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Joan zuckte die Achseln. »Aber Sie können es ihr doch nicht zum Vorwurf machen, dass sie ihre Kinder genetisch modelliert hat.« Sie strich sich über den Bauch. »Ich glaube zwar nicht, dass ich das für den Junior hier drin wollte. Aber Eltern haben immer schon das Beste für ihre Kinder gewollt. Die beste Schule, den Speer mit der besten Steinspitze, den besten Ast im Feigenbaum.«

Das rang Alyce ein Lächeln ab. »Gegen Genmodellierung in einem gewissen Maß wäre nichts zu sagen, wenn alle es sich leisten könnten. Zum Beispiel sind die beschränkten Selbstheilungskräfte unseres Körpers keine physiologische Unabdingbarkeit. Wieso sollten wir amputierte Gliedmaßen nicht wie Seesterne nachwachsen lassen? Wieso sollten wir nicht mehr Gebisse haben als nur zwei? Oder wieso tauschen wir verschlissene und arthritische Gelenke nicht einfach aus?«

»Aber glauben Sie wirklich, dass Alison Scott ihr Geld damit gemacht hat? Schauen Sie sich ihre Kinder an, das Haar, die Zähne und die Haut. Die ›inneren Werte‹ sind unsichtbar. Wozu soll man viel Geld ausgeben, wenn man seine Errungenschaften nicht zur Schau stellen kann? Neunzig Prozent des Geldes, das derzeit in Genmodellierung investiert wird, dient dem Aufpolieren der Fassade. Die armen Kinder von Scott sind nichts anderes als mobile Reklametafeln für ihren Reichtum und ihre Macht. Das ist wirklich ein Ausbund an Dekadenz.«

Joan legte Alyce den Arm um die Hüfte. »Das kann schon sein. Aber wir müssen für vieles offen sein. Wir brauchen Scotts Beitrag genauso sehr, wie wir Ihren brauchen… Wissen Sie, ich habe das Gefühl, einen Felsklotz im Bauch zu tragen«, sagte sie atemlos.

Alyce verzog das Gesicht. »Da erzählen Sie mir nichts Neues. Ich habe selbst drei Kinder. Aber ich bin zu ihrer Geburt jedes Mal nach Island zurückgegangen. Schlechtes Timing, hm?«

Joan lächelte. »Ein Unfall. Die Konferenz ist schon seit zwei Jahren in der Planung. Was das Baby betrifft…«

»Die Natur nimmt wie immer ihren Verlauf, trotz unsrer nichtigen Sorgen. Und der Vater?«

Der Vater, auch ein Paläontologe, war zwischen die Fronten eines sinnlosen Scharmützels geraten, das nach dem Zusammenbruch des kenianischen Staates stattgefunden hatte. Er hatte Lagerstätten mit Hominiden-Fossilien vor Dieben zu schützen versucht, aber ein Banditen-Anführer hatte geglaubt, er würde Silber, Diamanten oder einen Impfstoff gegen AIDS verteidigen. Dieser Vorfall und das Kind, das sie von ihm erwartete, hatten Joan in ihrem Entschluss bestärkt, die Konferenz zu einem Erfolg werden zu lassen.

Aber sie wollte jetzt nicht darüber sprechen. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte sie.

Alyce schien zu verstehen.

Schließlich betraten sie das Flughafengebäude. Joan empfand die kühle Luft aus der Klimaanlage wie eine kalte Dusche und bekam beim Gedanken an die vielen Kilowatt Wärmeenergie, die dadurch woanders in die Luft gepumpt wurden, zugleich ein schlechtes Gewissen. Eine Quantas-Mitarbeiterin, eine Aborigines-Frau, führte sie zu einer Empfangslounge. »Es hat ein kleines Problem gegeben«, sagte sie wie auf einem Endlostonband zu den ankommenden Passagieren. »Wir sind aber nicht in Gefahr. In Kürze erfolgt eine Durchsage…«

Alyce und Joan gingen erschöpft zu einer unbesetzten Metallbank. Dann holte Alyce ihnen etwas zu trinken.

Die intelligenten Wände der Lounge waren mit aktuellen Meldungen von Fluglinien, Nachrichten, Unterhaltung und Telekommunikations-Schnittstellen erfüllt. Es wimmelte von Passagieren. Viele waren Konferenzteilnehmer; Joan kannte die Gesichter aus der Programmbroschüre und dem Internet. Sie alle litten offensichtlich unter dem Jetlag und an Orientierungslosigkeit und wirkten entweder erschöpft oder aufgedreht.

Ein kleiner, dickbäuchiger Mann mit einer Kutte, die man früher vielleicht als Hawaii-Hemd bezeichnet hätte, näherte sich Joan zaghaft. Der Kahlköpfige schwitzte stark und hatte ein anscheinend gewohnheitsmäßiges Grinsen im Gesicht. Er hatte einen Holo-Sticker, der immer gleiche Bilder vom Mars, dem neuen robotischen Landungsfahrzeug der NASA und einem orangefarbenen Himmel zeigte. Als Kind hätte Joan ihn vielleicht als Eierkopf bezeichnet. Aber er war nicht älter als fünfunddreißig. Also ein Eierkopf der zweiten Generation. Er streckte die Hand aus. »Ms. Useb? Mein Name ist Ian Maughan. Ich bin vom JPL. Äh…«

»Das Jet Propulsion Laboratory der NASA. Ich erinnere mich natürlich an Ihren Namen.« Joan erhob sich mühsam und schüttelte ihm die Hand. »Ich freue mich, dass Sie die Einladung angenommen haben. Noch dazu in diesem Stadium Ihrer Mission.«

»Es läuft prima, dank des großen Ju-Ju«, sagte er und zeigte ihr den Holo-Sticker. »Das sind Live-Aufnahmen aus dem Internet, natürlich unter Berücksichtigung der Laufzeit vom Mars… Johnnie hat die Brennstoff-Fabrik schon aufgebaut und arbeitet nun an der Metallextraktion.«

»Eisen aus dem rostigen Marsgestein.«

»Ganz genau.«

›Johnnie‹ hieß mit richtigem Namen John von Neumann. Er war der amerikanische Denker des zwanzigsten Jahrhunderts, der das Konzept universaler Replikatoren präsentiert hatte -Maschinen, die, mit den entsprechenden Rohmaterialien gefüttert, alles herzustellen vermochten, sogar Kopien von sich selbst. ›Johnnie‹ war ein Technologieprojekt, ein Replikator-Prototyp mit dem ultimativen Ziel, aus den Rohstoffen des Planeten eine Kopie von sich zu fertigen.

»Er hat in der Öffentlichkeit wie eine Bombe eingeschlagen«, sagte Maughan. »Die Leute sind fasziniert. Ich glaube, es liegt an der Zielgerichtetheit, mit der er eine Komponente nach der andern fertigt.«

»Reality-TV vom Mars.«

»Ja, so in der Art. Mit diesen Einschaltquoten haben wir ganz bestimmt nicht gerechnet. Nach siebzig Jahren hat die NASA die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit immer noch nicht erkannt. Aber die Aufmerksamkeit kommt uns sehr gelegen.«

»Wann, glauben Sie, wird Johnnie… ähem… geboren? Noch ehe ich versuche, mich zu replizieren?«

Maughan lachte gezwungen; der Verweis auf Joans menschliche Biologie hatte ihn peinlich berührt, was aber nicht verwunderlich war. »Das ist durchaus möglich. Aber er gibt sich sein eigenes Tempo vor. Darin liegt gerade auch die Schönheit des Projekts. Johnnie ist autonom. Wo er nun dort oben ist, braucht er nichts mehr von der Erde. Und weil er und seine Söhne uns keinen Cent mehr kosten, ist das ein ausgesprochen kostengünstiges Projekt.«

Söhne?, fragte Joan sich.

»Allerdings ist Johnnie eher ein Konstruktions- als ein Wissenschaftsprojekt«, sagte Alyce Sigurdardottir, nachdem sie mit zwei Bechern Cola für sich und Joan zurückgekommen war. »Nicht wahr?«

Maughan lächelte unbekümmert. Joan wurde sich erst jetzt bewusst, dass er trotz seines Aufzugs ein JPL-Mitarbeiter war, der um den Nutzen der Öffentlichkeitsarbeit wusste; sonst wäre er nämlich nicht gekommen. »Das will ich nicht bestreiten«, sagte er. »Aber so läuft das eben bei uns. Bei der NASA mussten Engineering und Wissenschaft schon immer Hand in Hand gehen.« Er wandte sich wieder an Joan: »Ich fühle mich geehrt, dass Sie mich eingeladen haben, obwohl ich immer noch nicht den Grund dafür kenne. Ich bin kein Biologe, sondern von Haus aus ein Computerspezialist. Und Johnnie ist im Grunde auch nur eine Raumsonde, ein Haufen Silizium und Aluminium.«

»Bei dieser Konferenz geht es nicht nur um Biologie«, sagte Joan. »Ich wollte die besten Köpfe aus vielen Fachgebieten hier zusammenbringen und miteinander bekannt machen. Wir werden lernen müssen, in ganz neuen Bahnen zu denken.«

Alyce schüttelte den Kopf. »Obwohl ich diesem Projekt eher skeptisch gegenüberstehe, glaube ich, dass Sie Ihr Licht unter den Scheffel stellen, Dr. Maughan. Denken Sie noch mal darüber nach. Sie sind nackt auf die Welt gekommen. Sie nehmen, was die Erde Ihnen gibt – Metalle und Öl – und formen es, verleihen ihm Intelligenz und schicken es durch den Weltraum zu einer anderen Welt. Das Image der NASA ist immer miserabel gewesen. Aber was Sie tun, ist so… so romantisch.«