicker Teppich aus Wald das Gestein überzog.

Also nach Süden, durch das trockene Land zum neuen Wald auf dem Plateau. Ohne sich zu vergewissern, dass die anderen ihm folgten, ging er auf Knöcheln und Füßen weiter und schob sich durch schulterhohes Gras, das um ihn herum wogte.

Das Land stieg an und wurde immer trockener.

Es gab hier auch ein paar Bäume, aber das waren nur Krüppelkiefern, die sich an den trockenen Boden klammerten und weder die tröstliche Dichte noch die Feuchtigkeit des Waldes boten. Also hatten sie hier kaum Schutz vor der Mittagssonne. Capo war bald außer Atem. Er wurde im dicken Fell förmlich gegrillt, und Knöchel und Füße waren wund gelaufen. Er vermochte nicht zu schwitzen, und die Gangart auf den Knöcheln, die für die Bewegung in der komplexen Umgebung des dichten Waldes geeignet war, erwies sich hier als ineffizient.

Außerdem wurde Capo, ein Geschöpf des Waldes, durch diese endlose Weite eingeschüchtert. Er stieß einen leisen Ruf aus und hätte sich am liebsten zusammengekauert, die Arme um den Kopf geschlungen oder sich auf den nächsten Baum geflüchtet.

Es gab auch Tiere zu sehen, die über die trockene Ebene verstreut waren: Es gab Hirsche, ein paar Hunde-Spezies und eine Familie von Wühltieren wie Stachelschweine. Die großen Tiere waren eher selten, doch dafür flohen jede Menge kleinerer Tiere vor dem anrückenden Capo: Eidechsen, Nagetiere und sogar primitive Kaninchen.

Die etwa zwanzig Mitglieder der Sippe, die sich ihm angeschlossen hatten, quälten sich hinter ihm die Steigung hinauf. Sie kamen nur langsam voran, weil sie immer wieder Rast machten, um zu essen, zu trinken, sich zu kämmen, zu spielen und sich zu streiten. Diese Wanderung glich eher einem gemütlichen Spaziergang von Kindern, die sich leicht ablenken ließen. Aber es lag auch nicht in Capos Absicht, sie zur Eile zu treiben. Sie konnten halt nicht aus ihrer Haut.

Capo erklomm einen flachen, erodierten Hügel. Von dort ließ er den Blick über die feuchte, glitzernde Landschaft mit der Waldinsel und den äsenden Pflanzenfressern schweifen. Doch als er dann nach Süden schaute, sah er die große Trockenheit vor ihnen liegen. Es war ein breites Hochtal mit vereinzelten dürren Bäumen und spärlicher Vegetation. Die Trockenheit war durch einen geologischen Unfall bedingt, der das Tal in einer großen unterirdischen Felsschüssel ohne Quellen eingebettet hatte und vom Regen abschottete.

Beim Anblick dieser endlosen Weite wollte er schier verzagen. Aber er musste sie dennoch durchqueren.

Und weil er hier nicht mehr im Wald war, der den Schall dämpfte, hörte er auch wieder dieses mysteriöse Brüllen aus dem Westen. Das entfernte Geräusch klang wie der stöhnende Schrei eines riesigen, gequälten und zornigen Tiers oder wie die donnernden Hufe einer riesigen Herde Pflanzenfresser. Als er jedoch gen Westen schaute, sah er weder Staubwolken noch einen Strom schwarzer Tierleiber. Da war nur das Brüllen, das ihn sein Leben lang begleitet hatte.

Er schickte sich an, den felsigen Abhang in südlicher Richtung hinab zu steigen.

Der Boden wurde kahl. Es klammerten sich zwar noch immer Bäume ans Leben und trieben spiralige Wurzeln in Bodenspalten. Doch diese Bäumchen waren verkrüppelt und hatten stachlige Blätter, um ihr Wasser zu schützen. Er blieb unter einem dieser Bäume stehen. Die Äste und das Laub spendeten ihm praktisch keinen Schatten. Der Baum trug auch keine Früchte, und die Blätter, die er abzupfte, lagen ihm scharf und trocken im Mund. Dann versuchte er, eine kleine mausartige Kreatur mit langen Hinterbeinen zu fangen; bei der Vorstellung, in diesen weichen feuchten Körper zu beißen und die kleinen Knochen zu zermalmen, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Auf diesem steinigen Boden verhielt er sich jedoch ungeschickt und machte Lärm, sodass das Mauswesen ihm leicht entkam.

Nun änderte der Untergrund sich wieder und verwandelte sich in einen Abhang aus Geröll. Er breitete sich vor ihm aus und führte wie eine Straße in die Tiefen des trockenen Tals. Das Fortkommen wurde immer beschwerlicher; Capo geriet auf dem Geröll ins Rutschen und stürzte. Überhitzt, durstig, hungrig und verängstigt schrie er seinen Protest heraus, warf mit Geröll um sich, trampelte darauf herum und wirbelte es mit den Füßen auf. Aber das Land ließ sich von Capos Mätzchen nicht beeindrucken.

Derweil beobachtete das Chasma die Horde Anthropoiden, die sich den unebenen, tückischen Abhang hinunterquälte.